Engeraner Bürgermeister im großen Abschiedsinterview: „Es war wirklich ein Privileg“

Herr Meyer, nach zehn Jahren als Bürgermeister in Enger scheiden Sie Ende Oktober aus dem Amt aus. Es war eine freiwillige Entscheidung, bei der Kommunalwahl nicht erneut anzutreten. Jetzt rückt der Abschied näher. Wie fühlt es sich an? Thomas Meyer: Ich konnte mich lange darauf einstellen, darum kommt der Abschied nicht überraschend. Aber natürlich ist es jetzt ein Loslassen. Zu meiner Entscheidung stehe ich aber auch weiterhin und freue mich darauf, was künftig möglich sein wird. Seit Beginn Ihrer Amtszeit 2015 hatten Sie es fast durchweg mit globalen Krisen zu tun, die massive Auswirkungen auch auf die Kommunen hatten: der Zustrom geflüchteter Menschen ab 2015, die Corona-Pandemie, dann der Ukrainekrieg und die Energiekrise. Ja, das war sehr herausfordernd. Diese globalen Krisen - das war etwas Neues, was in der Form auf die Kommunen zugekommen ist. Und dafür gab es keine Blaupause. Das hat man vor Ort im Rathaus gemerkt, aber auch im interkommunalen Austausch mit den Kollegen im Kreis. Ich hätte mir gewünscht, ich hätte mehr normale Jahre gehabt, wo ich mich mehr thematisch um Dinge hätte kümmern können, die rein die Belange der Stadt Enger betreffen. Aber dazu gab es dadurch weniger Raum. Worum hätten Sie sich gern noch gekümmert? Was ein bisschen auf der Strecke geblieben ist, ist der soziale beziehungsweise bezahlbare Wohnungsbau. Das ist ein großes und wichtiges Thema und ich hätte mir gewünscht, dass ich da für die Stadt weitergekommen wäre. Das bedaure ich sehr. Kommunalwahlen 2025 in Enger: Ergebnis der Kommunalwahl 2025: Stefan Böske ist Engers neuer Bürgermeister Am Sieler Weg wollte die Stadt ein solches Projekt umsetzen. Aber zuletzt ist es still um das Vorhaben geworden. Wie ist der Stand? Der Bebauungsplan ist dort im Entwurf erstellt. Aber wir sind nicht so recht weitergekommen. Unter anderem Corona hat uns da zeitlich überrollt. Aber auch durch die gestiegenen Baukosten ist es nicht gelungen, Akteure - externe Investoren - zu finden, die mit uns zusammen das Projekt umsetzen. Das Wohnbauprojekt Sieler Weg ist also gestorben? Sagen wir, es liegt auf Eis. Ich würde mir aber wünschen, dass es politisch wieder aufgegriffen wird und man an der Stelle bezahlbaren Wohnraum schafft. Was haben Sie in Ihrer Amtszeit in Enger verändert? Wir haben zum Beispiel alle Kunstrasenplätze erneuert, Feuerwehrgerätehäuser saniert oder angebaut, das &bdquo;Haus der Kulturen“ eröffnet, alle Schulen mit Glasfaseranschluss ausgestattet und die Schuldigitalisierung vorangebracht, vier Kitas sind erweitert oder teils auch neu gebaut worden. An der Realschule wurden außerdem das Lehrerzimmer und die Verwaltung erweitert. Auch der Neubau des Radwegs Nordhofstraße fiel in meine Amtszeit. Wir haben zudem einen Pumptrack errichtet, der richtig super genutzt wird. Außerdem gibt es heute einen Wasserspielplatz in der Maiwiese, dessen Bau die Stadt unterstützt hat. 2019 haben wir zudem nach zehn Jahren die Haushaltssicherung verlassen. Wenn ich die Übergabe jetzt vorbereite und noch einmal durch die Schränke schaue, fällt einem vieles wieder ein. Ich glaube, ich habe gemeinsam mit meinem Team vieles erreicht. Zum Thema: Engers Bürgermeister Thomas Meyer tritt nicht erneut zur Wahl an Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von SPD Enger (@spdenger) Einige Projekte, die während Ihrer Zeit als Bürgermeister eingestielt wurden, werden nun erst nach Ihrem Ausscheiden aus dem Amt realisiert. . . Ja, ich bin gewissermaßen der Architekt vieler Projekte gewesen, der die Dinge auf den Weg gebracht hat. Stefan Böske wird nun der Bauherr sein. Ein entscheidender Punkt, den wir angestoßen haben, ist das Thema Stadtentwicklung. Da ein gemeinsames Handeln der Politik hinbekommen zu haben, das ist etwas Besonderes. Das Projekt wird sehr nachhaltig sein und die Stadt in den nächsten Jahren verändern. Außerdem haben wir eine wesentliche Entscheidung getroffen, was künftig mit dem Barmeierplatz wird. Er wird verkehrsfrei gestaltet. Da brauchte es viele Gespräche. Auch die Kleinbahntrasse im Umfeld des Kleinbahnhofs - zwischen der Ringstraße und der Bielefelder Straße - wird jetzt überarbeitet. Das geht jetzt los. Auch die Erweiterung des Widukind-Gymnasiums läuft. Die Sanierung des Gartenhallenbades wollen wir ebenfalls angehen. Es war mir immer wichtig, das Bad zu erhalten - und jetzt stellen wir es so auf, dass es erhalten werden kann. Und: In wenigen Tagen wird auch der neue Rossmann eröffnet. Bei Letzterem handelt es sich um ein Privatunternehmen, das auf Privatgrund baut. Hat die Stadt darauf überhaupt Einfluss gehabt? Wir wollten einen Drogeriemarkt auf die heutige &bdquo;Hensel“-Fläche zwingen, um den Einzelhandel in der Innenstadt zu stärken. Das war politisch unterstützt, indem das Einzelhandelskonzept entsprechend beschlossen wurde. Das hat aber nicht geklappt. Wir haben danach jedoch immer wieder Gespräche mit Rossmann geführt. Am Ende passte es dann zusammen. Wir hatten da eine durchaus vermittelnde Rolle. Thema Finanzen: Die Kassen der Stadt sind leer. Hat man als Bürgermeister überhaupt noch Spielraum, Projekte umzusetzen? Die Spielräume werden sehr eng. Projekte kann man oft nur mithilfe von Förderprogrammen realisieren. Aber die stehen auch in der Kritik, weil sie viel zu komplex und so zahlreich sind. Im Grunde müsste ich jemanden ganztags einstellen, der den Überblick darüber behält. Zu schauen, wo welcher Fördertopf passt, das kostet unglaublich viele personelle Kapazitäten. Es wäre effektiver, das Geld pauschaler an die Kommunen auszukehren. Thomas Meyer im Interview: Engers Bürgermeister sieht keinen politischen Rechtsruck für die Widukindstadt Was waren die schönsten, die skurrilsten, die außergewöhnlichsten Momente Ihrer Amtszeit? Da gibt es die vielen Begegnungen mit den Menschen, die mir in Erinnerung bleiben werden. Ich habe viele gute Gespräche auf verschiedenen Ebenen führen dürfen. Es waren oft diese Kleinigkeiten. Das waren schöne Erfahrungen und dafür bin ich dankbar. Worauf sind Sie stolz? Mir war es wichtig, dass wir eine vernünftige politische Diskussionskultur bekommen. Und das ist mir, glaube ich, gelungen. Die politischen Meinungen der einzelnen Ratsfraktionen am Ende zusammenzuführen und zu einem guten Ergebnis zu kommen, eine breite Mehrheit zu finden, das fand ich immer wichtig. Ich habe immer alle Parteien gleichbehandelt, bin offen auf alle zugegangen. Es gibt keinen Streit zwischen den Ratsparteien. Vielleicht auch ein Grund, warum die AfD in Enger nicht zur Wahl angetreten ist. Wie geht es für Sie ab November weiter - persönlich, aber auch beruflich? Ich möchte jetzt erstmal ganz bewusst mehr auf die Familie und auf mich gucken. Ich bin aber auch noch beruflich offen für Neues. So übernehme ich am Studieninstitut für kommunale Verwaltung in Bielefeld einen kleinen Lehrauftrag mit ein paar Stunden in der Woche. Auszubildenden werde ich dann grundlegende Dinge aus dem kommunalen Verfassungsrecht vermitteln. Mehr ehemalige Politik: Zehn Jahre im Ruhestand: Was macht Engers ehemaliger Bürgermeister Klaus Rieke? Sie scheiden auch aus dem Rat der Stadt Enger aus. . . Ja, den politischen Menschen Thomas Meyer wird es nun erstmal eine Weile öffentlich nicht geben. Ich finde es schwierig, nach meiner Zeit als Bürgermeister wieder in die Gremienarbeit vor Ort zu gehen. Es gibt jetzt andere handelnde Akteure, die die Entscheidungen treffen. Was wünschen Sie ihrem Amtsnachfolger Stefan Böske von der CDU? Ich wünsche ihm weniger Krisen und dass ihm die Zusammenarbeit mit Verwaltung und Rat gut gelingt. Der Stadt würde ich wünschen, dass es keinen parteipolitischen Bürgermeister gibt. Was wird Ihnen fehlen? Es war wirklich ein Privileg, viele Dinge mitgestalten zu können. Das wird mir fehlen. Und natürlich meine Mitarbeitenden, mit denen ich gut zusammengearbeitet und viel bewegt habe. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW im Kreis Herford

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