Neue Forschung zu Widukind: Hat die Geschichte sich geirrt?

Enger. Neue wissenschaftliche Untersuchungen im Widukindmuseum Enger werfen ein neues Licht auf die Geschichte des legendären Sachsenführers Widukind. Das bislang geltende Bild von Widukind und den frühen Jahren der Christianisierung in der Region gerät durch diese Forschungsergebnisse ins Wanken. &bdquo;Das Ergebnis liefert mehr Fragen als Antworten“, sagt Olav Heinemann, Leiter des Widukindmuseums. Die aktuellen Entdeckungen stellen nicht nur die Chronologie der Sachsenkriege infrage, sondern werfen auch neue Perspektiven auf die christliche Prägung der Region im frühen Mittelalter.Eine der Hauptentdeckungen basiert auf der C14-Analyse der Gebeine der sogenannten Stifterfamilie. Regina Krull, die ehemalige Museumsleiterin, erinnert sich noch gut an den Moment, als die ersten Ergebnisse der Analyse eintrafen: &bdquo;Ich dachte, mich haut es um“, sagt sie. Die Untersuchung ergab, dass einer der Bestatteten bereits vor dem Jahr 775 verstorben ist – ein Ergebnis, das die bisherige Annahme von Widukinds Taufe im Jahr 785 infrage stellt. Neue Ergebnisse aus alten Knochen Die wissenschaftliche Methode zur Altersbestimmung organischer Materialien hatte anfangs jedoch Schwierigkeiten bereitet. Ursprünglich wurden Rippenfragmente untersucht, doch diese waren von falschen Elementen geprägt. &bdquo;Das haben wir verworfen“, erklärt Krull. Die endgültigen Ergebnisse stützen sich auf die Untersuchung von drei Individuen: zwei Männer im Alter von etwa 60 Jahren und ein junger Mann von rund 16 Jahren. Olav Heinemann erklärt, dass die beiden älteren Männer Halbbrüder waren, während der junge Mann ein Nachkomme war. &bdquo;Wir haben die Vaterschaft und Halbbrüderschaft dieser Personen bestätigt“, sagt Heinemann. Diese Entdeckungen werfen Fragen zu den Verwandtschaftsbeziehungen und der historischen Einordnung der Bestattungen auf. War Widukind vielleicht schon vor seiner Taufe Christ? Eine zentrale Frage ist, ob Widukind vielleicht bereits vor seiner Taufe Christ war. Heinemann verweist auf den Historiker Gerd Althoff, der den Namen Widukind auf der Insel Reichenau entdeckt hat. &bdquo;Es könnte sein, dass Widukind nach seiner Taufe als Mönch in Gewahrsam genommen wurde“, erklärt Heinemann. Dies könnte darauf hindeuten, dass der Sachsenführer nicht erst 785, wie bislang angenommen, zum Christentum übertrat, sondern schon deutlich früher Kontakt zu christlichen Einflüssen hatte. Regina Krull ergänzt, dass die christliche Präsenz in der Region früher datiert wurde, als bislang angenommen. &bdquo;Die Kirche wurde bisher auf 800 datiert, doch diese Funde werfen die Frage auf, ob es nicht schon Ende der 700er- Jahre christliche Bestattungen in der Region gab“, so Krull. Es könnte also sein, dass christliche Einflüsse schon zu dieser Zeit vorhanden waren. &bdquo;Jetzt haben wir einen Bestatteten, der schon Ende der 700er Jahre verstorben ist. Wie gehen wir damit um?“, fragt sie. Heinemann spekuliert weiter: &bdquo;Es könnte sein, dass die Gebeine eines vor 775 verstorbenen Mannes nachträglich in die Kirche hineingetragen wurden.“ Dies würde darauf hinweisen, dass es vor Widukinds Taufe bereits christliche Rituale und Kirchen im sächsischen Gebiet gegeben haben könnte. &bdquo;Es hat hier schon Christen und Kirchen gegeben“, erklärt er. Über die genaue Dimension dieser frühen Christianisierung lässt sich jedoch nur spekulieren. Wissenschaftlicher Austausch und neue Perspektiven Ein weiteres zentrales Thema der Forschung ist der wissenschaftliche Austausch. Das Team um Heinemann und Krull hat ein Kolloquium mit Experten aus verschiedenen Disziplinen organisiert, um die neuen Erkenntnisse zu vertiefen und zu diskutieren. &bdquo;Es war keine leichte Materie“, sagt Krull. Die Ergebnisse werfen nicht nur Fragen zur Chronologie von Widukinds Leben auf, sondern auch zur Einordnung der Kirchenentwicklung in dieser Zeit. Heinemann betont, dass die Archäologie als Wissenschaft erst relativ jung ist und die Methode der C14-Datierung vor 40 Jahren noch nicht möglich war. &bdquo;Das ist ein grundsätzliches Problem der Historiker: Wie gehen wir mit neuen archäologischen Quellen um? Nehmen wir diese an? Wie bauen wir sie in unsere Geschichtsschreibung ein?“, fragt er. Der technische Fortschritt habe neue Perspektiven eröffnet, die zunehmend an Bedeutung gewinnen. &bdquo;Die C14-Methode ist nur ein Beispiel dafür, wie sich unsere Sicht auf die Vergangenheit verändert“, so Heinemann. Weitere Forschung und neue Fragestellungen Neben den historischen Fragestellungen arbeitet Heinemann weiterhin an Projekten im Widukindmuseum. Ein besonders interessantes Vorhaben betrifft die Luna-Fibel und den Zierknopf, die Hinweise auf christliche Symbolik enthalten. &bdquo;An diesen Objekten gab es leider keine archäologische Untersuchung“, sagt Heinemann. Besonders spannend ist die Entdeckung der roten Edelsteine im Zierknopf. &bdquo;Ich wüsste gerne, woher diese Edelsteine kommen“, erklärt Heinemann. In einer 2010 in Staffordshire entdeckten Sammlung gibt es ein Objekt, das dem Zierknopf aus Enger verblüffend ähnlich sieht, was auf weiterführende Untersuchungen hindeutet. Die neusten Erkenntnisse rund um den Sachsenherzog wurden in einem Buch zusammengefasst, das von Regina Krull und Olav Heinemann herausgegeben wurde. Das Werk &bdquo;Die Gebeine eines Helden – War Widukind schon vor seiner Taufe Christ?“ ist im Widukindmuseum und in der Buchhandlung Jochen Liebold in Enger erhältlich. Insgesamt 300 Exemplare sind zunächst gedruckt. Man kann das Buch über die ISBN 978-3-7395-1551-9 bestellen, erklärt Heinemann. &bdquo;Ich hoffe, das Buch wird gelesen und bringt neue Perspektiven in die Forschung.“ 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Herford

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