Dubiose Masche: 16-jähriger Engeraner soll 420 Euro für ungewollten Vertrag zahlen

Enger. Daniela Kuss staunt nicht schlecht, als sie am 8. August einen Brief vom Unternehmen &bdquo;1N Telecom“ bekommt. Angeblich soll ihr 16-jähriger Sohn einen Anbieterwechsel zu dem Telekommunikationsunternehmen in Auftrag gegeben haben. Das habe er aber nicht getan, beteuert die Mutter. Wenig später bekommt sie eine Schadensersatzforderung in Höhe von fast 420 Euro. Es ist die neueste Masche eines Unternehmens, das schon in der Vergangenheit mit dubiosen Werbe-Methoden aufgefallen ist. So funktioniert es: Im ersten Brief wird Familie Kuss mitgeteilt, dass sie ihrem bisherigen Anbieter einen Auftrag zur Portierung ihrer Rufnummer erteilen müssen, damit diese beim angeblich in Auftrag gegebenen Wechsel zur1N Telecom mitgenommen werden kann. Dafür hätten sie zehn Tage Zeit. Nach Ablauf dieser Frist kommt ein weiteres Schreiben, in dem es heißt, dass der angebliche Vertrag gekündigt werden müsste, weil die Portierung nicht in Auftrag gegeben worden sei. Dafür müsste die Familie nun 419,88 Euro Schadenersatz zahlen. &bdquo;Aktuell erreichen uns zahlreiche Beschwerden zu den beiden Schreiben von der 1 N Telecom“, sagt Burak Tergek von der Verbraucherzentrale NRW. Auf ihrer Webseite warnt die Verbraucherzentrale bereits vor diesem Vorgehen. Sohn hat an Online-Gewinnspiel teilgenommen Was in diesem Fall noch dazu kommt: Der Sohn von Daniela Kuss ist minderjährig, kann also gar nicht ohne das Einverständnis der Mutter einen Vertrag abschließen. Daniela Kuss glaubt auch nicht, dass das passiert ist. &bdquo;Warum sollte er das machen? Wir haben ja Internet“, sagt sie. Auf Anfrage bei der 1N Telecom heißt es: &bdquo;Wir bedauern sehr, dass es bei dem getätigten Auftrag zu einem Missbrauch der Daten [...] gekommen zu sein scheint.“ Marketing-Direktor Thomas Peters gibt an, dass das Unternehmen den Vorgang gerne storniere, wenn der 16-jährige Engeraner bestätigt, den Kauf nicht in Auftrag gegeben zu haben. Sie wollten den Fall an die Behörden weitergeben, schreibt Peters. In der E-Mail listet er die privaten Daten des 16-Jährigen auf, nennt eine IP-Adresse und eine angebliche Kaufzeit. Lesen Sie auch: Warum ein Herforder 420 Euro für einen Telefonvertrag zahlen soll, den er so gar nicht will Die Daten seien korrekt, bestätigt Daniela Kuss. Nur das Geburtsdatum ihres Sohnes sei zwei Jahre in die Vergangenheit gelegt worden. Ihr Sohn besteht aber darauf, online nur an einem Gewinnspiel für eine Reise teilgenommen zu haben. Mithilfe des angeblichen Kaufdatums findet Familie Kuss drei E-Mails, die sie um den Zeitpunkt herum bekommen haben. In den Mails, die der NW vorliegen, wird dem 16-Jährigen gedankt, dass er an einer &bdquo;Pasta-Überraschungspaket-Aktion teilgenommen hat. In einem Link soll er aus Gutscheinen oder Prämien auswählen. Dort werden dann private Daten abgefragt. &bdquo;Das ist ein untergeschobener Vertrag“ In einer zweiten E-Mail wird für die Teilnahme an einem Gewinnspiel gedankt, während Vertragsunterlagen für den angeblich erteilten Auftrag zugesendet werden. Gleichzeitig heißt noch in der E-Mail, dass noch kein Vertragsverhältnis zustande gekommen sei. In einer dritten E-Mail wird dann einfach für den erteilten Auftrag gedankt. &bdquo;Das ist ein untergeschobener Vertrag“, sagt Burak Tergek von der Verbraucherzentrale NRW. &bdquo;Sowas ist nicht wirksam.“ Nur mit Schweigen des Käufers könne kein Vertrag zustande kommen. Alle drei E-Mails kommen von der Bluereen Media LTD, einem Unternehmen aus Manschester. Das Portal Verbraucherschutz.com warnt vor Gewinnspielen des Unternehmens, nach denen Teilnehmer mit Werbung per E-Mail und Post überschüttet wurden. Auch bei Daniela Kuss sind ungewollte Zeitschriften eingetrudelt. Die Darstellung deckt sich auch mit anderen Schilderungen gegenüber der Verbraucherzentrale, nachdem Nutzer die Schreiben von 1N Telecom nach Teilnahme an einem Online-Gewinnspiel bekommen haben. Lesen Sie auch: Nach schweren Vorwürfen: 1N Telecom äußert sich zu Werbebriefen Die 1N Telecom ist neben der Verbraucherzentrale auch bei der NW für dubiose Methoden bereits bekannt. Seit 2022 berichtet die NW immer wieder über die aggresiven Werbemaßnahmen des Unternehmens. Damals schickte das Unternehmen an zahlreiche Bürgerinnen und Bürger ein personalisiertes Schreiben, indem sie zu einem Anbieterwechsel aufgefordert wurden. Es war zunächst unklar, woher das Unternehmen die privaten Daten dazu hatte. In einem Fall ging ein solches Schreiben sogar an einen schon 1998 verstorbenen Mann aus Bünde. Bei vielen Adressaten kam es zudem zu Verwirrungen, wegen der Namensähnlichkeit zur Deutschen Telekom. Mehr als 11.000 Beschwerden Seit dem Jahr 2023 gab es darüber hinaus mehr als 11.000 Beschwerden zur 1N Telcom bei den Verbraucherzentralen. Der Bundesverband der Verbraucherzantrale sucht aktuell Betroffene für eine Sammelklage gegen das Unternehmen. Zudem wurde die 1N Telecom &bdquo;schon aufgrund verschiedener Verstöße erfolgreich abgemahnt“, sagt Burak Tergek. Mehr zum Thema: Werbebriefe auch im Kreis Herford: Unternehmen 1N-Telecom muss Schadenersatz zahlen Im April 2022 hatte sich nach erster NW-Berichterstattung ein Vertreter der 1N Telecom gemeldet und unter anderem versprochen: &bdquo;Wir haben bereits Maßnahmen ergriffen, damit so etwas in Zukunft nicht mehr passiert.“ Die NW hat beim Unternehmen nachgefragt, warum dieses Versprechen nicht gehalten wurde. Zudem hat die NW einen umfangreichen Fragenkatalog zum Vorgehen der 1N Telecom, Beziehungen zu Bluereen Media LTD und zur Kritik der Verbraucherzentrale geschickt. Von 1N Telecom kam dazu keine Antwort.

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