Jung und engagiert

Schülerengagement in Enger: Grundschule bildet eigene Streitschlichter aus

14 Kinder der Grundschule Enger-Mitte sind geschulte Streitschlichter. Was heißt das in der Praxis? Und was tun sie, wenn sich zwei Schüler prügeln?

Das Symbolbild zeigt eine Rangelei zwischen einem jüngeren und einem älteren Schüler auf einem Schulhof. | © dpa

Alina Rullkötter
23.07.2024 | 23.07.2024, 14:14

Enger. Katharina Wolff ist noch mit den letzten Vorbereitungen für die Ankunft der Kinder beschäftigt. Die Leiterin des evangelischen Kinder- und Jugendtreffs Zebra hat kaum Zeit, um Fragen zu beantworten. Sie muss die Helfer koordinieren, die im Zebra hinter der Theke und am Würstchen-Grill stehen und die erwachsenen Gäste begrüßen: Hauptkommissar Mario Niemeyer, Pastorin Gabi Kern und Bürgermeister Thomas Meyer sind gekommen, um den Kindern zu gratulieren. Und dann sind die Energy-Kids auch schon da.

Die 14 Kinder, die in die vierte Klasse der Grundschule Enger-Mitte gehen, strömen geräuschvoll in den Jugendtreff und verteilen ihre Ranzen im Flur. Begleitet werden sie von Schulleiterin Eva Dorothee Steuer und Lehrerin Anke Wessels. Wessels hat die Kinder das vergangene Jahr angeleitet und fasst in Kürze zusammen, worum es bei den Energy-Kids geht: „Das ist quasi unsere Streitschlichter AG.“

Ein Jahr lang hatten die Energy-Kids die Aufgabe, in den Pausen Streitereien zu schlichten und anderen Schülerinnen und Schülern zu helfen. Wer diese verantwortungsvolle Aufgabe übertragen bekommt, entscheiden die Kinder: Die Energy-Kids werden von ihren Mitschülerinnen und Mitschülern am Ende der dritten Klasse gewählt. Aus jeder der drei Klassen nehmen jeweils drei Jungen und drei Mädchen an der Streitschlichter AG teil.

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Kinder suchen selbstständig das Gespräch

Um gut auf ihre neue Aufgabe vorbereitet zu sein, werden die Energy-Kids kurz nach ihrer Wahl von den Viertklässlern, die bis dahin Energy-Kids waren, angelernt. Die Kinder bringen einander bei, wie man Streitereien schlichtet und wie die Spielzeugausleihe der Schule funktioniert. Denn auch das ist Aufgabe der Energy-Kids. „Das ist total viel Verantwortung und die Kinder haben das richtig super gemacht“, sagt Lehrerin Wessels hörbar stolz.

Wessels organisiert für die Energy-Kids zwei Trainingstage, an denen sie Fertigkeiten im Umgang mit Konflikten lernen und sie unterstützt die Kinder fortlaufend. „Wir treffen uns immer montags im Zebra und sprechen darüber, was in der vergangenen Woche vorgefallen ist“, sagt sie. Bei den Montagsrunden geht es um Fragen wie: Welche Kinder haben sich schlecht benommen? Wo haben die Energy-Kids eingegriffen? Hat die Spielzeugausleihe problemlos funktioniert?

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- © Alina Rullkötter
Die Energy-Kids zeigen stolz ihr Zertfikate. Hinten die erwachsene Gäste der Zertifikatübergabe (v.l.): Eva Dorothee Steuer (Schulleiterin Grundschule Enger-Mitte), Katharina Wolff (Leiterin ev. Kinder- und Jugentreff Zebra), Anke Wessels (Lehrerin Grunds | © Alina Rullkötter

Während Wessels das Konzept des Programms erklärt, hören die Kinder ruhig zu. Als Pastorin Gabi Kern dann fragt, was denn noch über die Energy-Kids wissen muss, schnellen mehrere Zeigefinger nach oben. „Dass wir Gespräche führen mit den Kindern, die Probleme gemacht haben – mit und ohne Lehrer“, sagt ein Mädchen. Ein anderes ergänzt: „Dass wir nicht mit dem Ärgerbuch drohen.“ In dieses werden die Kinder geschrieben, die besonders viele Streitereien anzetteln. Ein Druckmittel soll das „böse Buch“ jedoch nicht sein.

Kinder erzählen von ihren Highlights

„Und gab es eine richtig tolle Situation?“, will die Pastorin noch von den Kindern wissen. Fast alle Kinder melden sich. Ein Mädchen erzählt: „Wir hatten eine Prügelei auf dem Hof und die hat das Hof-Team gelöst. Das war ein sehr schönes Gefühl.“ Ein anderes sagt: „Ich fand’s toll, dass die kleinen Kinder uns Großen vertrauen, wenn sie Hilfe brauchen.“

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Die Kinder erzählen nacheinander, was ihr persönliches Highlight des vergangenen Jahres war. Für manche war es der Kinobesuch, den der Förderverein ihnen zum Dank für ihr Engagement spendiert hat. Mehrere Kinder sagen, dass es schön war, die anderen Energy-Kids besser kennenzulernen und als Gruppe zusammenzuwachsen.

Nach dem Rückblick auf das vergangene Jahr werden auf wackeligen Bierbänken Wurst, Ketchup und Brötchen verdrückt. Die Kinder sprechen lebhaft über ihre Pläne für die bald beginnenden Sommerferien und auf welche weiterführende Schule sie danach gehen werden.

„Das können auch viele Erwachsene nicht“

Im Anschluss an das Mittagessen verrücken die Kinder die Bänke zu einem Kreis. Alle nehmen Platz. Es wird still im Raum. Die Zertifikatvergabe beginnt.

Katharina Wolff, die Leterin des Zebras, richtet als Erste das Wort an die Kinder: „Wie ihr Konflikte löst ist echt super.“ Bürgermeister Meyer pflichtet ihr bei und fragt an Hauptkommissar Niemeyer gerichtet: „Das können auch viele Erwachsene nicht, oder?“ Der Polizist zieht die Augenbrauen hoch, nickt vielsagend und stimmt Meyer zu: „Oh ja.“ Das letzte Wort hat Lehrerin Wessels: „Für mich ist es schön zu sehen, was für starke Persönlichkeiten ihr geworden seid. Ich werde euch vermissen.“

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