Was hat er vor und wie tickt der neue Museumsleiter in Enger?

Enger. Was hat ein Gelsenkirchener Junge mit Widukind zu tun? Eher nichts. Es sei denn, er ist promovierter Geschichtswissenschaftler und hat sich in seiner Doktorarbeit mit der Genealogie der Wettiner im 16. Jahrhundert beschäftigt. Und da ist Olav Heinemann bei der vierjährigen intensiven Erforschung der Familiengeschichte des Adelsgeschlechtes dem Herzog Widukind gleich mehrfach über den Weg gelaufen. Mehrere Male besuchte er sogar das Widukindmuseum in Enger. Und anscheinend hatte es ihm gefallen. Seit Jahresbeginn ist er in Enger und leitet jetzt das Museum. Heinemann korrigiert: Es hatte ihm nicht nur gefallen, es gefällt ihm immer noch in Enger. Und zwar immer mehr. &bdquo;Die Menschen sind unheimlich freundlich.“ Von sturen Ostwestfalen keine Spur. Auch Heinemann ist alles andere als ein dröger Westfale. Er geht auf die Menschen zu und stellt in vielen Gesprächen fest, dass der Namensgeber des Museums &bdquo;für das ich verantwortlich sein darf“, tiefe und präsente Spuren im Leben, der Kultur und dem Selbstverständnis der Engeraner hinterlassen habe. &bdquo;Wie eine Discokugel mit vielen Facetten“ Dabei war es ihm in seiner Dissertation primär auf das Wettiner Adelsgeschlecht angekommen. Für die Damen - und damals wohl hauptsächlich Herren – war es besonders wichtig, exklusive Vorfahren in ihren Stammbäumen zu haben. Widukind kam ihnen da gerade recht. &bdquo;An sich“, sagt Heinemann, &bdquo;hatten sie gar nichts mit dem Sachsen zu tun. Aber dann erklärten sie, dass der Herzog ihr Ahnherr gewesen sei.“ Sie stellen also eine Ahnenreihe zu Widukind her, wohl wissend, dass die Grenze zwischen Wahrheit und Fantasie manchmal sehr schmal sein kann. &bdquo;Die Hof-Historiker haben für ihre Zeit und ihr Verhältnis recht sauber gearbeitet“, sagt Heinemann. Erst in folgenden Jahrhunderten sei herausgekommen, dass die konstruierte Ahnenreihe recht &bdquo;kreativ“ angelegt worden war. Lesen Sie auch: Wie der neue Leiter das Widukind-Museum in Enger weiterentwickeln möchte &bdquo;Widukind“, sagt der Historiker, &bdquo;taucht in der Geschichtswissenschaft recht häufig auf.“ Die Erwähnungen reichten von der Missionsgeschichte über die Savoyer, die in Turin residierten und - wie die Wettiner auch – ihren Teil vom Widukind für sich beanspruchten, bis hin zur Präsenz des schwarzen Widkukindpferdes im Herforder Kreiswappen. Und natürlich hatten auch die Nationalsozialisten den Sachsenherzog als Figur des heroischen Widerstandes und willkommenen Ahnherren genutzt. Heinemann geht auf die Widukind-Gedächtnisstätte und deren Erforschung ein, auf den &bdquo;Boom ab 1933“. Seine erste Analyse: &bdquo;Das war alles eine tiefbraune Vergangenheit.“ Heinemann als Nachfolger von Regine Krull Heinmann ist also Kenner der Widukind-Geschichte durch und durch. Und auch seine Vorgängerin im Amt, Regine Krull, hatte anlässlich ihres Abschiedes betont, wie sehr sie sich freue, dass Olav Heinemann ihr Nachfolger als Leiter des Museums sei. So wächst der Gelsenkirchener quasi ohne Reibungsverlust ins Amt hinein. Einer seiner ersten Termine war das Timpkenfest in der Stiftskirche als Erinnerung an den Sachsenherzog. Heinemann: &bdquo;Ich fühlte mich wirklich sehr geehrt, dabei sein zu dürfen.“ Denn Widukind habe eine &bdquo;hohe Bedeutung in der evangelischen Gemeinde der Christen.“ Lesen Sie auch: Leiterin des Engeraner Widukind-Museums verabschiedet sich nach 36 Jahren Der Sachsenherzog sei auf keinen Fall &bdquo;eindimensional“ zu sehen. &bdquo;Eher wie eine Discokugel – mit ihren glitzernden Facetten.“ Die Quellen zu Widukind seien eher überschaubar. Dennoch sei es für ihn zu einer bemerkenswerten &bdquo;postmortalen Karriere“ gekommen. &bdquo;Und genau das muss man als Historiker erklären.“ Und genau darin sieht der Historiker seine Aufgabe. &bdquo;Denn Widukind gehört schließlich seit 14 Jahren zu meinem Leben.“ Also erkennt er: &bdquo;Ich forsche weiter. Aus Neugier. Und weil man sich fragen muss: Warum ist das so und nicht anders?“ &bdquo;Suchen Sie nicht nach Gewissheit in der Geschichte“ Es gebe auch in Sachen Widukind stets neue Ansätze, die aus neuen Funden und Erkenntnissen erwachsen. Stets neue Theorien lassen den Museumsleiter sagen: &bdquo;Suchen Sie nicht nach Gewissheit in der Geschichte.“ Eine Gewissheit hat der 54-Jährige indes für sich gefunden: &bdquo;Ich sehe meine Zukunft in Enger. Ich bin begeistert von der Freundlichkeit der Engeraner und der Arbeitskolleginnen und -kollegen.“ Er sucht jetzt nach einer Wohnung für seine Frau und die beiden sieben- und zwölfjährigen Kinder. Natürlich am liebsten direkt in der Nähe der Stiftskirche. Vielleicht ist er dort dem Widukind besonders nah.

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