Erhöhte Grundsteuer in Enger: „Wir leben von der Hand in den Mund“

Enger. Im Dezember hat der Rat der Widukindstadt einstimmig eine Erhöhung des Hebesatzes der Grundsteuer für bebaute und bebaubare Grundstücke auf 780 Prozentpunkte beschlossen. Diese Erhöhung um 49 Prozent hat zu zahlreichen Reaktionen aus der Bürgerschaft geführt. Diverse Leserbriefe, eine Unterschriftensammlung und persönliche Gespräche zwischen Bürgern, Politikern und Verwaltung waren einige davon. Aufgrund des großen Echos hatte die Stadt nun zu einem &bdquo;Bürgerdialog zur Haushaltssituation“ eingeladen, um die Hintergründe der Grundsteuer-Erhöhung zu erläutern. Bürgermeister, Kämmerer und die Fraktionsvorsitzenden der vier Ratsparteien saßen dabei auf dem Podium in der Aula des Widukind-Gymnasiums. Rund 100 Bürgerinnen und Bürger hörten zu, als Bürgermeister Thomas Meyer die schwierige kommunale Finanzlage darlegte. Nach der Umstellung auf das Neue kommunale Finanzmanagement (NKF), so erläuterte der Verwaltungschef, hätten sich für die Stadt negative Jahresergebnisse ergeben, die 2010 zu einem Haushaltssicherungskonzept führten. Durch intensive Konsolidierungsmaßnahmen seien ab 2018 wieder positive Jahresergebnisse erreicht worden. Seit 2020 im Krisenmodus &bdquo;Doch seit 2020 sind wir im Krisenmodus“, sagte Meyer. Die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg hätten erhebliche Belastungen mit sich gebracht. Dafür habe es kaum finanzielle Entlastungen von Bund und Land gegeben, sondern lediglich sogenannte &bdquo;Bilanzierungshilfen“, die es eine Zeit lang möglich machten, Verluste als Einnahmen zu buchen. In der städtischen Einnahmen-Übersicht für 2023 schlugen diese Bilanzierungshilfen in Höhe von mehr als sechs Millionen Euro mit gut zwölf Prozent zu Buche, wie Jörg Pultermann (SPD) darlegte. Zum Ende vergangenen Jahres liefen die Bilanzierungshilfen allerdings aus und hinterließen eine entsprechende Lücke auf der Einnahmenseite. Dazu, so der Bürgermeister, kämen immer mehr Aufgaben, die die Kommune nach den Vorgaben von Bund und Land erfüllen müsse, ohne dafür ausreichend Unterstützung zu bekommen. Die Kommunen seien deshalb &bdquo;strukturell unterfinanziert“. Große Ausgabenblöcke im Stadthaushalt seien außerdem die Kreisumlage (23 Prozent der jährlichen Ausgaben in 2023) und die Jugendamtsumlage (fast 15 Prozent). &bdquo;Beide können wir nicht beeinflussen“, betonte René Siekmann (CDU). Tatsächlich steuerbar seien lediglich die freiwilligen Ausgaben der Kommune wie etwa die Unterhaltung von der Musikschule (260.000 Euro) und dem Gartenhallenbad (300.000 Euro) oder die Kosten für die Offene Ganztagsbetreuung (730.000 Euro) und die Schülerbeförderung (900.000 Euro). Auch die Kosten für das Widukind-Museum (300.000 Euro) und die Unterhaltung von Sportplätzen und Turnhallen für den Freizeitbetrieb (578.000 Euro) gehörten zu diesen rund vier Millionen Euro umfassenden Leistungen, wie Regina Schlüter-Ruff (Bündnis 90/Die Grünen) erklärte. Haushaltsdefizit von gut sieben Millionen Euro Natürlich seien in diesen Bereichen Einsparungen möglich, doch sei man sich in der Politik einig, dass Möglichkeiten zu Bewegung und Begegnung sowie Kultur, Bildung und Erziehung wichtige Faktoren für eine Stadt seien. &bdquo;Selbst wenn wir alle freiwilligen Leistungen streichen, können wir das Haushaltsloch nicht schließen, aber wir würden damit viel kaputt machen in unserer Stadt“, ergänzte der Bürgermeister. Die freiwilligen Leistungen seien allerdings trotz Inflation und Kostensteigerungen auf einem gleichbleibenden Niveau festgeschrieben. &bdquo;Auch das ist bereits eine Kürzung“, erklärte Kämmerer Jens Stellbrink. Alle Einsparpotenziale, die – auch unter Einbeziehung eines externen Beraters - identifiziert worden seien, ständen nicht in Relation zur Höhe des Haushaltsdefizits von gut sieben Millionen Euro, berichtete Norbert Busch (FDP) und stellte fest: &bdquo;Wir leben von der Hand in den Mund.“ Die kalkulierten Mehreinnahmen aus der erhöhten Grundsteuer in Höhe von 1,7 Millionen Euro könnten lediglich die Liquidität der Stadtkasse verbessern, erläuterte Pultermann. Grundproblem betrifft nicht nur Enger Im Dialog mit Politik und Verwaltung machten sich einige Bürger Luft, &bdquo;ob denn jetzt die Hausbesitzer das städtische Finanzloch stopfen sollten“. Andere lobten die Arbeit des Rates und dankten für die nun – wenn auch im Nachhinein der Entscheidung - hergestellte Transparenz. Auf die Frage, ob derzeit der richtige Zeitpunkt für eine umfassende Sanierung der Innenstadt sei, erklärte Busch, dass es günstiger sei, den Bestand jetzt mit 70 Prozent Fördermitteln zu erneuern als Altes und Kaputtes auf Dauer ohne Förderung zu unterhalten. Der Enttäuschung eines Bürgers, aus dem Info-Abend keine Perspektiven für die Zukunft mitnehmen zu können, begegnete der Bürgermeister mit dem Hinweis, das Grundproblem, das im Übrigen nicht nur die Stadt Enger betreffe, sei &bdquo;nicht vor Ort zu lösen“.

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