Fingierte Krankmeldungen: Firma aus Bünde zockt Krankenkasse ab

Bünde. Vor dem Amtsgericht saß am Montag eine 28-jährige Frau mit ihrem Anwalt. Sie sollte sich für 43 Fälle von Sozialversicherungsbetrug verantworten, die überwiegend in den Jahren 2014 und 2016 stattgefunden haben – da war sie mit 19 Jahren schon als Geschäftsführerin einer Firma eingetragen, besuchte aber selbst noch das Wirtschaftsgymnasium. Für ihren Anwalt war sie eine unwissende &bdquo;Strohfrau“. Das Gericht sah es etwas anders. Es war nicht das erste Mal, dass sich das Bünder Amtsgericht mit Fällen von fingierten Krankmeldungen beschäftigen musste. Im Februar 2023 ging es um einen Mitarbeiter des Bauunternehmens, der mehrfach wegen Rückenschmerzen und auch aus psychologischen Gründen wegen Depressionen krankgeschrieben war. Die entsprechenden Krankschreibungen unterschrieben eine Ärztin aus Herford sowie ein Psychiater aus Gelsenkirchen. Das Unternehmen, das von einer Großfamilie aus Enger geleitet wird, erhielt in der Zeit Ausgleichszahlungen der Krankenkasse, obwohl der Mann weiterhin arbeitete. Neben diesem gab es 17 weitere Verfahren gegen Mitarbeiter des Unternehmens. Zoll und Polizei ermittelten vor Jahren Ins Rollen gekommen war das Verfahren wegen Betrugs, Beihilfe zum Betrug, Vorenthalten von Arbeitsentgelt und Ausstellung unrichtiger Gesundheitszeugnisse bereits im Jahr 2017. Im Sommer 2018 hatten die Ermittler der Polizei, der Staatsanwaltschaft und des Zolls dann Häuser sowie Büros im Kreis Herford und in Gelsenkirchen durchsucht. Dazu gehörten zwei Arztpraxen, ein Steuerbüro sowie Baustellen. Im jetzt am Montag verhandelten Fall sollte sich eine 28-jährige Bünderin verantworten. Ihr wurden Betrug und Beihilfe zum Betrug in 43 Fällen vorgeworfen, die zum Teil schon fast zehn Jahre zurückliegen. Sie war damals als Geschäftsführerin einer Firma eingesetzt, die in Verbindung zu dem Unternehmen stand, um das es sich in der Verhandlung im vergangenen Februar schon gedreht hatte. Insgesamt ging es in diesen Fällen um etwa 22.600 Euro, um die die Krankenkassen zu Unrecht erleichtert wurden. Der Verteidiger der Angeklagten riss kurz die Vorgeschichte seiner Mandantin ab, die vor einigen Jahren mit ihrer Mutter aus Lettland nach Deutschland kam. Beide lebten in einer Immobilie des Unternehmers, für den zunächst nur die Mutter arbeitete. Während die heute 28-Jährige vor zehn Jahren noch das Wirtschaftsgymnasium besuchte, war sie bereits ab August 2014 als Geschäftsführerin einer Baufirma eingetragen, die laut Gericht aber &bdquo;faktisch von zwei anderen Personen“ geleitet wurde. Zu der Einwilligung zu der Eintragung sei es laut Verteidigung aus einer gewissen Abhängigkeit heraus gekommen. Krankenkassenkarten wurden eingesammelt Ein Zeuge, der selbst einen Monat lang Mitarbeiter der Firma war und zugleich im selben Wohnkomplex des Unternehmers wohnte und Nachbar der jungen Geschäftsführerin und ihrer Mutter war, schilderte die Abläufe. So seien die Krankenkassenkarten von den Mitarbeitern zwischenzeitlich immer von den beiden Eigentümern des Unternehmens eingesammelt worden. &bdquo;Immer von drei oder vier Leuten. Entweder sind sie dann selbst mit einem der Chefs nach Gelsenkirchen gefahren, oder jemand, der so ähnlich aussah.“ Dort habe dann ein Psychiater gegen Zahlung von &bdquo;250 Euro für einen Monat“ die entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) ausgestellt. Auch ein Arzt aus Bünde soll zur Bescheinigung von anderen Erkrankungen aufgesucht worden sein. In manchen Fällen waren Mitarbeiter sogar von beiden Ärzten zeitgleich krankgeschrieben. Für die Ermittler, von denen einer ebenfalls als Zeuge geladen war, war auffällig, dass die ausgestellten Rezepte für Psychopharmaka oder Schmerzmittel im Grunde nie eingelöst worden waren. Auch die Angeklagte selbst war mindestens fünf mal für längere Zeit krankgeschrieben, aber dennoch bei der Arbeit erschienen. Das hätten laut dem Zeugen auch verdeckte Ermittlungen und Telefonüberwachungen ergeben. Angeklagte habe nur ihren Namen hergegeben Dass die 28-Jährige aber konkret an einzelnen Betrugsfällen beteiligt gewesen war, konnte ihr bis auf ein paar Ausnahmen und ihre eigene Krankschreibung nicht nachgewiesen werden. Ihr Anwalt betonte in dem Zusammenhang, dass sie bei einem Großteil der Taten noch Schülerin war – wenn auch volljährig. &bdquo;Sie wurde als Geschäftsführerin eingesetzt, ohne vermutlich etwas von dem Gewerbe zu verstehen. Sie hat quasi nur ihren Namen hergegeben“, so ihr Anwalt. Auch der als Zeuge geladene ehemalige Mitarbeiter versicherte, &bdquo;dass hier eigentlich andere auf der Anklagebank sitzen müssten“. Da sie zum Zeitpunkt der Taten noch Heranwachsende war, stand bei der Bemessung eines Strafmaßes mit dem Ziel einer erzieherischen Maßnahme das Jugendstrafrecht an. Die Verteidigung betonte, dass die Angeklagte seit nunmehr acht Jahren auf ihren Prozess warten würde, was schon schwer genug gewesen sei. Die Staatsanwaltschaft argumentierte, dass man dennoch als Geschäftsführung gewisse Aufsichtspflichten habe. Letztlich einigten sich Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Gericht darauf, das Verfahren gegen Zahlung von 500 Euro einzustellen.

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