Eltern in Sorge: Schulkinder an Haltestellen in Enger einfach stehen gelassen

Enger. Es ist der erste Schultag nach den Winterferien: Carla (14) und ihr elf Jahre alter Bruder Max (Namen von der Redaktion geändert) machen sich auf den Weg zur Bushaltestelle. Sie wohnen in Belke-Steinbeck und wollen zur Schule – Neuntklässlerin Carla zum Widukind-Gymnasium, Fünftklässler Max zur Realschule Enger. An der Haltestelle &bdquo;Belker Heide“ wollen sie in die 466 einsteigen – ein normaler Linienbus der BVO. Einen reinen Schulbus, der die Kinder zur Schule bringt, gibt es nicht mehr. Gemeinsam mit anderen Kindern aus dem Ort warten sie daher auf den Linienbus. Als der kommt – fährt er vorbei. Er ist rappelvoll mit Schülern. Carla und Max werden mit anderen Kindern stehen gelassen. Die beiden warten noch 20 Minuten, ob vielleicht noch ein anderer Bus kommt, der sie mitnimmt. Als das nicht der Fall ist, machen sie sich auf den Weg zurück nach Hause. Mit dem Effekt, dass sie an diesem Tag gar nicht mehr zur Schule kommen: Sowohl ihr Vater als auch seine Partnerin haben jeweils eine Kindertagespflege und können sie nicht hinbringen. Ihre kleinen Schützlinge sind an diesem Morgen schon da und die Tageseltern können nicht weg von der Arbeit. Wie Eltern die Situation schildern Dass Kinder auf dem Weg zur Schule an den Haltestellen einfach stehengelassen werden – wie im obigen, vom Vater geschilderten Fall – scheint derzeit kein Einzelfall zu sein: Eltern berichten von teils katastrophalen Zuständen. Erst vor ein paar Tagen seien die Kinder morgens gleich wieder von der Haltestelle nach Hause gekommen, erzählt Anna-Sophie Kaudewitz. &bdquo;Der Busfahrer hat drei, vier, fünf Kinder reingelassen und dann einfach die Türen zugemacht“, schildert sie. Auch sei er schon mal ganz vorbeigefahren und habe gar nicht angehalten. &bdquo;Man hat morgens, wenn man die Kinder losschickt, immer schon ein bisschen Angst, dass sie nicht mit dem Bus mitfahren können. Man schickt sie immer mit einem schlechten Gefühl los.“ Die Situation sei &bdquo;katastrophal“. Schon seit Monaten bestehe das Problem, sagt Kaudewitz. Seitdem das Schülerticket Westfalen nach den Sommerferien eingeführt worden sei. Mit dem Ticket können alle Schüler von Engers weiterführenden Schulen den Bus kostenlos im gesamten Raum des Westfalen-Tarifs nutzen – in der Freizeit und auch für den Weg zur Schule. Früher sei die Busfahrt zur Schule und mittags wieder nach Hause nie ein Problem gewesen, berichtet ein Vater aus Oetinghausen, der namentlich nicht genannt werden möchte. &bdquo;Das hat immer reibungslos funktioniert.“ Eltern müssen die Kinder so abholen Seit Einführung des Schülertickets Westfalen jedoch seien die Busse zu den Stoßzeiten – vor der ersten und nach der sechsten Schulstunde – teils &bdquo;wahnsinnig überfüllt, das ist teilweise krass“. Seine Kinder würden morgens glücklicherweise schon in Oetinghausen einsteigen, da sei der Bus noch nicht voll. &bdquo;Aber ab Belke-Steinbeck wird es ein Drama.“ Da werde dann schon &bdquo;an der Bordsteinkante um die besten Plätze gekämpft“. Der Vater aus Oetinghausen kritisiert: &bdquo;Es werden Gratisfahrmöglichkeiten angeboten“, aber es würden nicht entsprechende Kapazitäten an Bussen geschaffen. Auch Carsten Gehring, ein Vater aus Belke-Steinbeck, betont: Die Busse seien teilweise so voll, &bdquo;dass es eigentlich unwürdig ist“. &bdquo;Ganz schlimm“ sei es auch auf dem Rückweg von der Schule nach Hause, betont der Vater aus Oetinghausen. Da sei auch sein Sohn – Fünftklässler am WGE – schon zwei-, dreimal stehengelassen worden. Er fahre dann von Hiddenhausen nach Enger, um ihn abzuholen. Eine weitere Mutter, ebenfalls aus Oetinghausen, betont: &bdquo;Mittags habe ich es aufgegeben, da sammelt mein Mann die Kinder ein.“ Viele Beschwerden an verschiedenen Stellen Auch Mareen Jatzek kennt das Problem. Sie und ihre Familie wohnen ebenfalls in Oetinghausen. Ihre Zwillingsjungs gehen in die fünfte Klasse der Realschule Enger, nehmen ebenfalls morgens und mittags die Linie 466 zur Schule. Sie habe von den Kindern sogar schon gehört, dass die Busse mit offenen Türen losgefahren seien, weil sie so voll gewesen sein sollen. Mehrfach haben die Eltern die Situation schon angemahnt. &bdquo;Wir sind mit dem Problem schon an die Stadt und an die Schulleitung getreten“, sagt die Mutter aus Oetinghausen. &bdquo;Aber es hat sich nichts getan.“ Es habe &bdquo;viele Gespräche und E-Mail-Verkehr“ unter anderem mit der Stadt gegeben, berichtet auch Mareen Jatzek. &bdquo;Es haben sich jetzt schon so viele Leute beschwert bei verschiedenen Stellen, aber es ändert sich nichts“, kritisiert der Vater aus Oetinghausen. Dabei sei die Lösung so einfach: zum Beispiel einen Ziehharmonikabus einsetzen, der mehr Platz biete. Auch am Engeraner Widukind-Gymnasium (WGE) ist das Problem bekannt. Es habe einige Anrufe von Eltern gegeben, die sich beschwert hätten, heißt es von Seiten des WGE. Schulleiter Ulrich Henselmeyer betont: &bdquo;Es müssen hinreichend Kapazitäten geschaffen werden.“ Wenn Schülerinnen und Schüler stehen gelassen würden, müssten weitere Busse eingesetzt werden.Die Eltern jedenfalls fordern eine Lösung. Die Kinder müssten &bdquo;sicher und zuverlässig zur Schule kommen, dass man sich keine Sorgen machen muss“, betont Anna-Sophie Kaudewitz. &bdquo;Da muss mehr Verlässlichkeit sein.“ "Keine Beförderungspflicht" Einen reinen Schulbus zu den weiterführenden Schulen in Enger gibt es nicht mehr. Mit der Umstellung auf das Schülerticket Westfalen am 1. August 2022 sei der Schülerspezialverkehr für die weiterführenden Schulen in Enger, den die Stadt bis dahin in Oldinghausen, Pödinghausen, Besenkamp und in Teilen von Belke-Steinbeck organisiert habe, weggefallen, sagt der städtische Fachbereichsleiter Jens Stellbrink. &bdquo;Das läuft jetzt über den ÖPNV.“ Von den &bdquo;Kapazitätsproblemen“ sei vor allem die Linie 466 von Herford über Oetinghausen und Enger nach Spenge betroffen. &bdquo;Und die Buslinie von Jöllenbeck über Spenge“, berichtet der Fachbereichsleiter. Aus Oldinghausen/Pödinghausen seien ihm keine Probleme bekannt. Es sei keine befriedigende Situation, wenn Schülerinnen und Schüler nicht vernünftig zur Schule kämen. Die Stadt habe daher bereits eingefordert, dass &bdquo;die notwendigen Buskapazitäten zur Verfügung gestellt werden“, sagt Stellbrink. Seitens der Kommune gebe es keine Beförderungspflicht. &bdquo;Das ist vom ÖPNV-Träger zu regeln.“ Das sagt die BVO &bdquo;Aktuell haben wir lediglich eine Beschwerde für den Abschnitt Herford-Enger vorliegen“, mit dem Tenor, der Bus sei zu voll, teilt eine Sprecherin der Busverkehr Ostwestfalen GmbH (BVO) auf Anfrage der NW mit. &bdquo;Unser Teamleiter vor Ort hat sich noch vor den Weihnachtsferien ein Bild von der morgendlichen Einstiegssituation gemacht.“ Es sei richtig, dass &bdquo;die Busse gut gefüllt sind, aber sie sind nicht überfüllt und die Kapazität müsste – zumindest in der Theorie – stimmen.“ Allerdings könne es natürlich sein, dass sich die Schülerinnen und Schüler jetzt anders verteilten. Die Sprecherin teilt weiter mit: &bdquo;Auf dem Abschnitt Oetinghausen-Belke-Steinbeck zu den Schulen nach Enger haben wir einen Verstärkerbus im Einsatz und zwar bereits seit Sommer 2022. Seither gab es keinerlei Probleme mehr. Der Zusatzbus verkehrt um 7.14 Uhr ab Oetinghausen, Obere Teichstraße. Der reguläre Bus fährt um 7.24 Uhr. Hier ist zu vermuten, dass der Zusatzbus eventuell nicht so ausgelastet ist wie der reguläre Bus“, da die meisten Schülerinnen und Schüler gerne den letzten Bus nähmen. Die Sprecherin kündigte an, sie würden sich hierzu in der kommenden Woche vor Ort ein Bild machen. Außerdem würden sie dann Zählungen durchführen und auch die Haltestelle &bdquo;Belker Heide“ besonders im Auge behalten. Auch die Situation bei den Rückfahrten würden sie sich ansehen.

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