„Vielleicht wäre ich jetzt tot“: Ein Bünder über den Kampf mit der Alkoholsucht

Bünde. &bdquo;Du darfst alles werden, aber kein Alkoholiker“, sagte sich Thomas Weber (Name von der Redaktion geändert) im Alter von 25 Jahren – bevor er am helllichten Tag unter Tränen die nächste Bierflasche öffnete. &bdquo;Ich war nicht in der Lage, nicht zu trinken“, erzählt der heute 50-Jährige im Gespräch mit der Neuen Westfälischen. Thomas Weber ist Alkoholiker. Mittlerweile ist er seit 21 Jahren trocken. Da nicht jeder in seinem Umfeld von seiner Krankheit weiß, möchte er anonym bleiben. Er erinnert sich noch klar an jene Zeit in seinem Leben, in der er keinen Tag verstreichen lassen konnte, ohne Alkohol zu trinken. &bdquo;Es drehte sich alles nur noch um die Beschaffung und die Entsorgung der Flaschen“, sagt Weber. Denn niemand durfte wissen, dass er ein Alkoholproblem hat. Über Jahre blieb es sein wohlbehütetes Geheimnis. Lesen Sie auch: Ein Monat ohne Alkohol - Das sind die Auswirkungen Täglich Bier, Ramazzotti und Metaxa auf der Tagesordnung Tagsüber habe er &bdquo;funktioniert“, wie er sagt. Während der Arbeitszeit habe er keinen Tropfen Alkohol getrunken. Doch sobald der Feierabend nach seiner Schicht in einer Tischlerei eingeläutet war, fuhr er mit dem Auto zur Tankstelle und besorgte sich die erste Ration. Die hat er dann auf dem Heimweg getrunken. &bdquo;Ich hatte schon einen halben Liter Bier intus, als ich nach Hause kam“, erinnert sich der Bünder. Zu Hause ging es dann weiter. Bier, Ramazzotti und Metaxa standen auf der Tagesordnung. Bis er abends völlig betrunken einschlief. Das war seine tägliche Routine, mit gerade einmal Mitte 20. Darunter litt nicht nur sein Körper. &bdquo;Alkohol verändert den Charakter“, sagt Weber. Seine damalige Verlobte, die selbst Tochter eines Alkoholikers war, habe regelmäßig Wutausbrüche von ihm ertragen müssen. Dabei schmiss er auch mal Möbelstücke durch die Wohnung. Er habe ihr nie etwas angetan, sagt Weber. &bdquo;Aber ich habe bis heute noch ein sehr schlechtes Gewissen.“ .responsive23-2yWZwVmlocdks2kT-atlas-alkoholkonsum-in-deutschland { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-2yWZwVmlocdks2kT-atlas-alkoholkonsum-in-deutschland { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-2yWZwVmlocdks2kT-atlas-alkoholkonsum-in-deutschland { padding-top: 142.86%; } } Alkoholsucht: Gefährdung erkennen und Hilfe finden Erster Alkoholkonsum als Jugendlicher Mit Ende 20 trennte sich das junge Paar – wegen des Alkohols. Danach rutschte Weber, der zu der Zeit ohnehin ein schwaches soziales Umfeld hatte, noch tiefer in den Teufelskreis ab. Er fuhr betrunken Auto, baute dabei Unfälle – bei denen glücklicherweise niemand verletzt wurde – und klaute, um an die flüssige Droge zu kommen. &bdquo;Mein gesamter Tagesablauf drehte sich um den Alkohol“, erinnert er sich. Der heute 50-Jährige erzählt ganz ruhig von den Erinnerungen an diese schwere Zeit. Scham oder Nervosität sind nicht zu spüren. Dafür aber die völlige Klarheit darüber, wie schlecht es damals um ihn stand. &bdquo;Hätte ich nicht aufgehört, wäre ich jetzt vielleicht tot“, sagt er. Doch wie kam es zu diesem exzessiven Alkoholkonsum? Mit 14 kam Weber das erste Mal mit Alkohol in Berührung: ein Glas Sekt zu seiner Konfirmation. Problematisch wurde es aber erst zwei Jahre später. &bdquo;Mit 16 war ich auf den ersten Partys mit meinen Freunden“, erzählt er. &bdquo;Da habe ich gleich mit den härteren Sachen angefangen.“ Eines seiner ersten Getränke war Rum-Cola. Meinung: Appelle gegen Alkoholkonsum bringen nichts Der Alkohol gab ihm ein gutes Gefühl Seit es mit den Partys losging, hat er jedes Wochenende mit seinen Kumpels getrunken – freitags und samstags. Und immer viel, bis zum absoluten Rausch. &bdquo;Ich habe nie nur zwei Bier getrunken, das gab es einfach nicht.“ Er habe das Gefühl genossen, das der Alkohol in ihm auslöste, begründet er heute sein Trinkverhalten in jungen Jahren. &bdquo;Und dass meine Freunde mich so genommen haben, wie ich bin.“ Letzteres habe er in seinem Elternhaus nicht erfahren. &bdquo;Ich wurde von Geburt an zum Sorgenkind gemacht, ich war nie genügend“, erinnert er sich. Nach dem Abitur leistete Weber Zivildienst in der Schwerbehindertenpflege. Der damals 20-Jährige wohnte gleichzeitig in der Einrichtung, in der er arbeitete. Dadurch sei er extrem isoliert gewesen. Zu der Zeit griff er das erste Mal auch unter der Woche zum Alkohol, nach der Arbeit. Fünf bis sechs Flaschen Bier waren die Regel. Die Wirkung spürte er immer. Damals schon ging er regelmäßig betrunken ins Bett – und redete sich ein, das sei das &bdquo;normale Feierabendbier“. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit (@bioeg) Lesen Sie auch: Alkoholfrei ist nicht ohne Alkohol Schlechte Vorbilder während der Ausbildung Noch schlimmer wurde es, als er seine Ausbildung zum Tischler startete. Denn dort hatte er mit Alkoholikern zu tun. &bdquo;Das ging irgendwann so weit, dass ich meinem Chef Alkohol kaufen musste, um meinen Gehaltsscheck zu bekommen“, erzählt Weber. Um das, was er auf der Arbeit erlebte, zu verarbeiten, griff er nach seiner Schicht dann selbst zur Flasche. Und so nahm der Teufelskreis seinen Lauf. Bis er ein paar Jahre nach der Trennung von seiner damaligen Verlobten seinen persönlichen Tiefpunkt erreichte. Mal wieder völlig alkoholisiert, stritt er sich eines Abends mit einer ihm sehr nahestehenden Person am Telefon. Um wen es sich dabei handelt, sagt Weber nicht. Die Person legte im Streit den Hörer auf und schickte ihm anschließend eine E-Mail. Studie: Wieder mehr junge Erwachsene mit Alkoholrausch Kalter Entzug vom Alkohol, allein und zu Hause &bdquo;Darin stand, dass sie den Kontakt zu mir abbrechen wird, wenn ich mir jetzt keine Hilfe hole“, erzählt der gelernte Tischler, der mittlerweile einen anderen Beruf ausübt. Angehängt an die E-Mail war eine Liste mit verschiedenen Gruppen der Anonymen Alkoholiker, inklusive Telefonnummern. Das war der Moment, an dem sich Thomas Webers Leben änderte. &bdquo;Am nächsten Tag habe ich eine dieser Nummern angerufen“, erinnert er sich. &bdquo;Und dann sagte ich einer völlig fremden Person: ’Ich glaube, ich habe ein Problem mit Alkohol.’“ Einer wildfremden Person so etwas zu gestehen, war auch ein Eingeständnis für ihn selbst, wie er sagt. In diesem Moment war ihm klar, dass er Alkoholiker ist. Und seitdem hat er keinen Tropfen Alkohol mehr getrunken. Weber machte einen kalten Entzug. Allein zu Hause, mit schlimmen Begleiterscheinungen. &bdquo;Ich habe mich blutig gekratzt“, erzählt er. Und das meint er wortwörtlich. Das Zittern, das mit der Entgiftung des Körpers einherging, ließ nach circa zehn Tagen nach. Auch während dieser Zeit ging er zur Arbeit und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. In OWL: Immer mehr Fehltage durch Alkoholprobleme Hilfe bei den Anonymen Alkoholiker Nach dem ersten Telefonat ging Weber zu einer Gruppe der Anonymen Alkoholiker – und das macht er bis heute. &bdquo;Die Gruppe hat mir geholfen“, erzählt der Bünder lächelnd. Wenngleich es einige Wochen dauerte, bis er den anderen Mitgliedern von seiner Geschichte erzählte. Nach einiger Zeit des Trockenseins vertraute er sich auch seinem Hausarzt an, ebenfalls eine Überwindung. &bdquo;Aber der hat ganz toll reagiert“, erinnert er sich. Nach einem gründlichen Check-up konnte ihm der Mediziner mitteilen, dass sein Körper keine schwerwiegenden Schäden von seinem Alkoholmissbrauch davongetragen hat. &bdquo;Ich hatte wirklich Glück.“ Vier Jahre nachdem er trocken war, brach der heute 50-Jährige dann zusammen. Es stellte sich heraus, dass er unter einer generalisierten Angststörung litt. &bdquo;Mir fehlte ein Konfliktmanagement“, sagt er. Das erklärte wiederum, weshalb er überhaupt alkoholabhängig wurde. Lesen Sie auch: Drei Flaschen Schnaps pro Tag - Ex-Suchtpatient arbeitet jetzt als Koch Der Teufelskreis ist besiegt Mittlerweile hat er sich ein solches Konfliktmanagement aufgebaut, genauso wie er sich ein ganz neues Leben aufgebaut hat, mit Ehefrau und Kind. &bdquo;Meine Frau musste mir am Tag unserer Hochzeit versprechen, dass sie mich verlässt, wenn ich noch einmal trinke“, erzählt er und lacht. Doch das ist nicht passiert. Thomas Weber ist seit 21 Jahren trocken. Er hat es aus dem Teufelskreis geschafft.

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