Zahl der Hilfe suchenden Mädchen steigt in Bünde stark an

Bünde. Die Gründe, warum sich Mädchen und junge Frauen an eine Beratungsstelle wie Femina Vita wenden, sind so vielfältig wie das Leben. Leider ist die Zahl dieser Gründe auch stetig wachsend. Eine eigene – kleine – Beratungsstelle vor Ort in Bünde war da vor einiger Zeit nur die logische Schlussfolgerung des eigentlich in Herford angesiedelten Vereins &bdquo;Femina Vita – Mädchenhaus Herford. Hilfe bekommen die Mädchen schon bei Problemen wie Liebeskummer, denn auch daraus kann weitaus Schlimmeres entstehen. Nach &bdquo;oben“ hin gibt es kaum Grenzen, und nicht selten werden die Beraterinnen von Femina Vita auch Beistand bei Gerichtsprozessen, wenn es um sexuellen Missbrauch geht. Ohne finanziellen Aufwand, ohne Bezahlung der Beraterinnen, ohne Räume ist das nicht zu schaffen. Deshalb finanziert sich Femina Vita aus Mitteln des Landes NRW, des Kreises Herford sowie der Städte Herford und Bünde. Zu einem Teil bringt der Verein auch eigene Mittel auf – zum Beispiel aus Bußgeldern, die ihm gerichtlich zugesprochen werden. Oder auch aus Spenden, Honoraren und Mitgliedsbeiträgen. Wie berichtet, hat jetzt auch die Stadt Bünde einem Antrag von Femina Vita auf eine weitere dreijährige finanzielle Unterstützung stattgegeben. Doch was steckt genau hinter der Arbeit für Mädchen und junge Frauen? Mehr zum Thema: Expertin der Herforder Klinik erlebt viele Probleme bei Kindern und Jugendlichen Wiebke Nolte, die Geschäftsführerin von Femina Vita, sowie Sozialpädagogin und Beraterin Franziska Kolmar haben erst kürzlich im Jugendhilfeausschuss einen Überblick gegeben und hinterließen einen spürbaren Eindruck. Denn wer hätte gedacht, dass die Zahlen, die die beiden Frauen präsentierten, derart aufhorchen lassen? 2022 – im zweiten Coronajahr – zählte Femina Vita 259 &bdquo;Fälle“, in denen sich Mädchen und junge Frauen bis 27 Jahre an die Beratungsstelle gewandt hatten. 2023 waren es 294. Allein in den ersten sieben Monaten 2024 gab es bereits 247 Kontakte – auf Bünde entfallen dabei 49. Im gesamten Jahr 2023 sind es in Bünde 42 gewesen und im Jahr davor 36. Bis zum Sommer gab es schon 49 Kontaktaufnahmen Franziska Kolmar, die speziell für die Stelle in Bünde eingestellt wurde, sagt: &bdquo;In Bünde betreuen wir auch Mädchen aus Kirchlengern und Rödinghausen. Für die ist das einfacher, als bis Herford zu fahren.“ Eine weitere Beratungsstelle hat Femina Vita in Vlotho eingerichtet. Bedarf an Hilfe ist vorhanden. Kolmar stellt mit Blick auf die im Ausschuss präsentierten Zahlen aber klar: &bdquo;Die 49 Fälle in Bünde sind ausschließlich Mädchen, die in Bünde leben.“ Kirchlengern und Rödinghausen kämen noch hinzu. Dass es diese Außenstelle gibt, ist für die Hilfesuchenden ein Glücksfall, denn: &bdquo;Wenn ein Mädchen nach Herford fahren muss, fällt das zu Hause schnell auf. So brauchen die Mädchen nur zu sagen, dass sie in die Stadt gehen und machen dann einen Abstecher zum Atlantis.“ Das Femina-Vita-Büro in Bünde befindet sich im Jugendzentrum, Auf dem Rott 8. Die Stadt Bünde stellt den Platz dafür kostenlos zur Verfügung. Doch auch eine Online-Beratung ist anonym möglich. Franziska Kolmar ist spezialisiert auf Hilfe bei sexualisierter Gewalt. Eine Stelle, die man bei Femina Vita besonders außerhalb von Herford als wichtig erachtet, um in der Fläche stärker vertreten zu sein. &bdquo;Die 49 genannten Fälle in den ersten sieben Monaten dieses Jahres sind jeweils Erstgespräche“, sagt Franziska Kolmar. Wobei es nicht bei allen um sexualisierte Gewalt geht. Bei jedem dritten Kontakt geht es um sexualisierte Gewalt Aus einer Statistik von Femina Vita geht hervor, dass bei 32 Prozent der Beratungsanliegen der Mädchen und jungen Frauen um sexualisierte, physische, psychische oder digitale Gewalt geht. 18 Prozent der Hilfesuchenden klagen über Ängste. In 17 Prozent der Fälle geht es um Probleme mit Eltern, in der Familie oder mit dem Freund. 9 Prozent der Klientinnen weisen ein selbstverletzendes Verhalten auf. Der Kontakt zur Beratungsstelle kommt in vielen Fällen über Beratungsangebote in den Schulen zustande. &bdquo;Für viele Mädchen ist das total passend, weil es auch niemand wissen soll, wenn sie Kontakt zu uns aufnehmen. Viele erinnern sich später an uns oder an ein Plakat, das vielleicht mal in der Schule hing. Oft werden diese Mädchen aber auch von Lehrern oder Schulsozialarbeitern an uns verwiesen.“ Die Fachfrau stellt sowohl den Schulen wie auch der Schulsozialarbeit in Bünde dabei gute Zeugnisse aus. &bdquo;Die merken oft, wenn sich ein Mädchen plötzlich verändert, sich zurückzieht. Die stellen dann nicht selten den ersten Kontakt zu uns her, ohne dabei gleich einen konkreten Verdacht zu äußern.“ Erste Gespräche finden dann auch statt, ohne dass die Mädchen ihren Namen nennen. Lesen Sie auch: &bdquo;Man muss sich Gewaltschutz leisten können“: Frauenhäuser in OWL streiken &bdquo;Wichtig ist, dass sie Vertrauen gewinnen und selbst bestimmen, was weiter geschieht. Sie sollen die Kontrolle haben, wann sie eine Anzeige machen, denn besonders wenn es um sexualisierte Gewalt geht, haben sie die Kontrolle bereits an anderer Stelle verloren. Deshalb sollen sie hier das Sagen haben. Wir beraten und begleiten sie dabei“, so Kolmar, die auch als psychosoziale Prozessbegleiterin bei Gerichtsverfahren ausgebildet ist. Würde sie die Straftat ohne Wissen der Mädchen dennoch bei der Polizei anzeigen, sei es wahrscheinlich, dass die Betroffenen unter dem Druck keine Aussage machen und die Taten gar nicht vor dem Gericht landen. &bdquo;Die Betroffenheit bei den Mädchen ist zunehmend groß“ Zum Anstieg der Zahl sagt Franziska Kolmar: &bdquo;Wir merken, dass die Betroffenheit bei den Mädchen zunehmend besonders groß ist und dass es sich dabei um Fälle handelt, die eine intensivere und oft längere Betreuung erfordern.“ Schwere Fälle also, bei denen es um sexualisierte Gewalt geht. In Bünde seien die Zahlen vermutlich nicht höher als in anderen Kommunen. Der zunehmende Bedarf könne auch dadurch erklärt werden, dass das Hilfeangebot durch die Femina-Vita-Stelle in Bünde nun stärker ist als zuvor. &bdquo;Wir können uns um mehr Mädchen kümmern“, sagt Franziska Kolmar. Die Täter stammen sowohl aus dem familiären Umfeld wie auch aus dem Freundeskreis der Eltern oder auch Mitschüler. &bdquo;Es sind oft Menschen, die den Mädchen nicht fremd sind“, sagt die Sozialpädagogin. Haben die Eltern bereits Anzeige erstattet, verweist auch die Polizei auf die Hilfe von Femina Vita. Während einer Beratung oder Begleitung entsteht zwischen den Mädchen und den Beraterinnen von Femina Vita oft eine sehr tiefe Bindung. Einige kommen nach einiger Zeit zurück in die Beratungsstelle. &bdquo;Einige wollen noch einmal ein Lebens-Update geben, andere wollen noch einmal sagen, wie sehr ihnen der Kontakt geholfen hat. Wir haben sie in einer sehr schwierigen Lebenslage begleitet und wenn sie dann zu uns kommen, um zu zeigen, was sie nun erreicht haben und wie gut es ihnen, dann ist das für uns ein sehr schöner Moment.“

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