„Ich habe mich nicht gewollt gefühlt“: Warum ein Bünder Kult-Shop schließen musste

Bünde. Wer Anfang der 2.000er Jahre in der Bahnhofstraße unterwegs war, wunderte sich vielleicht über die vielen Fahrräder vor dem Eingang eines kleinen Geschäfts. Im Laden selbst erwarteten ihn Regale voll mit Spielen, aber auch Büchern und Spielzeugen. Im Raum nebenan war meist eine Gruppe Jugendlicher in eines der vielen damals angesagten Sammelkartespiele vertieft. Das Artefakt war acht Jahre lang eine Mischung aus Spielwarenladen, Buchhandlung und Jugendzentrum, wo sich die Jugend aus dem ganzen Kreis Herford traf. Für Inhaber Jörn Döring war es eine Zeit voller Arbeit, schöner Erinnerungen, aber auch einiger unerfreulicher Auseinandersetzungen mit der Stadt. Schon früh engagiert sich Döring für den CVJM in der Jugendarbeit. Nach einem abgebrochenen Lehramtsstudium und später einer Anstellung im Spielwarengeschäft Hornschuh kommt ihm dann die Idee für seinen eigenen Laden. &bdquo;Man war bei den Kids natürlich sehr beliebt, wenn man etwas älter war und sich in ihrer Welt auskannte. So kam mir die Idee mit dem Laden, weil viele der Kinder meinten: Wir kaufen ja bei dir“, erinnert er sich. Gesagt, getan. Am 14. September 2002 öffnet das Artefakt zum ersten Mal seine Pforten – mit wenig Geld und ohne Kapital in der Rückhand. Nach kurzer Zeit kann Döring auch die Räumlichkeiten direkt neben seinem Geschäft anmieten. Hier entsteht die Spielecke, die für die nächsten Jahre jeden Monat für mehr als 40 Turniere und Veranstaltungen herhält. Turniere werden kreisweit ausgetragen Es folgen viele größere Aktionen im Kreis. &bdquo;Wir haben zum Beispiel im UCI ein Turnier zum Yu-Gi-Oh-Kinofilm organisiert oder die früheste Weihnachtsparty im Jahr gefeiert“, zählt Döring auf. Dafür organisierte er im Juni 2006 extra Spekulatius und Glühwein. &bdquo;Wir wollten uns über den immer früheren Weihnachtsverkauf lustig machen.“ Döring stemmt all dies als Inhaber zum größten Teil alleine. &bdquo;Ich hatte damals keine 40-, sondern eine 100-Stunden Woche. Das war nur möglich, weil der Laden mein kompletter Lebensinhalt war. Abends war man dann aber auch mit den ganzen Zweifeln alleine, was man am Tag hätte anders machen können.“ Es gibt auch besonders schöne Erinnerungen. &bdquo;Einmal bekam ich einen Anruf von einem 12-Jährigen, der seit Jahren bei uns im Laden gespielt hat.“ Der Junge sei auf Klassenfahrt gewesen und Döring wunderte sich schon, warum er ihn anrief. &bdquo;Er meinte nur: Jörn, ich glaub, ich hab mich verliebt und weiß nicht, was ich tun soll. Da habe ich gemerkt, dass ich auch Ansprechpartner für die Kinder war. Einige Zeit später hat mir der Junge dann auch im Laden seine Freundin vorgestellt.“ Schaden nach Einbruch im fünfstelligen Bereich Doch nicht alle Erinnerungen sind schön. 2005 wird ins Artefakt eingebrochen und Spielkarten im Wert von 10.000 Euro gestohlen. Die vermeintlichen Täter können zwar ausfindig gemacht werden, doch vor der Polizei steht Aussage gegen Aussage und Döring bleibt auf dem Schaden sitzen. Für den Jungunternehmer eine Katastrophe. &bdquo;Damals habe mich meine Lieferanten echt gerettet, weil sie mir in die hohle Hand geliefert haben.“ Auch das Ordnungsamt macht Döring zu schaffen. &bdquo;Mir wurde tatsächlich vorgeworfen, dass ich Glücksspiel betreibe, weil es bei den Turnieren Preise zu gewinnen gab und wir ein Startgeld von zwei Euro eingesammelt haben.“ Im Zuge der Angelegenheit wird von Döring verlangt, die Regeln aller in den Turnieren verwendeter Spiele darzulegen. &bdquo;Das war natürlich schwierig, weil einiges davon ganze Bücher füllt.“ Also trägt Döring zwei Kisten voll mit Regelwerken im Wert von 4.000 Euro ins Rathaus. Der Haken: Die Bücher sind originalverpackt und Döring will sie der Stadt bei Öffnung in Rechnung stellen. &bdquo;Unseren mitgebrachten Lieferschein wollte dann niemand unterschreiben.“ Im Rückblick gesteht Döring, dass er provozieren wollte. &bdquo;Ich hab mich aber auch von der eigenen Stadt nicht gewollt gefühlt.“ Warum der Laden schließen musste Zum Schaden durch den Einbruch und Ärger mit dem Ordnungsamt kommen schließlich noch einbrechende Umsätze. &bdquo;Irgendwann kommen einfach neue Trends, zu denen einem der Bezug fehlt.“ Durch Online-Versandhäuser geht zudem Kundschaft verloren. &bdquo;Irgendwann habe ich dann nur noch nach einer Exitstrategie gesucht“, gesteht er. Die zeigt sich, als ihm eine Stelle als Betriebsleitung in der Disco X angeboten wird. 2010 ringt er sich schließlich dazu durch, das Artefakt zu schließen. Nach der Anstellung beim X folgen Tätigkeiten als Freelancer. Außerdem engagiert sich Döring für UWG und Freie Wähler. Hier war er für den Europawahlkampf auch bei der Partei angestellt. An den ehemaligen Geschäftsräumen des Artefakt ist immer noch die Überdachung angebracht, die Döring zur Geschäftseröffnung installiert hatte. Der Schriftzug Artefakt war sogar noch lange unter der weißen Farbe lesbar. &bdquo;Wenn ich an die Zeit zurückdenke, denke ich natürlich oft, was wäre wenn. Aber in der Situation selbst erschien jede Entscheidung richtig. Aber viel mehr denke ich, dass die Zeit echt der Wahnsinn war.“ Mehr zu Freizeit-Themen im Kreis Herford und Kreis Minden-Lübbecke finden Sie in unserem Spezial &bdquo;Lifestyle, Gastro, Shopping“

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