Boshafte Bewertungen im Internet: Wo ist die Grenze des Erlaubten?

Bünde/Kirchlengern/Rödinghausen. Online-Rezensionen können Fluch und Segen gleichermaßen sein. Ein Negativbeispiel hat jetzt das Team einer Kinderarztpraxis im Bünder Land erlebt (wir berichteten am Freitag). Dabei schoss der Vater einer sechsjährigen Patientin bei seiner Google-Rezension über jede Grenze hinaus. Er fühlte sich respektlos behandelt, weil er von einer Mitarbeiterin aufmerksam gemacht wurde, dass sowohl die Tochter wie auch er eine Maske tragen müssten. In dem Beitrag, den er daraufhin bei Google über die Praxis einstellte, beleidigte er die Mitarbeiterin abwertend und eindeutig identifizierbar. Erst nach einer Anfrage der NW bei Google wurde dieser Beitrag gelöscht, was sowohl dem Praxisinhaber wie auch der Mitarbeiterin als Betroffene nicht möglich war. Sie bekamen von Google als Antwort, dass der Beitrag nicht gegen die Regeln verstoßen würde. Lesen Sie hier mehr zum Thema: Boshafte Bewertungen im Internet: Kinderarzt aus dem Kreis Herford wehrt sich Bei Mundpropaganda gab es kaum Probleme Hat jemand mit einem Geschäft, einem Restaurant oder einem Arzt noch vor 30 Jahren eine gute oder eine schlechte Erfahrung gemacht, war es nötig, diese per Mundpropaganda weiterzugeben. Das schränkte den Empfängerkreis deutlich ein. Und die Empörung über ein negatives Erlebnis hat sich vielleicht nach ein oder zwei Tagen wieder gelegt, so dass man die Weitergabe dieser Information für nicht mehr nötig erachtete. Bei Rezensionen im Internet ist das anders – man erreicht damit unter Umständen tausende Menschen. Es ist selten, dass jemand nach einiger Zeit noch Rezensionen löscht oder abändert, weil die Aufregung mittlerweile verflogen ist. Auf der anderen Seite verbreiteten sich aber auch gute Erfahrungen früher wesentlich langsamer als heute. Aber was ist eigentlich erlaubt und was verboten, wenn man eine Rezension verfasst? Dazu sagt der Bünder Anwalt Finn-Christian Schiffmann: &bdquo;Es gibt unterschiedliche Grenzen. Die einen gehen aus den Richtlinien von Google hervor. Google löscht Beiträge, wenn sie Werbung, Spam oder falsche Inhalte enthalten. Ebenso Beiträge, die beleidigend oder ehrverletzend sind. Auch sexuell anstößige Beiträge oder Beiträge, die auf Identitätsdiebstahl hindeuten, werden gelöscht. Identitätsdiebstahl bedeutet, dass jemand vorgibt, jemand anders zu sein – zum Beispiel, wenn ein Geschäftsinhaber einen Konkurrenten unter anderem Namen schlecht bewertet.“ Es gibt aber unzählige inhaltlich schwer zu ertragende Rezensionen, die schon Monate oder gar Jahre in der Suchmaschine zu finden sind. Google scheint von sich aus also offenbar nicht immer tätig zu werden. Schiffmann: &bdquo;Wenn Google nicht tätig wird, kann es passieren, dass eine Rezensentin gegen das Strafrecht verstößt. Die Straftatbestände sind da Beleidigung, üble Nachrede oder Verleumdung.“ Strafrechtlich relevante Bewertungen seien bereits mit der Veröffentlich oder Abgabe eine strafbare Handlung. Eine Vorabprüfung durch Google nebst Unterlassung der Löschung seien nicht notwendig, damit sich der Verfasser oder die Verfasserin strafbar mache, so Schiffmann weiter. "Man muss sich auch unfaire Kritik gefallen lassen" Es gibt aber auch negative Rezensionen, die man sich gefallen lassen muss. Finn-Christian Schiffmann sagt dazu: &bdquo;Zum Beispiel wenn eine Werkstatt schlecht bewertet oder rezensiert wird, ist das durchaus legitim. Man muss sich auch üble oder unfaire Kritik gefallen lassen, sofern es nicht ehrenrührig wird, oder in den Bereich der falschen Tatsachenbehauptungen geht.“ Allerdings müsse sich die Rezension immer auf die angebotene Leistung und das Verhalten der Mitarbeiter beziehen, ohne dabei ehrenrührig zu sein. Es komme auch auf die Formulierung an. Als Beispiel nennt Schiffmann einen Fall des Amtsgerichts Bremen: &bdquo;Danach ist eine Google-Rezension verboten, in der steht, dass Person X ein Betrüger ist. Das wäre die üble Nachrede. Wenn man aber formuliert ’ich fühle mich betrogen’, erfüllt das diesen Straftatbestand aber nicht. Ein Betrüger ist nur, wer auch rechtskräftig wegen Betrugs verurteilt wurde.“Generell sei es laut Finn-Christian Schiffmann auch verboten, jemanden als ein Tier zu bezeichnen. Der Jurist nennt das &bdquo;entmenschlichen“. Das hat der Verfasser des Beitrags über die Kinderarztpraxis kurz zuvor über Mitarbeiter des Bünder Jobcenters getan, die er &bdquo;Ratten“ nannte. Auch diesen Beitrag löschte Google nach einer NW-Anfrage, weil man – wie beim Beitrag zur Arztpraxis – zu dem Schluss kam, dass auch er gegen Regeln verstoßen würde.

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