Telegram-Hetze: Gute Nacht, ihr Aufgeweckten

Seit fast zwei Jahren belastet uns die Corona-Pandemie – und ein Ende ist noch lange nicht in Sicht. Mittlerweile haben wir aber gelernt, mit dem Virus umzugehen. Die Schutzmasken tragen wir selbstverständlich in Bus und Bahn, in Geschäften halten wir Abstand und in Restaurants zücken wir das Handy automatisch, um unseren Impfstatus zu zeigen. Doch nicht alle sehen das so. Im Bünder Land hat sich eine konspirative Gruppe gebildet, die die Corona-Maßnahmen immer stärker ablehnt. Das ist an sich kein Problem. Jeder hat das Recht politische Entscheidungen zu kritisieren. Es ist legitim zu fragen, ob Ausgangssperren in Dünne, Südlengern oder Bruchmühlen sinnvoll gewesen sind, um die weitere Ausbreitung des Virus’ zu verhindern. Viele Wege stehen dafür offen: ein Leserbrief in der Zeitung oder eine Anfrage im Stadtrat zum Beispiel. Aber den Weg der konstruktiven Kritik hat diese mehr als 120-köpfige Gruppe längst verlassen. Antisemitismus in Bestform Wer sich die Nachrichten in den Telegram-Chats der Bünder Gruppe durchliest oder mit den Mitgliedern spricht, der bekommt Einblicke in Gedanken, die aus einer gesellschaftlichen Parallelwelt stammen. Eine Frau, die in Bünde im Gesundheitswesen arbeitet, erzählte mir am Telefon, dass die Geimpften &bdquo;experimentellen Wirkstoffen unterworfen“ werden. &bdquo;Diese Agenda läuft wieder, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit organisiert.“ Alles sei gesteuert, im Hintergrund ziehe eine geheime Macht die Fäden. Die Schuldigen: oft jüdische Familien wie die Rothschilds. Antisemitismus in Bestform. Um die ganze Welt zu kontrollieren, sei die Gesundheitskrise nur ein Vorwand. Sie, liebe Leser, mögen das hoffentlich für Unsinn halten, aber diese Menschen glauben das wirklich. Man kann es sich leicht machen und diese Gruppenmitglieder als Verwirrte oder Rechtsextreme abtun. Doch wie unsere Recherchen ergeben haben, standen viele der Mitglieder lange Zeit in der Mitte der Gesellschaft. Unter ihnen sind Unternehmer, Fotografen, Heilpraktiker oder medizinische Angestellte. Menschen, die man zur bürgerlichen Mitte zählt. Wie konnten diese nur in eine Szene abrutschen, in der Verschwörungstheorien vom &bdquo;Great Reset“ (der große Umbruch) oder von Menschenexperimenten durch Impfstoffe zum guten Ton gehören? Lassen uns den Mund nicht verbieten Die Sozialen Medien wie Telegram, wo in Sekundenschnelle anonyme Nachrichten ausgetauscht werden, machen es möglich. Im Ausland vor deutschem Recht geschützt, kann dort gehetzt und gelogen werden. Journalisten der Neue Westfälischen oder des öffentlich-rechtlichen Fernsehens sind in den Augen der Gruppenmitglieder dagegen &bdquo;Systemschreiberlinge“. Dabei war es gerade die NW, die auch die Schattenseiten der Corona-Maßnahmen nicht verschwiegen und den Finger in die Wunde gelegt hat. Mehrfach wurde in dieser Zeitung über eine 32-jährige Herforderin berichtet, die an den Folgen der Astrazeneca-Impfung verstorben ist. Das hat nicht jedem gefallen. Aber den Mund lassen wir uns nicht verbieten. Die Mitglieder der geheimen Gruppe interessiert das nicht. Sie bezeichnen sich intern als Hüter der einzigen Wahrheit. Wer diese gefunden hat, gilt in der Szene als aufgewacht – die Geimpften sind dagegen sogenannte &bdquo;Schlafschafe“. Wenn diese Menschen wirklich die Aufgeweckten sind, dann gute Nacht.

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