"Wir wollen konkrete Antworten": Unwetter-Opfern war Treffen zu theoretisch

Bünde. Da war es nun, das lang ersehnte Treffen zwischen der Stadtverwaltung und den Menschen aus Hunnebrock, die vom Unwetter Anfang Juni nicht nur finanzielle Schäden davongetragen haben, sondern regelrecht traumatisiert sind, wie ein Betroffener am Freitagabend in der Aula des Marktgymnasiums schilderte. Nach etwas mehr als 90 Minuten mit Vorträgen über die globalen und regionalen Ursachen für derlei Wetterphänomene sowie über die Berechnung von Kanalisationen und individueller Schutzmaßnahmen kamen die ersten Zwischenrufe. Viele hatten sich von dem Abend etwas anderes erwartet. Die Stadtverwaltung und die von ihr beauftragten Experten sowie die Betroffenen des Unwetters vom 5. Juni verfolgen im Grunde dasselbe Ziel, und doch konnten ihre Positionen am Freitagabend kaum gegensätzlicher sein. Eine große Erwartungshaltung im Plenum stand zunächst nüchternen Vorträgen auf der Bühne gegenüber. Nach 94 Minuten meldete sich zum ersten Mal jemand mit den Worten: "Uns interessiert heute Abend nicht das Klima und wie so ein Starkregen zustande kommt. Wir wollen konkrete Antworten darauf, was die Stadt tun will, damit wir solche Schäden künftig nicht mehr haben." Das gab Beifall. Doch eines wurde am Freitagabend auch klar: Die Stadt allein kann nicht dafür Sorge tragen, dass den Anwohnern im Falle eines erneuten Starkregens entsprechenden Ausmaßes nicht noch einmal Ähnliches widerfährt. "Es muss ein Zusammenspiel sein", sagte Bürgermeisterin Susanne Rutenkröger. Rutenkröger hatte insgesamt 80 Einladungen zu dem Abend verschickt - 50 Betroffene kamen. Sie betonte, dass sie Verständnis für die Forderung nach einem schnellen Treffen hatte. Sie wollte aber selbst erst "handfeste Informationen" bieten können und habe deshalb gewartet, bis ein wichtiger Teil einer neuen digitalen Karte mit dem Fokus auf Hunnebrock fertiggestellt war. Was sie mit dem Begriff Zusammenspiel meinte, wurde - bei aller Theorie der Vortragenden - aber dennoch klar. Regenrückhaltebecken braucht noch Jahre Schon vor 17 Jahren begann die Planung für ein Regenrückhaltebecken in Hunnebrock, das 25.000 Kubikmeter Regenwasser fassen und besonders den im Juni betroffenen Bereich ein Stück weit schützen soll. Problem: Der Erwerb der nötigen Flächen ist laut Christoph Wittler von der Stadt Bünde erst zu 90 Prozent abgeschlossen. Nicht alle Eigentümer wollen ihr Land verkaufen und eine Enteignung ist wegen der hohen rechtlichen Hürden nur schwer durchzusetzen. "Da gehen Jahre ins Land, nichts passiert und wir saufen in sieben Jahren dreimal ab", schimpfte eine Frau. Gesetzliche Vorgaben interessieren die Betroffenen gerade kaum, denn sie tragen zum Teil finanzielle Schäden im hohen fünfstelligen Bereich - von den seelischen Schäden ganz zu schweigen. Doch Christoph Wittler konnte dazu nur sagen, dass die Realisierung des Beckens noch Jahre dauern werde. Ein weiterer Punkt im Zusammenspiel zum Schutz vor Überschwemmung sind aber auch persönliche Maßnahmen an den Häusern und auf den Grundstücken der Anwohner, die Stefan Vöcklinghaus von der Kommunalagentur NRW vorstellte, der den Abend auch moderierte. Wieder kam Unruhe auf und eine Frau bezeichnete die nun zwei Stunden dauernde Veranstaltung als "verschwendete Zeit". "Diese ganzen Maßnahmen kennen wir", rief sie. Niemand wollte noch Vorträge hören, sondern diskutieren und Antworten bekommen. Die zentrale Frage war nach wie vor: "Was will die Stadt tun, um solche Folgen künftig zu verhindern?" Vergrößerung des Kanals würde Problem nicht lösen Michael Kamphans vom Büro Bockermann und Fritze, das die Starkregenkarte derzeit erstellt, erklärte, dass man zunächst wissen müsse, wie sich das Regenwasser verhält, wenn es mit einer solchen Macht fällt. Das Wissen um Fließrichtung und -geschwindigkeit sei wichtig, um geeignete Maßnahmen planen zu können. Die Erstellung dieser Computersimulation hatte die Stadt als eine Reaktion auf die Unwetter der vergangenen elf Jahre schon 2019 in Auftrag gegeben. Dreimal traf es dabei Bünde - und die Hunnebrocker besonders hart. Die von vielen geforderte Vergrößerung des Kanalsystems würde nach den Worten von Michael Böke-Hasselmeier von den Kommunalbetrieben Bünde (KBB) "das Problem nicht lösen". Denn: "Das meiste Regenwasser bleibt oberflächlich und kommt erst gar nicht in die Kanalisation." So könne es passieren, dass Grundstücke und Straßen überschwemmt seien, aber der Kanal unter Straße noch reichlich Kapazität habe. Finanzielle Hilfen für die Betroffenen beim Land NRW beantragt Das Krisenmanagement der Stadt war zum Ende hin zentrales Thema der Info-Veranstaltung. "Niemand kam mal zu uns und fragte, ob wir etwas brauchen", sagte eine Frau. Ihr Sitznachbar ergänzte: "Viele von uns sind traumatisiert. Viele können nicht mehr schlafen, sobald es regnet. Ich möchte hier heute Abend rausgehen und wissen, dass unserer Problem oberste Priorität bei der Stadtverwaltung hat." Eine Frau erläuterte ein anderes Problem: "Wir hatten schon fünf Pumpen im Betrieb und konnten damit das Wasser aus unserem Keller hinausbefördern. Doch plötzlich kam jemand vom Stromversorger und sagte uns, dass man nun den Strom abstellen müsse." Grund war der Schutz eines Stromverteilers in der Wohngegend, der drohte, überschwemmt zu werden. "Und weil die Pumpen ohne Strom nicht mehr liefen, kam das Wasser wieder zurück in unseren Keller." In nächster Zeit soll die Verrohrung des Strangbachs in Hunnebrock, der als eine Ursache der Überschwemmung gesehen wird, kontrolliert werden. Auch eine finanzielle Hilfe für die Betroffenen kam ins Gespräch. Hier hätte die Stadt laut Susanne Rutenkröger bereits eine Anfrage über den Kreis Herford an das Land NRW gestellt, aber noch keine Antwort erhalten. Rutenkröger betonte, dass das Problem der Überschwemmungsopfer Priorität hätte. Künftig soll es weitere Treffen geben.

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