Bünder Rotkreuzleiter: "Zustände wie im Kriegsgebiet"

Bünde/Ahrweiler. Fast vier Wochen nach der Hochwasserkatastrophe in Teilen von NRW und Rheinland-Pfalz stehen viele Menschen dort noch unter Schock. Von jetzt auf gleich die Existenz zerstört - ein Umstand, den zu verarbeiten noch dauern wird. Auf der anderen Seite ist dort eine Solidarität mit den Opfern zu spüren, die einen anrührt. Das erfahren gerade Mitarbeiter vom Deutschen Roten Kreuz aus Bünde. Rotkreuz-Leiter Frank Mäsker ist seit Mittwoch mit drei Kolleginnen in Ahrweiler vor Ort. Sie betreiben eine Verpflegungsstation und sind zugleich auch Seelentröster. Viele Menschen haben noch Redebedarf Täglich zehntausend Mahlzeiten und weitere zehntausend Lunchpakete richten DRK-Kräfte auf dem Gelände des Süßigkeiten-Produzenten Haribo in Ahrweiler her. Dort ist ein großes Zeltlager aufgebaut, in dem die Küche rund um die Uhr in Betrieb ist. Die Bünder DRK-Kräfte betreiben eine von zwölf Ausgabestellen. "Wir befinden uns in Ahrweiler gegenüber der Stadtbibliothek", sagt Mäsker im Telefongespräch mit der Neuen Westfälischen. Mehrere Hundert Mahlzeiten und Lunchpakete gehen bei den Bündern seit Mittwoch über den Tisch. Eine Zahl, die täglich variiert. Das liegt auch an den vielen unterschiedlichen Hilfsangeboten. "Am Mittwoch war beispielsweise noch ein Food-Truck hier vor Ort und hat Currywurst ausgegeben", sagt Frank Mäsker. Es werde noch viel improvisiert. Viele betroffene Menschen suchen die Ausgabestelle täglich auf - auch mehrmals. Die meisten haben Redebedarf und müssen über die Erlebnisse sprechen, um sie ein Stück weit besser verarbeiten zu können. "Sie erzählen uns, wie es in ihren Wohnungen und Häusern aussieht", so Mäsker. "Die meisten haben hier keinen Strom, kein Wasser. Auch nichts zu trinken. Die Menschen holen sich dann bei uns zwischendurch Mineralwasser ab. Auf Gaskartuschen - wenn vorhanden - kochen sie sich dann ihren Kaffee. Die Situation hier vor Ort ist nach wie vor katastrophal. Man sieht immer noch, dass mindestens zwanzig Zentimeter Schlamm in den Häusern steht. Man kann sich im Moment eigentlich gar nicht vorstellen, dass das mal wieder repariert werden kann und normal aussehen soll", so der Bünder Rotkreuz-Leiter. "Wie sollen die Menschen im Winter heizen?" Besonders mit Blick auf den Winter fragt er sich, wie die Menschen dort dann leben werden. "Die Infrastruktur für die Gasversorgung ist zerstört. Wie sollen die Menschen hier denn überhaupt heizen, wenn sie bis dahin überhaupt wieder dahin zurück können?", fragt sich Frank Mäsker. Voraussichtlich ab März sollen die Leitungen erst wieder funktionieren. Die Situation sei von den Auswirkungen her durchaus mit einem Kriegsgebiet zu vergleichen. "Das DRK hat zwei Trinkwasseraufbereitungsanlagen, die eigentlich mal für den Einsatz in Kriegsregionen angeschafft wurden, um die Bevölkerung mit Wasser zu versorgen. Diese beiden Anlagen sind jetzt hier", sagt Mäsker und fügt an: "Es sieht hier aus wie auf alten Bildern aus dem Krieg - nur in Farbe. Erschreckend." Etwas unkoordiniert würde noch die Versorgung mit Hilfsgütern laufen. Die Stadtbibliothek, in deren Nähe die Bünder Rotkreuzler die Ausgabestelle betreiben, hat selbst keinen Strom. Dort seien aber zwei Mitarbeiter damit befasst, Anfragen aus der Bevölkerung aufzunehmen. Im Stadtgebiet gibt es mehrere dieser Stützpunkte, über die Betroffene Hilfe anfordern können. Dort würden laut Mäsker auch Sachspenden angeliefert. Wer Toilettenpapier, Schaufeln oder andere Dinge braucht, nimmt sie sich von dort mit. "Man weiß allerdings nie, ob und wann wieder Nachschub kommt." Ein Kuscheltier soll DRK-Mitarbeitern Glück bringen Eine ältere Frau kam am Donnerstagmorgen zu der Verpflegungsstelle der Bünder Rotkreuz-Mitarbeiter und fragte, ob sie noch etwas von der leckeren Teewurst haben könne, mit der sie am Tag zuvor gleich drei Scheiben Brot bestrichen und gegessen hatte. Mäsker gab ihr davon. Kurz darauf waren er uns seine Kolleginnen im Herzen gerührt, als die Frau zurückkam. "Sie gab uns ein Kuscheltier für unser Einsatzfahrzeug. Das soll uns Glück bringen", gibt Frank Mäsker die guten Wünsche der wieder. Ein Moment, an den er und seine Kolleginnen noch lange denken werden. "Den Menschen hier geht es so schlecht, und dann kommen sie mit so einer Geste der Dankbarkeit zu dir. Unglaublich."

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