Abschied vom Ehemann: Wie eine Tierärztin doch noch Corona überlebt

Bünde/Herford. Plötzlich geht alles ganz schnell bei Britta Götting. Zu dem Zeitpunkt liegt die 58-Jährige schon eine Weile auf der Intensivstation im Klinikum Herford und befindet sich eigentlich auf dem Weg der Besserung. Doch innerhalb weniger Stunden erlebt die Covid-Erkrankte einen Zusammenbruch, ihr Zustand verschlechtert sich. Sie nimmt Abschied von ihrem Ehemann und entschuldigt sich dafür, dass sie es nicht schafft und wohl nicht durchkommt. In diesem Moment entscheidet sich ihr Schicksal. Leben oder Tod? Während ihre Zimmernachbarin, eine ältere Dame, künstlich beatmet wird und irgendwann den Kampf gegen das Coronavirus verliert, möchte Götting nicht aufgeben und auf keinen Fall intubiert oder ins künstliche Koma versetzt werden. Sie motiviert sich, bekommt Sauerstoff über eine Maske und zwingt den eigenen Körper: Das schaffst du! Bloß nicht aufgeben! Noch ein Atemzug! Ihre Sauerstoffsättigung liegt bei 70 Prozent und damit im gefährlichen Bereich. Am Ende übersteht sie den kritischen Moment - und überlebt. Vielleicht trug ihr Wille dazu bei, vielleicht war es auch nur Glück. Leichter Verlauf bei der 84-Jährigen Zwei Monate bleibt Götting seit März im Klinikum, jeweils vier Wochen auf der Intensivstation und der Station für Lungenkrankheiten. Die NW trifft sie an dem Tag, als es für sie wieder nach Hause geht. Der Koffer ist gepackt, sie kann wieder lachen. Aber die 58-Jährige benötigt einen Rollator, das Gehen fällt ihr schwer, und immer wieder meldet sich ein Muskelkater, sobald sie paar Treppen steigt. Sauerstoffzufuhr und das Zubehör dafür samt spezieller Maske braucht sie weiterhin, vor allem nachts. Während sie über ihren Verlauf spricht, kommt immer wieder ein trockener für Corona typischer Husten hoch. Sie ist nicht die einzige in ihrer Familie, die wegen Covid im Klinikum landet. Zeitgleich werden auch ihr Mann und ihr Bruder stationär von Ärzten versorgt, die Infektionskette lässt sich in ihrem Fall nachvollziehen: Die 84-jährige Mutter ist geimpft und steckt dennoch ihren 55 Jahre alten Sohn an. Der wiederum infiziert mit der britischen Mutation bei einem kurzen Zusammentreffen Götting und sie schließlich ihren 72-jährigen Ehemann. Doch während die 84-jährige Seniorin nur einen leichten Verlauf hat, erwischt es die Männer und sie wesentlich heftiger. Ihr Mann bricht irgendwann zusammen und bildet mit Göttings Bruder für rund 14 Tage eine "Männer WG" auf der normalen Corona-Station im Klinikum. Götting landet relativ schnell wegen Atemproblemen und Fieber auf der Intensivstation. Alle halten Kontakt über das Handy. Ihr Resümee: "Unser Beispiel mit meiner Mutter zeigt, wie wichtig das Impfen ist." Auf der Lunge ist Schneegestöber Als Götting über den Moment spricht, in dem sie sich vom Ehegatten verabschiedete, kommen ihr fast die Tränen. "Auch ich bekam weiche Knie", sagt der Mann, der zu dem Zeitpunkt bereits genesen war. Immer wieder stellt sich die Tierärztin die Frage, warum es sie (keine Vorerkrankungen) besonderes erwischte, während andere Corona-Infizierte nur leichte Symptome und Schnupfen haben. Eine Antwort darauf gibt es nicht, die Wissenschaft ist noch nicht so weit. Geholfen haben der Bünderin aus Südlengern auch ihre Kenntnisse aus dem Beruf. Die 58-Jährige führt eine Kleintierpraxis in Werther (Kreis Gütersloh), kennt als Tierärztin das medizinische Vokabular im Krankenhaus und kann besser die Zusammenhänge verstehen. Erstaunt hat sie auch, was die Ergebnisse der Computertomografie ergeben: "Auf der Lunge befand sich Schneegestöber - das gehört da nicht hin." Es bleibt abzuwarten, ob sie Langzeitschäden hinnehmen muss. Das Personal im Klinikum und die Zusammenarbeit lobt sie ausdrücklich. "Ich habe viel Vertrauen aufgebaut". Ihr haben die positiven Worte geholfen und das kurze Halten der Hand. Reha steht an Bevor es für Götting zurück nach Hause geht, verabschiedet sich die Tierärztin noch persönlich von den Mitarbeitern der Intensivstation. Manche nimmt sie nach der mehrwöchigen Beziehung auch in den Arm. Für sie beginnt nun eine Reha in Bad Lippspringe, sie hat viel aufzuholen und möchte wieder vollständig gesund werden. Im Juli will sie die Tierarztpraxis wieder öffnen. Der Kampf gegen das Coronavirus und der anschließende Sieg habe sie geerdet, sagt sie. "Ich freue mich wieder über die kleinen Dinge und möchte wieder bewusster leben."

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