Rückblick: Wie der Traditionsbetrieb Lindemann das Bild der Stadt prägt

Bünde. "Pflanzenbutter" ist aus heutiger Sicht ein Widerspruch in sich, ist Butter doch schließlich tierischen Ursprungs. Vor fast 120 Jahren versuchte man mit diesem Begriff aber darauf aufmerksam zu machen, dass man ein der Butter ebenbürtiges Produkt hatte. So hieß das Unternehmen am Bünder Süd-Eingang bei seiner Gründung 1902 auch "Westfälische Süßrahm-Margarine- und Pflanzenbutter-Fabrik" und wurde genau 100 Jahre später umbenannt in "Westfälische Lebensmittelwerke Lindemann". Ein Name mit Tradition in dem sonst als Zigarrenstadt bekannten Bünde. Zu der Zeit galt Lindemann noch als bundesweite Nummer zwei im Bereich von Margarine für das Bäckerei- und Konditoreihandwerk. Zunächst konzentrierte sich das von Wilhelm Lindemann gegründete Unternehmen auf die Herstellung von Küchenmargarinen. Erst gut dreißig Jahre später, 1933, kamen spezielle Backfette und Backmargarinen hinzu. Pflanzenfette waren besonders für die weniger betuchte und rasch wachsende Bevölkerung eine preiswerte Alternative zu Butter. Da kam das vom Herforder Wissenschaftler Wilhelm Norman entwickelte Verfahren der Fetthärtung gerade recht. Gute Behauptung auf dem deutschen Markt Und die Nachfrage wuchs. Aus der Unternehmenschronik geht hervor, dass Lindemann bis in die 1960er-Jahre hinein ein deutschlandweites Logistiknetz aufgebaut hatte. Das Bünder Unternehmen konnte sich auf dem nationalen Markt gut durchsetzen, wenn man bedenkt, dass die Zahl der Margarinefabriken im Laufe des 20. Jahrhunderts immer weiter sank. 1950 gab es in Deutschland noch 70 Unternehmen - im Jahr 2000 waren es noch 5. Nachdem Firmengründer Wilhelm Lindemann 1960 im Alter von 84 Jahren starb, übernahm sein Sohn Joachim die Geschäfte. Nach dessen Tod 1978 wurde das Familienunternehmen dann fremdgeführt - zunächst vom langjährigen Mitarbeiter und Prokuristen Dieter Lejeune. In den folgenden Jahren wurde der Produktions- und Lagerbereich durch neue, modernere Maschinen weiter vergrößert. 1990 stellte man den Betrieb auf ein Zwei-Schicht-System um, damit die Produktionsanlagen optimal ausgelastet werden konnten. 1993 wurde dann eine neue Produktionssteuerungsanlage installiert, bei der die Rezepturenverwaltung und damit die Einwaage der einzelnen Margarine-Zutaten per Computer erfolgt. Im Januar 1994 ging Lejeune in den verdienten Ruhestand, Friedrich Wilhelm Brinkmeyer übernahm die Geschäftsleitung. Auch er setzte den erfolgreichen Weg des Unternehmens fort. Im Jahr 1995 zog die Verwaltung in das frühere Wohnhaus der Familie Lindemann, um im Hauptgebäude Platz für die Vergrößerung des Backstudios und der dazugehörenden Qualitätskontrolle zu schaffen. 1996 wurde der Versandbereich modernisiert und ein EDV-gesteuertes Hochregallager gebaut. Zur Ausweitung der Produktpalette kamen im Dezember 1995 die Tiefkühlbackwaren ins Sortiment und ab dem Jahr 2000 diverse Pulverprodukte, die im eigenen, 1999 erbauten Backmittelwerk hergestellt werden. Aufgrund dieser zusätzlichen Segmente entschloss man sich, das Unternehmen ab August 2002 in &bdquo;Westfälische Lebensmittelwerke Lindemann" umzubenennen. Größtes Investitionsprogramm in der Firmengeschichte 2010 folgte das bis heute größte Investitionsprogramm in der Firmengeschichte. Zum 111-jährigen Bestehen 2013 wollte man sich als eine der modernsten Margarinefabriken präsentieren. Mit gleich drei parallel laufenden Bauvorhaben für eine neue Energiezentrale, ein neues Tanklager und ein Multifunktionsgebäude investierte Lindemann einen zweistelligen Millionenbetrag. Dass sich das Unternehmen solch ein großes Bauvorhaben nur ein Jahr nach dem Bankencrash 2009 traute, lobte der damalige Bürgermeister Wolfgang Koch als "mutig" und nannte Lindemann einen "großen Mosaikstein zur Attraktivität der Stadt Bünde". 2017 bangten die Mitarbeiter zunächst um ihre Arbeitsplätze, als Lindemann von dem US-Konzern Bunge geschluckt wurde, der weltweit mehr als 35.000 Mitarbeiter in 450 Betrieben beschäftigt. Damals arbeiteten noch mehr als 200 Menschen bei Lindemann in Bünde, heute sind es noch etwa 130. Zum Zeitpunkt der Übernahme produzierte das Unternehmen in Bünde jährlich 60.000 Tonnen Margarine - auch für große Discounter-Ketten in Deutschland. Die Geschäftsführung bekundete damals, dass "der Bünder Standort weiter bestehen wird". Die Übernahme gewährleiste &bdquo;die erfolgreiche Weiterentwicklung von Lindemann in einem starken Wettbewerbsumfeld". Die Bünder Produktionsstätte werde &bdquo;die aktuellen Bunge-Aktivitäten in Deutschland und dem europäischen Markt hervorragend ergänzen und ausbauen", war damals aus Kreisen der Unternehmensleitung zu hören. "Transferprozess" soll zwei Jahre dauern Dass Lindemann nun - vier Jahre nach der Übernahme - vom Mutterkonzern geschlossen werden soll, hatten Kenner der Branche, Mitarbeiter und Gewerkschafter damals schon befürchtet. Aus der Zentrale in Chesterfield/USA hieß es auf Nachfrage der Neuen Westfälischen in der vergangenen Woche, dass man beabsichtige, die Produktionsanlagen Schritt für Schritt zum Standort einer anderen Konzerntochter, der Walter Rau Lebensmittelwerke GmbH, nach Hilter zu verlegen. Als Gründe für die Zusammenlegung der beiden Werke nannte man auf Nachfrage "Effizienzsteigerungen bei Arbeits-, Produktions- und Fixkosten". Die Dauer des "Transferprozesses" bezifferte man auf zwei Jahre. "Nach Abschluss des Transfers", so hieß es abschließend von einer Konzernsprecherin, "wird das Werk in Bünde geschlossen". Wie berichtet, bemüht sich die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten um Gespräche mit der Konzernleitung. Inwieweit Mitarbeiter aus Bünde in dem Werk in Hilter weiterbeschäftigt werden sollen, ist noch nicht bekannt. Ziel sei es laut einem Gewerkschafter, den Standort Bünde zu erhalten.

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