Abdelkarims Pointen zünden in Bünde nicht

Bünde. Vorpremieren sind nicht nur für die Zuschauer immer etwas Besonderes. Die Künstler können noch ausprobieren, streichen, entschärfen, beobachten, wie das Publikum reagiert. Und nicht zuletzt heißt es angeblich in Künstlerkreisen vermutlich zu Recht: &bdquo;Wenn Du es in Bünde geschafft hast, dann schaffst Du es überall." Es war einer der letzten Tests, bevor Abdelkarims neues Programm &bdquo;Wir beruhigen uns!" am 30. Oktober im Pavillon in Hannover offiziell Premiere feiern wird. Und er hat noch einen weiten Weg vor sich. Die Themen für einen jeden Satiriker sind in diesen Zeiten fast schon vorgeschrieben und liegen zum Aufheben parat auf der holperigen Straße der realen Absurditäten: Corona, Trump (Neu: Jetzt auch mit Corona), Rechtsradikalismus bei der Polizei, Flüchtlinge in Griechenland, Klimawandel, Onkel Scheuers Märchenstunde und, und und. Was nun macht das Besondere bei Abdelkarim aus? Nichts! Denn all das scheint ihn nur beiläufig zu interessieren. Ritt auf der toten Stute Stattdessen melkt er die tote Kuh des Deutschen mit Migrationshintergrund und reitet der toten Stute auch den letzten Tropfen Blut aus der ehemals stolzen Statur. Dabei setzt der 38-Jährige stark auf die Präsenz seiner Bühnen-Figur, die jedoch leider nicht alles tragen kann. Als Moslem sollte man lieber nicht sagen: &bdquo;Ich hab da eine zündende Idee" oder &bdquo;Du, ich habe einen Anschlag auf Dich vor." Den hatte er allerdings auf das Bünder Publikum geplant. &bdquo;Ich moderiere mich noch mal an, komme noch mal raus und ihr rastet aus, als ob." Selbst Animateure auf Kreuzfahrtschiffen benutzen diese Psychologie für die geistig und ganz schon frühzeitig in Jenseits getretenen nur noch als Reminiszenz an die guten, alten Zeiten. Mehrere Preise gewonnen Dem Preisträger des unter anderem Stuttgarter Besens, NDR Comedy Contests und des großen Kleinkunstfestivals der Wühlmäuse kommt eine klare Definition seiner Person abhanden. Ist er nun Moslem oder Deutscher? Und wenn nein, was liegt dazwischen? Je nach Situation handelt er dabei zweckorientiert. &bdquo;Es gibt ein paar Dinge, an denen ich merke, dass ich nicht ganz deutsch bin." Zwar legt er Wert darauf, in Bielefeld geboren zu sein (&bdquo;Für die meisten Bünder ist Bielefeld so etwas wie L.A.") und in Duisburg zu leben, stellt sich aber selber außerhalb der Gruppe der Eingeborenen ohne Migrationshintergrund, indem er vom &bdquo;rationalsten Volk der Welt" spricht und sich fragt, was weiße Deutsche denken würden. &bdquo;Farbige Deutsche sind Kanacken." Es fehlt die Botschaft Anachronistisch und mit vielen Klischees beladen lutscht er ein Thema kaputt, was gerade den regelmäßigen Theaterbesucher schon lange nicht mehr interessieren dürfte. Noch uninteressanter wird es allerdings, wenn auf den Allgemeinplätzen der Faktor des Rassismus komplett entfällt und er beispielsweise Geschichten von seiner Familie erzählt, wie sie früher vor dem einzigen Fernseher auf einem Sportkanal Porno-Werbung geguckt haben. In seinem Vortrag fehlt vorder- wie hintergründig jede moralische Botschaft, die sich aus den bisweilen banalen Inhalten auch nicht konstruieren lässt. Eine etwaige politische Motivation bedient sich am Ende doch lediglich der Deskription des surreal Bizarren. &bdquo;Ich habe die deutsche Nationalhymne als Klingelton auf meinem Handy." Noch ein langer Weg Was ohne relevanten Inhalt auskommt, kam an diesem Abend auch wenigstens ohne Kraft oder Tempo daher. Annähernd lustlos und mühevoll kramte er in der Bauklötzchen-Kiste mit seinen Satz-Fragmenten herum, was die Unterhaltung mit dem Auditorium auch nicht besser machte oder auflockern konnte. Allein: Er bekam am Donnerstag einfach kein stilvolles Haus zusammen. Bis zur Premiere hat der &bdquo;Volksbeduine Deines Vertrauens" ja noch ein paar Wochen Zeit, aber auch noch einen weiten Weg vor sich.

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