"Manchmal fühle ich mich zu Unrecht kritisiert"

Die offizielle Wahlperiode nach den Kommunalwahlen am 13. September im kommenden Jahr beginnt am 1. November 2020. Bis dahin wird Wolfgang Koch noch Bürgermeister der Stadt Bünde sein. Bis dahin hat er auch noch einige Themen auf dem Plan. Herr Koch, es sind noch gut zehn Monate, bis Sie Ihr Amt an einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin übergeben werden. Was haben Sie bis dahin noch vor der Brust? Wolfgang Koch: Ich habe da noch viele Sachen. Zum Beispiel wird am 6. Januar voraussichtlich der Abbruch des Freibades beginnen und im ersten Quartal auch der Teilabbruch des Bahnhofsgebäudes. Aber wo werden speziell Sie tätig werden? Koch: Ich hoffe, dass wir im Januar die Verhandlungen um das Nachbargrundstück des Cordes-Geländes (Rolland, Anm. d. Redaktion) zum Abschluss bringen können. Wir wollen ja den gesamten Bereich bis zur Straße "Zum Stellwerk" in die Planung mit einbeziehen. Aber darüber hinaus will ich noch eine erfolgreiche Vermarktung der Gewerbeflächen am Schnellweg hinbekommen. Ich würde auch noch gern den ersten Spatenstich für den Radweg zwischen Bünde und Enger machen. Es wird sicherlich noch das ein oder andere hinzukommen. Wir haben noch viele Schul- und Kita-Baumaßnahmen. Vor einem Jahr sprachen Sie davon, dass Sie in diesem Jahr die Wiedereingliederung der Kommunalbetriebe (KBB) in die Stadtverwaltung vorantreiben wollten. Wie weit ist der Prozess? Koch: Das ist schwierig und auch nicht empfehlenswert. Wir haben eine Auskunft vom Finanzamt eingeholt. Wenn die Immobilien von der KBB zurück zur Stadt übertragen würden, hätten wir in erheblichem Maße Grunderwerbssteuer zu zahlen - in Millionenhöhe. Deswegen ist die Rückführung der Immobilien nicht empfehlenswert. Von welchem Betrag sprechen wir da? Koch: Bis zu neun Millionen Euro. Wäre eine Rückführung des Personals denn empfehlenswert? Koch: Das Finanzamt sagt dazu, dass Personalleistungen zwischen Kommunalbetrieben und Stadtverwaltung womöglich schon umsatzsteuerpflichtig sind. Spätestens 2021 werden sie es mit der Neuregelung des Umsatzsteuergesetzes aber sowieso sein. Abwasser, Klärwerk und Bauhof werden deshalb auch personell bei den KBB verbleiben - und die Immobilien eben auch. Bei den anderen Bereichen muss man sehen, wie man sie in die Stadtverwaltung integriert. Wie sehen Sie die Zukunft des Museums, angesichts der Tatsache, dass sich der Kreis Herford in der nächsten Zeit aus der Bezuschussung und Finanzierung zurückzieht? Koch: Schwierig. Wir haben ja die Verpflichtung, das Museum bis zu einem gewissen Zeitpunkt zu betreiben - und ich persönlich würde es auch darüber hinaus betreiben. Aber man muss sich darüber im Klaren sein, dass die Stadt dafür jährlich rund 600.000 Euro zahlt. Welche weiteren Möglichkeiten einer externen Finanzierungsbeteiligung gibt es da? Koch: Wir sind in Gesprächen mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe, ob eine Kooperation in Betracht kommt. Vor 14 Tagen hatten wir dazu ein Gespräch in Münster. Da müssen wir jetzt abwarten, welche Form der Zusammenarbeit da möglich ist. Ein weiteres Thema, das ich noch auf den Weg bringen möchte, ist eine Entscheidung in Sachen Stadtbücherei und Stadtarchiv. Was das Archiv betrifft, sind wir mit dem Kreis Herford in Gesprächen, ob wir unser Archiv dort mit unterbringen können. Wann läuft der Mietvertrag mit dem Haus Nummer 50 an der Eschstraße aus, in dem sich derzeit noch Stadtbücherei und Archiv befinden? Koch: Im September 2022. Der Vertrag muss ein Jahr vorher gekündigt werden. Bis dahin muss also klar sein, wo wir mit der Bücherei und dem Archiv hinwollen - oder auch, ob wir mit beidem dort bleiben wollen, wobei das eine Lösung wäre, die ich nicht für gut halte. Der Kreis Herford muss eh sein Archiv ausbauen. Daran könnten wir uns beteiligen. Und für die Bücherei stehe ich nach wie vor zu der Lösung, dafür den Tabakspeicher zu nutzen. Das liegt mir schon lange am Herzen. Er ist ein markantes Denkmal und ich finde es schade, dass er ungenutzt so dasteht. Es wäre sicherlich ein Gewinn, wenn die Stadtbücherei dort einziehen würde. In den vergangenen Jahren war zunehmend Wohnraum ein Thema. Bei den BIMA-Häusern ist die Stadt da jetzt einen Schritt vorangekommen, aber glauben Sie, dass die restlichen Gebäude noch in Ihrer Amtszeit von der Stadt gekauft werden können? Koch: Wir haben ja verschiedene Projekte am Laufen. Ein Teil der BIMA-Wohnungen wird für Flüchtlingsunterbringung genutzt. Die Robert-Schumann-Straße haben wir gekauft, dort sollen die Wohnungen ab Januar zur Miete angeboten werden. Für die weiteren Wohnungen kündigte die BIMA im Frühjahr an, ein neues Wertgutachten erstellen zu wollen. Jetzt im November stellte sich am Rande von Gesprächen heraus, dass dahingehend aber noch gar nichts passiert ist. Das ist schade, aber die Zusammenarbeit mit der BIMA ist halt schwierig. Welche Projekte haben Sie noch? Koch: Wir haben noch Wohnungen am Gänsemarkt und an der Asternstraße. Die werden mit öffentlichen Mitteln gefördert und mussten vom Kreis erst genehmigt werden. Das hat aufgrund knapper personeller Besetzungen in Herford dann auch gedauert. Wir haben noch ein Projekt am Feldmarkfriedhof in Planung. Zurzeit sind wir in der Ausschreibung des Planungsbüros, das den Gestaltungswettbewerb begleiten soll. ...was auch wieder Zeit kostet. Koch: Manchmal ist es kaum zu glauben, was bei einer öffentlichen Auftragsvergabe alles zu beachten ist. Wir brauchen schon für die Auswahl des Planungsbüros, das den Wettbewerb begleiten soll ein Auswahlverfahren. Ich bin aber optimistisch, dass wir da bald in die Planung gehen können. Wir wollen da ja auch ein ansprechendes Gebäude haben und keinen Klotz. Auch wenn die Stadt keinen direkten Einfluss auf die Sanierung des Bahnhofs hat, aber ärgern Sie solche Vorkommnisse wie undichte Bahnsteigdächer und nicht funktionierende Aufzüge, mit denen Bünde bundesweit bekannt wurde? Koch: Das ärgert mich maßlos. Ich rufe dann auch den Bahnhofsmanager Herrn Nowosad an. Wenn der meine Telefonnummer sieht, stehen dem vermutlich schon die Nackenhaare hoch. Ich habe ihm auch gesagt, dass es doch kein Hexenwerk sein kann, das Dach dicht zu bekommen. Irgendwann hat es dann wohl geklappt. Sie selbst sind ja auch häufig mit Ihrem Fahrrad unterwegs. Was fällt Ihnen dabei auf? An welchen Stellen muss noch was getan werden? Koch: Erstmal fallen mir Straßen, Geh- und Radwege auf, an denen was gemacht werden muss. Das nimmt man als Radfahrer dann besonders wahr. Seit dem ersten Jahr meiner Amtszeit arbeiten wir an einem durchgängigen Radweg zwischen Bünde und Enger. Und da hoffe ich auf den ersten Spatenstich im kommenden Jahr. In den vergangenen Monaten scheint das Thema Klimaschutz Einzug in so ziemlich jedes Wahlprogramm gefunden zu haben. Die Fraktionen haben viele Anträge gestellt. Mittlerweile werden Klimaschützer in den sozialen Medien aber sogar beschimpft. Wird die Diskussion übertrieben oder wie dringend sehen Sie das Thema? Koch: Ich finde nicht, dass die Diskussion übertrieben wird. Das ist schon ein dringendes Problem. Man muss aber auch zur Kenntnis nehmen, dass wir als Stadt schon seit Jahren dabei sind, Klimaschutz zu betreiben. Da sind einerseits die energetischen Gebäudesanierungen. Anderseits würde ich uns in Bezug auf die Ausstattung mit LED-Technik bei den Straßenlaternen als eine der führenden Kommunen bezeichnen. Das kommt mir persönlich manchmal etwas kurz, wenn so getan wird, als täte sich hier nichts. Vielleicht reden wird über manche Dinge auch nicht genug, aber manchmal ist es auch besser, wenn man die ein oder andere Sache noch unter der Decke hält, bevor sie einem zerredet wird. Da sind ja manche auch ganz groß drin. Folgefrage zur letzten Bemerkung: Wie nehmen Sie das Miteinander der Fraktionen in den unterschiedlichen Sitzungen wahr? Koch: Es gibt sicher Schlimmeres. Manchmal fühle ich mich aber schon zu Unrecht kritisiert. Man hat selbst natürlich ein anderes, subjektives Gefühl. Aber im Großen und Ganzen glaube ich, hält sich das im Rahmen. Wir nehmen in unseren Lesertelefonen häufig wahr, dass sich Bürger über "dreckige Ecken" und "zu wenig Pflege von Grünflächen" in der Stadt beschweren. Ist das Ihrer Meinung gerechtfertigt, oder sind die Bünder einfach nur anspruchsvoller als Bürger in anderen Städten? Koch: Ich glaube schon, dass die Bünder da sehr anspruchsvoll sind. Ich will auch gar nicht bestreiten, dass an der ein oder anderen Stelle mehr gemacht werden könnte, aber dass es bei uns jetzt so schlimm wäre, ist auch nicht der Fall. Wenn an einigen Stellen mal ein paar Zweige überhängen oder Grünflächen nicht sofort gemäht werden, muss man auch daran denken, dass beim Bauhof auch entsprechendes Personal vorgehalten werden muss. Da muss man Personalkosten gegen die Beschwerdegründe aufwiegen. Aber manche Einzelfälle werden sicherlich auch zu Recht kritisiert. Thema "Rechtsruck in der Politik". In den vergangenen Jahren hat die AfD an Stimmen - im Bundestag aber vor allem bei jüngsten Landtagswahlen - gewonnen. Wie wahrscheinlich ist es für Sie, dass die Rechten auch in den Bünder Rat einziehen? Koch: Ausschließen kann man das nicht. Es gibt hier sicherlich eine Szene, aber eine echte Struktur kann ich hier noch nicht erkennen. Ob sich hier noch ein Stadtverband formiert, kann ich nicht sagen. Schön wäre das jedenfalls nicht. Was könnten Sie als Bürgermeister oder die Politik vor Ort im Allgemeinen dafür tun, um einen Rechtsruck in der Wählerschaft zu verhindern? Koch: Ich weiß nicht, ob wir da echte Handlungsoptionen auf kommunaler Ebene haben. Die frustrierten Bürger, die die AfD wählen, sind ja in der Regel nicht mit der kommunalen Politik, sondern mit der Landes- und Bundespolitik unzufrieden. Ich glaube, dass man dort mehr Handlungsmöglichkeiten hat. Hier vor Ort muss ich aber sagen, dass wir alles tun, um uns gegen Rechts zu positionieren. Ich will jetzt nicht sagen, dass alle in der AfD rechtsradikal sind, aber wenn ich so einen Björn Höcke höre, dann wird einem schon ganz anders. Inwieweit können Sie die Sorge mancher Bürger um die öffentliche Sicherheit nachvollziehen? Auch auf Mitarbeiter der Stadt hat es schon Übergriffe gegeben. Koch: Das Problem haben wir leider. Mal war es ein betrunkener Patient, der einen Rettungssanitäter im Einsatz niedergeschlagen hat und es gibt Übergriffe auf Mitarbeiter des Rathauses. Während der Öffnungszeiten unseres Sozialamtes ist mittlerweile in der Regel ein Mitarbeiter vom Bonus-Team anwesend. Der Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist für uns von höchster Priorität. Ich selbst bekomme regelmäßig Post von Reichsbürgern - auch an meine Privatadresse. Noch stört mich das nicht großartig, aber manch einer sagt, dass man da auch mit einer gewissen Sorge drauf gucken muss, weil man nie weiß, ob das bei verbalen Äußerungen bleibt, oder ob nicht mal eine andere Eskalationsstufe zum Tragen kommt. Sie sagen, dass Sie das nicht großartig stört, aber man kommt dabei dann doch ins Grübeln, oder nicht? Koch: Wenn man sieht, dass der Regierungspräsident in Kassel erschossen worden ist und dass in Köln ein Vollstreckungsbeamter erstochen, sind das unglaublich extreme Vorgänge. Mir wurde hier selbst zumindest verbal und etwas verblümt Waffengewalt angedroht. Man muss dann doch feststellen, dass die Schwelle zur Gewaltanwendung offenbar sehr stark gesunken ist. Aber auch einige Bürger haben zunehmend Sorge um ihre persönliche Sicherheit. Wie sehen Sie das? Koch: Das Gefühl habe ich selbst nicht und oft ist es auch nur ein subjektiver Eindruck. Ich glaube aber schon, dass sich viele Menschen mehr Sorgen um ihre Sicherheit machen. Das ist ein wichtiges Zukunftsthema. Wir haben jetzt auch das Bonus-Team immerhin um eine Stelle aufgestockt. Und auch wenn mir das jetzt einige vorwerfen, glaube ich, dass wir an manchen Stellen mit einer Video-Überwachung gut beraten wären.

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