Versmold. Vor etwa drei Jahren erhielt der Versmolder die Diagnose: Zöliakie. „Ein Schlag ins Gesicht", wie Carsten Nathmann erzählt. Sein Leben hat sich seitdem radikal verändert. Vor ihm und der Harsewinkelerin Caroline Peters steht ein Teller mit Weihnachtskeksen. Peters ist Kontaktperson für Teile der Region Ostwestfalen-Lippe in der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft. „Die Kekse sind alle glutenfrei", erklärt Peters. Herkömmliches Gebäck würde bei den beiden heftige Beschwerden auslösen. Denn Zöliakie-Betroffene vertragen kein Gluten – das Speicherprotein, das in vielen Lebensmitteln enthalten ist. Vor allem in Backwaren.
Für die Lebensmittel nehmen Erkrankte lange Wege in Kauf
„Früher", erklärt Nathmann, „habe ich gerne Spekulatius gegessen". Das geht heute nicht mehr so einfach. Viele Mehlsorten kommen für die beiden Betroffenen nicht in Frage. Magenkrämpfe, Übelkeit und Erbrechen seien die Folgen von Gluten-Konsum. Auch das geliebte Bier – für Carsten Nathmann muss es eine besondere Sorte sein. „Ich habe seit meiner Diagnose vor 14 Jahren keinen Döner mehr gegessen", berichtet wiederum Caroline Peters aus ihrem neuen Alltag. Glutenfreier Döner, das sei, so die 26-Jährige, nahezu unmöglich.
Aber es gibt sie, die Alternativen. Dafür nehmen Carsten Nathmann und Caroline Peters häufig lange Fahrten in Kauf. „In Holland gibt es ganze Regale voll glutenfreier Lebensmittel", erklärt Peters. „Andere Länder sind viel weiter als Deutschland." Dort können sie bedenkenlos in die Regale langen und den Einkaufswagen füllen: Brötchen, Nudeln, paniertes Fleisch – und eben Weihnachtskekse.
Weihnachten sei für Zöliakie-Erkrankte ohnehin eine Herausforderung. „Spontan Essen gehen funktioniert nicht so einfach", erklärt Carsten Nathmann. Selbst Restaurants, die glutenfreies Essen anbieten, müssten sehr genau aufpassen. Warum erklärt Caroline Peters: „Das Stichwort heißt Kontamination. Wenn beispielsweise Küchengeräte mit Gluten in Berührung kommen, können Lebensmittel verunreinigt werden." Spontan essen gehen, „das ist nur schwer möglich", erklärt die Engagierte. Und auf dem Weihnachtsmarkt etwas Verträgliches zu finden, das sei quasi unmöglich.
So beeinträchtigt die Autoimmunkrankheit auch das soziale Umfeld Betroffener. Das Weihnachtsessen fällt bei den Nathmanns in Loxten wohl komplett glutenfrei aus. Eine Möglichkeit: der Klassiker Kartoffelsalat und Würstchen. „Seit der Deklarationspflicht für Lebensmittel aus 2015 ist in Kartoffelsalat kein Gluten mehr", so Peters. Doch der Besuch bei Verwandten und Freunden kann dann schon wieder problematisch werden. „Ich bringe mein Essen oft selber mit. Dann gibt es keine Probleme und die Gastgeber müssen nichts beachten", berichtet Caroline Peters.
„Je mehr man mit anderen Menschen ins Gespräch kommt, desto größer wird die Akzeptanz."
„Je mehr man mit anderen Menschen ins Gespräch kommt, desto größer wird die Akzeptanz", berichtet Carsten Nathmann aus seinem Alltag. Bei seinem Sportverein, den Handballern der Sportfreunde Loxten, wo er als Trainer und Schiedsrichter aktiv ist, kennen die Mitstreiter inzwischen seine Erkrankung. Glutenfreies Bier stünde dort mittlerweile häufig ganz selbstverständlich im Kühlschrank. Auch bei Festen in der Nachbarschaft sei die Zöliakie-Erkrankung inzwischen kein Problem mehr.
Dennoch, Betroffene müssen im Alltag so manche Hürde nehmen. Gemeinsam, so sagen Caroline Peters und Carsten Nathmann, könne man sich einfach besser austauschen. Zwar fungiert Peters bereits seit einigen Jahren als Kontaktperson der deutschen Zöliakie-Gesellschaft für die hiesige Region, regelmäßige Treffen Betroffener finden bereits statt, doch die Gruppe wünscht sich Zuwachs. „Wir organisieren gemeinsame Restaurantbesuche, ein Kochkurs ist in Planung", sagt Peters. „Manchmal trifft man im Laden Leute, die glutenfreie Lebensmittel kaufen. Es muss also noch mehr Betroffene geben", fügt Nathmann an. Die Statistiken (siehe Infokasten) geben ihm Recht. Inzwischen ist das Problem weit verbreitet. Die Facebook-Gruppe »Zöliakie-Austausch – glutenfrei und gut« zählt über 27.000 Mitglieder – viele Ideen und Tricks inklusive.
Die deutsche Zöliakie-Gesellschaft mit Sitz in Stuttgart betreibt seit etlichen Jahren Aufklärungsarbeit. Sie bringt Betroffene zusammen und vermittelt Kontakte vor Ort. Denn „nach der Diagnose stehen viele oft alleine da", berichtet Caroline Peters. Doch auch im deutschen Einzelhandel gibt es inzwischen immer mehr glutenfreie Lebensmittel – so wie die Weihnachtskekse zum Beispiel.