Gütersloher Ernährungsexpertin: Gewürztes Kunstfleisch ist keinesfalls gesünder

Gütersloh. Ob Gans, Steak oder Braten: Auf den Festtagstafeln der Nation steht an Weihnachten ein ordentliches Stück Fleisch auf dem Teller nach wie vor hoch im Kurs. Zum Auftakt der letzten Woche vor den Feiertagen werde noch einmal &bdquo;intensiv geschlachtet", berichtet das Fachmagazin Fleischwirtschaft. Die Erzeuger lieferten große Mengen ab, der Handel habe zum Wochenbeginn noch einmal Schwung bekommen und besonders Lachse, Filets und Schinken seien gefragt. Fleisch hat nicht nur kulinarisch sondern auch wirtschaftlich einen festen Platz im Kreis Gütersloh. Der Schlachtkonzern Tönnies in Rheda-Wiedenbrück rangiert nach wie vor auf Platz eins im Ranking der Fleischwirtschaft für vergangenes Jahr mit 16,6 Millionen geschlachteter Tiere. Zum Vergleich: Platz zwei belegt Westfleisch aus Münster mit etwa der Hälfte mit 7,9 Millionen Tieren. Täglicher Fleischkonsum ist definitiv ungesund Pro Kopf verzehren die Deutschen gut 60 Kilogramm Fleisch im Jahr. Mehr als die Hälfte entfällt mit knapp 37 Kilogramm auf Schweinefleisch. 13 Kilogramm macht Geflügel aus und mehr als neun Kilogramm Rind- und Kalbfleisch weist die jüngste Statistik des Bundesamtes für Landwirtschaft und Ernährung beim Konsum pro Person aus. Damit liegt der Verzehr mit durchschnittlich 164 Gramm pro Tag – das sind mehr als ein Kilo pro Woche – deutlich über dem von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlenen Maß. Diese sieht nicht mehr als 300 bis maximal 600 Gramm Fleisch und Wurst pro Woche als noch akzeptabel an. Die Ernährungsexpertin, Dr. oec. troph. Claudia Anna Schröder-Böwingloh vom Institut für Ernährungsmedizin-Gütersloh kommt zu einer ähnlichen Einschätzung. &bdquo;Man muss als Mensch nicht täglich Fleisch essen. Eigentlich reicht es aus, wenn man zweimal in der Woche ein bisschen Fleisch isst. Dabei sollte es Mengen von 200 Gramm auf keinen Fall überschreiten, eigentlich reichen 150 Gramm zweimal wöchentlich aus, um den Körper optimal zu versorgen", erklärt die Ökotrophologin. In Anbetracht von industrieller Massenproduktion- und konsum wünscht sie sich eine Rückkehr zum bewussteren Umgang mit Fleisch, wie es früher der Fall war. Als es in der Familie oftmals nur einmal in der Woche Fleisch gab, aufgrund der Kosten, dafür in guter Qualität. Auch das habe ausgereicht, wenn dann an den anderen Tagen Milchprodukte oder auch einmal ein Ei auf dem Speiseplan standen. &bdquo;Das was heute teilweise stattfindet, dass wir täglich Fleisch und Wurst essen und dann häufig in sehr, sehr hohen Dosen, das ist definitiv nicht gesund", so die Ernährungsexpertin. Rot oder hell: Auf die Farbe des Fleisches kommt es an Fleisch ist dabei nicht gleich Fleisch. Es wird zwischen rotem Fleisch wie Rind, Schwein und Wild sowie hellem Fleisch von Geflügel unterschieden mit entsprechenden Folgen für den Körper. &bdquo;Wenn das rote Fleisch verdaut und verstoffwechselt wird, dann wird sehr viel Harnsäure freigesetzt. Und viele Menschen in der heutigen Generation setzen ohnehin zu viel Harnsäure frei, zum Beispiel wenn ich sehr viele Weißmehlprodukte, zuckerhaltige Sachen zu mir nehme oder viel Alkohol. Deshalb sind viele Menschen, wie man umgangssprachlich sagt, auch ständig übersäuert, die Blutharnsäure ist das und das ist auf Dauer eben krankmachend", weiß Schröder-Böwingloh. Besonders verarbeitetes Fleisch wie Wurst mit etlichen Zusatzstoffen setze zudem viel Harnsäure frei. &bdquo;Wenn im Körper ständig Harnsäure im Organismus ist, kann das Entzündungen wie eine Arthritis oder Rheuma fördern." Eine Krebserkrankung sei zwar auch ein entzündlicher Prozess, hierbei spiele aber insgesamt ungesunde Ernährung sowie Lebensstil eine Rolle neben Umweltbelastungen. "Wenn ich selber überhaupt Fleisch esse, dann immer Bio" Helles Fleisch, wie Geflügelbrustfilet oder Fisch, setze deutlich weniger Harnsäure frei. Dabei komme es darauf an, welche Stücke vom Fleisch gegessen werden. Filet von Rind und Schwein sind weniger fettreich, Brathähnchen und Gans brächten viel Fett mit sich. Zertifiziertes Biofleisch sei dem konventionell erzeugtem immer vorzuziehen, da dieses kaum oder gar nicht mit Zusatzstoffen und Antibiotika belastet sei und dementsprechend von höherer Qualität. &bdquo;Wenn ich selber überhaupt Fleisch esse, dann immer Bio", verrät Schröder-Böwingloh. Biowurst ist im Gegensatz zu industriell hergestellter frei von Zusatzstoffen wie Nitritpökelsalz, Konservierungsstoffen wie Sorbinsäure, künstliche Geschmacks- und Farbstoffe und teils großen Mengen Industriezucker als Füllstoff. Auch müsse der Verbraucher keine höheren Kosten fürchten, wenn er sich an die gesunden Mengen halten würde. Jeder könne dies einmal für sich umrechnen. Expertin lehnt Verzehr von Ersatzfleisch mit Zusatzstoffen komplett ab Sind die Zusatzstoffe verantwortlich dafür, dass manche Menschen regelrecht Heißhunger auf Fleisch verspüren, wenn sie eine Zeit verzichtet haben? Nein, urteilt die Expertin. Grund hierfür sei eher, dass die menschliche Physis auf Fleischkonsum ausgelegt sei und wer Fleisch eigentlich gerne mag und zwanghaft verzichte, könne dies dazu führen, dass das Ganze kippt und dann gleich große Mengen gegessen würden, wie das bei Süßem ja auch der Fall sei. Wer Fleisch mag, sollte lieber bewusst einkaufen und im empfohlenen Maß essen, als zwanghaft zu verzichten. Bei Ersatzfleisch, wie derzeit sehr in Mode, müsse der Verbraucher genau hinschauen. Häufig werde minderwertiges genmanipuliertes Soja angeboten. Wer schon mal pures Tofu probiert habe, der weiß, dass dies auf keinen Fall nach Wurst oder Ähnlichem schmecke. Für künstliche Wurst werde die Sojamasse genommen und mit etlichen künstlichen Stoffen für Farbe Geruch und Geschmack versetzt. &bdquo;Da muss ich ganz klar sagen, das sind reine Kunstprodukte, wo ich den Verzehr persönlich komplett ablehne", so Schröder-Böwingloh. Tierische Eiweiße wichtig für Entwicklung bei Heranwachsenden &bdquo;Wenn ich mich wirklich vegetarisch oder vegan ernähren möchte, dann sollte ich die Produkte auch so auswählen und zubereiten, wie es die Natur vorsieht und nicht wieder ein Fleischersatzprodukt mit Kunst und Chemie nehmen", so die Ernährungswissenschaftlerin. Viele Leute würden diese Produkte aktuell eher aus Modegründen nachfragen und nicht aus Überzeugung auf Fleisch verzichten. Dabei wären im Kunstfleisch teils derart viele Zusatzstoffe enthalten, dass es ungesund sei. Grundsätzlich müsse der Mensch zwar kein Fleisch essen. Für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen seien tierische Eiweiße aber sehr wichtig. Ohne diese käme es zu 99 Prozent zu Entwicklungsstörungen wie Wachstumsstörungen. Der menschliche Körper sei zwar von der Ur-Physis darauf ausgelegt, Fleisch zu essen, tierische Eiweiße könnten aber auch über Milchprodukte, Käse, Eier und Fisch zugeführt werden. Pessimistischer Blick in die Zukunft Für die Zukunft des Lebensmittels Fleisch hat die Expertin eine düstere Prognose: Sie sieht es als äußerst schwierig an, in der breiten Bevölkerung wieder ein Bewusstsein zu schaffen, nur in Bioproduktion hergestelltes Fleisch zu konsumieren und Fleisch als etwas Besonderes anzusehen, das in geringer Menge und hoher Qualität nachgefragt wird.

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