Boom bei Nobilia im Kreis Gütersloh vorbei? Schichten fallen aus, Zeitverträge enden

Verl. Keine Urlaubsreisen, stattdessen eine neue Küche: Von der Corona-Pandemie hat Europas größter Küchenhersteller Nobilia stark profitiert. Ein Rekordumsatz jagte den nächsten, im Geschäftsjahr 2022 legte das Unternehmen um 11,9 Prozent auf 1,66 Milliarden Euro zu. Doch der Boom ist vorbei, auch beim Klassenprimus. Zwar hat Nobilia im Gegensatz zu einigen Mitbewerbern keine Kurzarbeit angemeldet, der Küchenhersteller behilft sich jedoch anders: Zwischen dem 8. und dem 18. März ist in den vier Werken die Spätschicht gestrichen. Nicht zum ersten Mal steht die Produktion zeitweilig still. Einige Zeitverträge werden nicht mehr verlängert. Die Geschäftsführung hat aber auch gute Nachrichten. So liege der Auftragseingang in den vergangenen fünf Wochen über dem im Vergleichszeitraum des Vorjahres, sagt Nobilia-Chef Lars Bopf. 150 neue Mitarbeiter aus ganz Deutschland eingestellt Ende des letzten Vor-Corona-Jahres 2019 beschäftigte das Unternehmen 3.738 Mitarbeiter, Ende 2022 waren es bereits 4.523. Dafür sorgte nicht allein der Ausbau der Produktion; 2020 weihte Nobilia das Werk III am Hüttenbrink in Gütersloh ein, im Mai 2021 folgte das Werk in Saarlouis. Um den rasant gestiegenen Auftragsbestand überhaupt abarbeiten zu können, stellte Nobilia nach &bdquo;NW“-Informationen noch während der Pandemie etwa 150 neue Mitarbeiter aus ganz Deutschland für den Vertriebsinnendienst ein und stattete sie mit 100-prozentigen Home-Office-Verträgen mit Festgehalt aus. Denn einige von ihnen leben hunderte von Kilometern entfernt. Ihre Aufgabe: die eingehenden Bestellungen der Möbelhäuser kontrollieren und gegebenenfalls korrigieren. Lesen Sie auch: Rekordjahr für Europas größten Küchenhersteller Nobilia Nobilia-Insider: Auftragslage ist extrem zurückgegangen Als er 2022 zu Nobilia wechselte, berichtet einer von ihnen im Gespräch mit der &bdquo;NW“, habe das Unternehmen täglich einen sechsstelligen Bestand an offenen Bestellungen vor sich her geschoben. Seit dem Sommer vergangenen Jahres sei die Auftragslage extrem zurückgegangen. Standard sei es gewesen, sagt der Mitarbeiter, der lieber unerkannt bleiben möchte, dass Nobilia diesen Beschäftigten zweimal in Folge einen Jahresvertrag angeboten habe. Man habe sich auf die Versprechungen des Unternehmens stets verlassen, wie sie beispielsweise Geschäftsführer Michael Klein am 18. August vergangenen Jahres in einem der &bdquo;NW“ vorliegenden Video über den Mitarbeiter-Informationskanal &bdquo;N(obilia)-TV“ verkündete. &bdquo;Wer gute Arbeit macht, wer sich engagiert fürs Unternehmen, der muss sich keine Sorgen machen, dass daraus ein echter Nobilianer wird – das gilt selbstverständlich für die Zukunft und für die vor uns liegende Zeit“, sagt er darin. Keine Vertragsübernahme aus betriebswirtschaftlichen Gründen Für manch einen gilt das jetzt doch nicht. Bereits Ende vergangenen Jahres wurden die ersten Mitarbeiter informiert, dass aus betriebswirtschaftlichen Gründen keine Vertragsübernahme stattfinden werde. Drei Monate vor dem Auslaufen des zweiten Jahresvertrags werden die Betroffenen schriftlich aufgefordert, sich arbeitssuchend zu melden. Bopf relativiert diese Angaben. Im laufenden Monat, sagt der Sprecher der Geschäftsführung, seien beispielsweise zwei von drei befristeten Verträgen in unbefristete Arbeitsverhältnisse umgewandelt worden. Lediglich für ein Drittel gelte das nicht, &bdquo;aber das hat immer einen Sachgrund“. Im Gegenteil: Nobilia suche aktuell händeringend neue Mitarbeiter, habe sogar Personalberater eingeschaltet. Derzeit schreibt das Unternehmen auf seiner Internetseite 60 Stellenangebote in allen Bereichen aus, auch im Vertriebsinnendienst. Manche Position soll mehrfach besetzt werden. Lesen Sie auch: Mega-Überraschung - Nobilia holt Schlagerstar Helene Fischer nach Gütersloh Etliche Mitarbeiter bauen Minusstunden auf Laut dem Verband der Deutschen Küchenmöbelindustrie haben aufgrund des gesunkenen Auftragseingangs mittlerweile 75 Prozent der angeschlossenen Unternehmen für das erste Quartal 2024 Kurzarbeit angemeldet – Nobilia hat das nicht getan. &bdquo;Wir haben zusammen mit der Mannschaft flexible Lösungen erarbeitet, damit wir durch die schwierige Zeit kommen“, sagt Lars Bopf. Man nutze die Arbeitszeitkonten und hole nach, was nicht möglich war, als es zu viel zu tun gab. Es gebe Schulungsangebote in nahezu allen Bereichen, in der Produktion würden Wartungsarbeiten ausgeführt. Trotzdem: Wurden in der Boom-Zeit Überstunden angehäuft, so bauen etliche Mitarbeiter inzwischen Minusstunden auf. In welchem Ausmaß, das offenbart ein von Geschäftsführung und Betriebsrat unterschriebener Aushang zur Reduzierung der Arbeitszeit. Von den produktionsfreien Tagen werden ausdrücklich Mitarbeiter ausgenommen, &bdquo;deren Überstundenkonto mehr als minus 100 Stunden aufweist“. Nobilia auf wichtiger Messe in Las Vegas Bopf sieht allerdings Zeichen für eine Trendumkehr. In der vergangenen Woche war der Verler Küchenhersteller mit einem großen Stand auf einer wichtigen Messe in Las Vegas vertreten. &bdquo;Die Nachfrage war riesig.“ Nobilia verfolge die seit Jahren geltende Strategie intensiv weiter, die breite internationale Aufstellung seines Geschäfts zu nutzen, um die Nachfragerückgänge speziell im Inland auszugleichen. Lars Bopf: &bdquo;Wir glauben an eine positive Zukunft.“

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