Stadt im Kreis Gütersloh hat Angst davor, eine Steueroase zu werden

Verl. Die CDU nennt es eine Kalkulation &bdquo;spitz auf Knopf“, die Grünen wittern ein &bdquo;schlechtes Gewissen gegenüber der Wirtschaft“ und die SPD wertet es als ein &bdquo;Zocken mit Steuergeld“: Erwartungsgemäß haben die Christdemokraten mit ihrer absoluten Mehrheit im Stadtrat die Erhöhung des Gewerbesteuer-Hebesatzes um nur 15 auf 355 Punkte durchgesetzt. Um bei den zu erwartenden Erträgen alle Ausgaben stemmen zu können, muss die Stadt im kommenden Jahr wohl 4 Millionen Euro ihrer Rücklage entnehmen. Die Grünen und die FDP-Fraktion stimmten mit der CDU dem Haushalt am Dienstagabend zu. SPD und FWG lehnten den Etat ab. Das von Verl erwirtschaftete Geld soll vor Ort bleiben Bürgermeister Michael Esken hatte bei der Einbringung des Haushaltsplans 2023 im Oktober eine Erhöhung um 20 auf 360 Punkte vorgeschlagen. Damit will die Stadt verhindern, von der Landesregierung als &bdquo;Steueroase“ betrachtet und zu Strafzahlungen verpflichtet zu werden. Mit 355 Punkten werde der Gewerbesteuerhebesatz der Stadt um zwei Punkte über dem von Düsseldorf vermutlich festzusetzenden Grenzwert liegen, rechnete CDU-Fraktionsvorsitzende Gabriele Nitsch dem Rat in ihrer Haushaltsrede vor. Damit gehe Verl jedoch ein zu großes Risiko ein, kritisierten Grüne und SPD. Nitsch sah das anders. Das in Verl erwirtschaftete Geld müsse in der Kommune bleiben. &bdquo;Wir wollen nicht 1,5 Millionen Euro zur A2 bringen und dann tschüss.“ Geld wird gebraucht, um Projekte in Verl zu realisieren Dass das Geld in Verl gebraucht wird, um die geplanten Projekte finanzieren zu können, war in der Debatte des Rates unstrittig; und es zeigt sich in dem Umstand, dass der Haushalt eine Kreditermächtigung über 25 Millionen Euro enthält, denn ihre Ersparnisse in den Fondsanteilen will die Stadt vorerst nicht auflösen. Unterschiede gab es in den politischen Lagern allerdings bei der Bewertung. Während Nitsch die bekannten großen Bauvorhaben wie Erweiterung des Schulzentrums, Umgestaltung des Marktplatzes, Zukunft der alten Dorfmühle, Netzwerk- und Gründerzentrum, Feuerwehr Sürenheide und Ausbau der offenen Ganztagsschulen hervorhob, kritisierten die Grünen, Verl komme bei der Verkehrswende nicht voran. Allzu vieles werde verschleppt, so Fraktionsvorsitzender Johannes Wilke. SPD in Verl wirft CDU Respektlosigkeit vor Vor viereinhalb Jahren hatte der Rat beschlossen, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte werden zu wollen. Passiert sei wenig bis nichts. Verl erfülle noch nicht einmal die Aufnahmekriterien. Der Grundsatz &bdquo;Vorrang für Fußgänger und Radfahrer im Ortskern“ wurde 2013 schon im städtebaulichen Rahmenplan festgehalten. &bdquo;Er feiert im nächsten Jahr sein zehnjähriges Bestehen, ohne dass wir bei der Verwirklichung nennenswerte Fortschritte gemacht haben.“ Während die CDU mit ihrem Geschacher um den Gewerbesteuer-Hebesatz &bdquo;den Wirtschaftsbasar eröffnet“ habe und lediglich &bdquo;ihre Verbundenheit zur Verler Wirtschaft“ bekunde, lasse sie es an Wertschätzung für die Familien vermissen, kritisierte SPD-Fraktionsvorsitzende Elke Henkemeier. Diese drücke sich nicht allein durch die Schaffung neuer Kita-Plätze aus, &bdquo;auf die Kinder sowieso einen Rechtsanspruch haben“. Die CDU schmälere ohne Not die Liquidität der Stadt um 800.000 Euro, lehne es zugleich aber ab, Elternbeiträge für offene Ganztagsschule und Randstundenbetreuung zu halbieren sowie die unteren Einkommensstufen bei den Betreuungskosten für Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege zu entlasten. Genau das hatte die SPD gefordert, war aber an der Ratsmehrheit gescheitert. Diese Anträge als &bdquo;Unfug“, &bdquo;nervig“ oder &bdquo;sozialistisches Geschwurbel“ zu bezeichnen, lasse es nicht nur an Respekt gegenüber anderen Fraktionen vermissen, sondern auch gegenüber all jenen, &bdquo;die sonst nicht unter der Gießkanne sitzen“, sagte Henkemeier. FDP amüsiert sich über durchgesetzten Verzicht Für die Freie Wählergemeinschaft kritisierte Helmut Kosfeld ganz allgemein die Ausgabenpolitik der Stadt. &bdquo;Es wird investiert, ohne auf die Kosten Rücksicht zu nehmen, und auch der Personalaufwand wird weiterhin stark aufgebläht.“ Die FDP stimmte dem Haushalt zwar letztlich zu. Aber Fraktionsvorsitzender Ulrich Klotz hatte für die Einsparvorschläge der Christdemokraten im Haushalt auch Spott übrig. Ihn amüsierte der von der CDU durchgesetzte Verzicht auf den Kauf weiterer Bierzeltgarnituren. &bdquo;Warum nicht, wenn es der Stadtkasse nützt und die so genannte Daseinsvorsorge nicht gefährdet.“ Gabriele Nitsch (CDU): &bdquo;Wir belassen der Wirtschaft 700.000 bis 800.000 Euro mehr an finanziellen Spielräumen. Zusammen mit der Senkung der Grundsteuern A und B, die am Ende allen zugute kommt, kompensieren wir einen Teil der Belastungen durch die Gewerbesteuer-Anpassung von 15 Punkten. Zusätzlich versichern wir, dass nachhaltige Investitionen direkt der Wirtschaft in Verl zu Gute kommen sollen.“ Johannes Wilke (Die Grünen) &bdquo;Die Ausschreibung zur Bebauung des früheren Elli-Markt-Grundstücks in Kaunitz bietet Gelegenheit zur Ausgestaltung der Handlungsempfehlungen aus der Wohnraumbedarfsanalyse. Hinzu kommt die Chance, an dieser Stelle neue Wege zu gehen. Besonders mit Blick auf nachhaltiges, gemeinschaftsorientiertes Bauen sowie mehr Grünflächen und Fassadenbegrünung zur Klimaanpassung.“ Elke Henkemeier (SPD): &bdquo;Ein Faktor für die Attraktivität einer Stadt ist die Haltung der Entscheider und Handelnden gegenüber den Schwächeren in einer Stadtgemeinschaft. Damit wir als Oppositionspartei einem Haushalt zustimmen können, muss erkennbar sein, dass dieser Haushalt das Wohl unserer Stadt und der Verler Bürgerinnen und Bürger fördert. Das ist unserer Ansicht nach nicht in ausreichendem Maße Fall.“ Helmut Kosfeld (FWG): &bdquo;Bei der Bürmschen Wiese sind wir – von der ursprünglichen Planung einer schlichten Obstwiese über eine Begegnungsstätte mit Veranstaltungen – bei einem Zustand angelangt, mit dem niemand mehr zufrieden ist. Nicht einmal mehr unsere Kinder dürfen beim Sankt-Martin-Umzug die Grünflächen betreten. Das jetzige Ergebnis ist nach über zwölfjähriger Diskussion beschämend.“ Ulrich Klotz (FDP): &bdquo;,Kluger Mann baut vor und regelt die Steuersätze so, dass auch eine Oase in Düsseldorf nicht mehr als ,Paradies oder ,Schlaraffenland verstanden wird. Die in Verl ja eher ungewohnte Kreditaufnahme ist allemal klüger als die vorzeitige Auflösung unserer Anlagefonds. Trotz großer Pläne in Sachen Bauvorhaben halten wir die Planungen aber insgesamt noch für verantwortbar und hoffentlich auch realisierbar.“

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