Der reine Fahrspaß der 60er - Verlerin restauriert ein altes Miele-Moped

Verl-Sende. Der Lack ist nicht ab, auch nicht nach 62 Jahren. &bdquo;Cabriograu/Delphinblau“ nannte der Gütersloher Hersteller Miele jene zweifarbige Lackierung, mit der das Moped aus der Modellreihe K52/2G im Jahr 1960 ausgeliefert wurde. &bdquo;Cabriograu/Delphinblau“ ist es noch heute, und zwar mit seiner Originallackierung. Auf diesen Umstand ist Jasmin Rüssing besonders stolz. Etwa 250 Arbeitsstunden hat die 27-Jährige aus Sende gemeinsam mit dem Bielefelder Volker Pottmann in die Restaurierung des historischen Zweirads investiert. Bis sie es beim TÜV zur Vollabnahme vorstellen kann, müssen nur noch drei Kabel für das Rücklicht verlegt werden. &bdquo;Ich finde es wichtig, ein Stück Geschichte zu erhalten“, sagt Rüssing, die gerne auch mit mehr als 1,5 PS und 49 Kubikzentimetern Hubraum unterwegs ist. Beruflich steuert sie einen Lastwagen, vor der Tür stehen zwei schwere Motorräder: eine Kawasaki ZZR 600 von 1992, und eine Yamaha XJ 600, Baujahr 1986; auch diese im Originalzustand. Rüssing hat auch mal eine mit modernen Assistenzsystemen ausgestattete Kawasaki ZZR 1400 gefahren. Als im Winter auf glatter Straße die Elektronik das ausbrechende Hinterrad zurückholte, verlor sie daran die Freude: &bdquo;Die macht alles selbst.“ Was im Berufsalltag im Lkw für Entspannung und Erleichterung sorgt, trübt auf dem Motorrad den Fahrspaß. Vor Corona war's ein Schnäppchen Der zweisitzige Oldtimer (dafür steht das &bdquo;2G“ in der Modellbezeichnung), der gänzlich ohne Elektronik auskommt und stattdessen als technischen Gimmick eine über einen Bowdenzug zu bedienende mechanische Klingel an Bord hat, hat es ihr auch deshalb besonders angetan. Vor zweieinhalb Jahren, kurz nach Weihnachten war es, als sie die Miele im Paderborner Ortsteil Mönkeloh fand: im Originalzustand, mit der Originallackierung, der Motor funktionstüchtig. Der Vorbesitzer hatte das historische Zweirad ein halbes Jahr zuvor in Bayern aufgestöbert. 20 Kaufinteressenten soll es gegeben haben, doch Jasmin Rüssing erhielt den Zuschlag: &bdquo;Weil es so in seine alte Heimat zurückkehren konnte“, sagt die Motorradliebhaberin. Das habe auch den Verkäufer gefreut. Noch bevor der es sich möglicherweise anders überlegen konnte, fuhr Jasmin Rüssing mit ihrem Kumpel Volker Pottmann nach Paderborn. &bdquo;Ich habe sofort bezahlt.“ 550 Euro – ein Schnäppchen, wie Rüssing heute weiß. Denn als die Corona-Pandemie wenige Wochen später ausbrach, als nicht mehr viel ging und sich manch einer eine Beschäftigung gegen die Langeweile suchte, stiegen die Preise für derartige Gebrauchte auf mehr als das Doppelte. &bdquo;Wir haben die Miele dann noch am gleichen Abend im Stockdunkeln mit einem 18-Tonner abgeholt“, erinnert sie sich. Weil die beiden mit ihrem Lastwagen bei der Rückkehr nicht die Nachbarn in Sende stören wollten, lieferten sie das Moped nicht bis vor die eigene Haustür. &bdquo;Halb habe ich es durch das Wohngebiet geschoben, halb getragen“, sagt Pottmann, denn die vorhandene Bereifung war nicht im besten Zustand. Ein Kraftakt. Auch wenn die K52/2G zierlich aussieht, so bringt sie doch nach Werksangaben ein Leergewicht von 58 Kilogramm auf die Waage. Original ist auch der "Miele"-Wimpel Schon am nächsten Tag begannen Rüssing und Pottmann damit, das Moped in seine Einzelteile zu zerlegen. Der Vergaser war über die Jahre verharzt und musste gereinigt, der Motor neu abgedichtet werden. Sie säuberten und versiegelten den Tank, konservierten anschließend die Einzelteile. &bdquo;Das Haus hat wochenlang nach Ballistol gestunken“, erinnert sich die 27-Jährige. Neu sind der Benzinfilter und die Auspuffanlage. Bei letzterer handelt es sich um einen Nachbau. &bdquo;Bei den alten, die man noch bekommen kann, sind oft die Krümmer verrostet. Ein solcher Auspuff hätte abgeschliffen und neu verchromt werden müssen“, sagt Jasmin Rüssing. Ein teueres, ein zu teures Unterfangen. Dafür spendierte sie der Miele neue Weißwandreifen. Die gab es bereits im Jahr 1960: als Sonderausstattung zum Aufpreis von 6,80 Mark. Ansonsten befindet sich die K52/2G im Originalzustand. Inklusive &bdquo;Miele-Wimpel“, der am Gepäckträger weht. "Zur Not gibt es ja noch Pedale" Während das Auseinanderbauen innerhalb von drei Tagen geschafft war, dauerte es eine ganze Woche, bis die K52/2G wieder zusammengebaut war. Dann zeigte sich, dass die Werbung mit der herausgestellten &bdquo;soliden Miele-Qualität“ vor 62 Jahren nicht zu viel versprochen hatte: Der Motor des Mopeds sprang an. Der Oldtimer wird nicht &bdquo;eingekellert“, er wird gefahren. Wenn die drei Kabel für das Rücklicht eingebaut sind und die Miele zugelassen ist, &bdquo;dann geht es damit nächstes Jahr in den Harz. Ich möchte an einer kleinen Rallye teilnehmen“, schwärmt Jasmin Rüssing. Wenn man dem Tachometer glauben kann, schafft die Miele, angegeben mit 40 km/h, eine Spitzengeschwindigkeit von 55 km/h. Aber schafft sie es auch, die Steigungen im Harz zu erklimmen? &bdquo;Von der Theorie her sollte es funktionieren – und zur Not gibt es ja noch Pedale zum Treten.“

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