Schwer krankes Baby erlebt Weihnachten Zuhause: „Das schönste Geschenk“

Kreis Gütersloh. Nicole Wever hat gekämpft wie eine Löwenmutter und ist überglücklich, heute mit ihrer jüngsten Tochter im Arm zu Hause auf dem Sofa zu sitzen und mit der ganzen Familie Weihnachten zu feiern. Heiligabend ist die kleine Alia seit 19 Tagen zu Hause in Verl, wo der Alltag in kleinen Schritten so etwas wie Normalität annimmt. Dabei ist hier auf den ersten Blick gar nichts normal. Das Wohnzimmer ist eine halbe Intensivstation: Auf dem Überwachungsmonitor flimmern Alias Werte, das Beatmungsgerät erinnert brummend daran, dass sie seit ihrer Geburt um ihr Leben kämpfen muss. An dem nackten Füßchen ist mit Heftpflaster ein Sauerstoffsensor befestigt. In dem zarten Hals steckt ein Tracheostoma, ein Schlauch, über den sie rund 16 Stunden am Tag beatmet werden muss. Trotzdem verschläft das Baby praktisch den gesamten NW-Besuch friedlich im Arm seiner Mutter. Manchmal streckt sie sich im Schlaf und röchelt ein bisschen. Krankenschwester achtet auf passende Werte Neben Mama Wever sitzt Daniela Klapper und achtet akribisch auf die Monitorwerte und Alias Geräusche. Wenn das Röcheln stärker wird, öffnet die 25-jährige Gesundheits- und Krankenpflegerin eine der steril verpackten Kanülen, die stets griffbereit liegen, und saugt vorsichtig den Schleim ab, der sich immer wieder bildet und für Alia lebensbedrohlich werden kann. Sie kam am 13. Mai mit einer Trisomie (Down-Syndrom) und multiplen Begleiterkrankungen zur Welt und wurde bis zum 5. Dezember in der Kinderklinik Bethel intensivmedizinisch betreut. Dass sie jetzt zu Hause bei ihren Eltern und Geschwistern ist, grenzt für die Familie an ein Wunder, jeden Tag neu. &bdquo;Das ist das schönste Weihnachtsgeschenk“, sagt ihre Mutter, die sehr unter den Folgen der räumlichen Trennung gelitten hat. Schließlich hat Wunschkind Alia neben der 16-jährigen Cecilia als großer Schwester auch noch einen zweieinhalbjährigen Bruder, der seine Mama braucht. Über die Zerreißprobe, vor die Alias Geburt die Familie stellen würde, hatten die Wevers so wenig nachgedacht wie die meisten Eltern, die erst nach der Geburt von der Behinderung ihres Kindes erfahren. Als Alia nach einigen Monaten dann gesundheitlich so stabil war, dass sie mit professioneller Unterstützung theoretisch auch zu Hause betreut werden konnte, wurde dieser Wunsch von Tag zu Tag stärker. Doch in der Praxis geriet die Suche nach einem 24-Stunden-Pflegedienst zur Odyssee. Denn es gibt kaum Unternehmen in erreichbarer Nähe, die diese personalintensive Betreuung auf die Beine stellen können. Daniela Klapper gehört zu dem großen Team des Paderborner Pflegedienstes KidSenio, der im Hause Wever jetzt Tag und Nacht zur Stelle ist. Würde sie ausfallen, und sei es auch nur, weil sie einen Schnupfen hat, geriete das gesamte Betreuungsmodell schnell ins Wanken. &bdquo;Eine unserer größten Sorgen ist ein Infekt. Mit einem Bein stehen wir immer im Krankenhaus“, sagt Nicole Wever. Noch größer ist jedoch die Angst, dass sich Alia in einem unbeobachteten Moment beim Strampeln den Beatmungsschlauch aus dem Hals zieht. &bdquo;Jede Mama kann sich vorstellen, wie schlimm es ist, wenn das Baby blau anläuft und keine Luft mehr bekommt. Immer jemanden hier zu haben, ist einfach eine große Sicherheit.“ "Wir müssen um alles kämpfen" Daniela Klapper ist heute um sieben Uhr morgens gekommen, um ihren Kollegen von der Nachtschicht abzulösen, und bleibt zwölf Stunden. Für Nicole Wever bedeutet das, dass sie dem kleinen Elias in Ruhe sein Frühstück machen kann, bevor sie ihn zur Tagesmutter bringt. Dann erledigt sie Einkäufe oder einen der vielen Behördengänge, die zunehmend zur Belastung werden. &bdquo;Als Eltern machen wir die Erfahrung, dass wir um alles kämpfen müssen. Sogar um das Pflegebett.“ Neben den blinkenden Monitoren steht ein zum Kinderbett umfunktionierter Laufstall mit einer Matratze. Hier, in direkter Reichweite zum Beatmungsgerät, wird Alia medizinisch versorgt, hier bekommt sie die Windeln gewechselt und hier schläft sie, wenn sie gerade nicht auf dem Arm ist. &bdquo;Von der Höhe her ist das eine Katastrophe“, sagt Nicole Wever, die mit den Behörden wegen der Einrichtung eines Pflegezimmers im Clinch liegt. Die Familie muss gerade die schmerzliche Erfahrung machen, wie langsam die Mühlen selbst in extremen Notsituationen mahlen. &bdquo;Die Zuzahlungen für die erforderlichen baulichen Maßnahmen und die Einrichtung decken bei weitem nicht die Kosten.“ Deshalb hat Nicole Wever auf ihrer Facebookseite eine Spendenaktion gestartet, die noch einen Tag läuft. &bdquo;Ich hätte nicht damit gerechnet, dass uns wildfremde Menschen helfen würden, mehr als manch einer unserer Bekannten – in der Not erkennt man echte Freundschaft. Die Mitarbeiter von KidSenio haben sogar ihre Überstunden gespendet, um das Budget zu entlasten.“ Aber bei allen Problemen, die der Alltag zu Hause mit sich bringt, ist sie doch unendlich froh. Das Erlebnis, &bdquo;Püppi“, wie Nicole Wever ihr kleines Sorgenkind liebevoll nennt, zu Hause zum ersten Mal in der Bauchtrage in den Schlaf schaukeln zu können, macht ihr Mut für alles, was noch kommt.

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