Ehemann aus Kreis Gütersloh lebenslang in Haft: Verteidiger entsetzt über Begründung

Halle/Bielefeld. Neun Wochen nach Ende des Prozesses um den Mord an Marion S. aus Steinhagen hat sich das Schwurgericht Bielefeld jetzt schriftlich geäußert. Seit Mittwoch liegt das 75-seitige Urteil vor. &bdquo;Es liefert allerdings keine neuen Erkenntnisse zur juristischen Einordnung dieser Tat. Auch darin bleiben viele wichtigen und vielleicht entscheidenden Fragen unbeantwortet“, bemängelt Strafverteidiger Sascha Haring aus Halle. Sein Mandant, ein 73-jähriger Landwirt aus Halle-Kölkebeck, wurde in einem Indizienprozess wegen des Mordes an seiner 68-jährigen Ehefrau zu lebenslanger Haft verurteilt. Haring ist umgehend in Revision gegangen. Mit dem Fall soll sich bald der Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigen. &bdquo;Wir haben einen Monat Zeit, um unsere Berufung zu begründen.“ Sascha Haring ist aufgebracht, nachdem er die schriftliche Begründung des Urteils studiert hat. Viele Punkte, die im Verfahren untersucht worden seien, könne auch das Gericht nicht aufklären, sagt er. Beispiele: &bdquo;Wie und wo ist Marion S. getötet worden? Wurde sie erdrosselt oder erwürgt?“ Oder: &bdquo;Ist sie lebend oder tot zum Grab in den Wald gebracht worden?“ Details im schriftlichen Urteil seien dazu nicht zu finden. Das sei unbefriedigend. Wie soll ein 73-Jähriger diese Tat alleine begangen haben? Und weiter: &bdquo;Wie soll ein 73-jähriger, schmächtiger Mann diese Tat allein begangen haben? Wie soll er die Leiche oder die lebende Ehefrau unter Zwang aus der Siedlung ihres Elternhauses weggeschafft haben, ohne dass ein Zeuge diesen Vorgang mitbekommen hat?“ Zum anderen gehe es um das Nachstellen des Transportes des Leichnams durch die Polizei. Das sei, wie es in während des Prozesses deutlich wurde, recht amateurhaft und ohne Ergebnis geschehen. Die Kammer sagt dazu: &bdquo;Wir trauen es ihm zu. Schließlich habe er auch tote Schafe von den Wiesen geschleppt.“ Dann seien da noch die Aussagen von Freunden, Bekannten und Angehörigen, so Haring, die allesamt von Bedrohungen und Repressalien des Ehepartners berichtet haben. &bdquo;Fest steht, dass diese Zeugen nur von Marion S. darüber informiert worden sind. Niemand hat Derartiges persönlich miterlebt.“ Die Richter hätten dadurch falsche Schlüsse gezogen. Lesen Sie auch: Lebenslange Haft für Mann von Marion S. aus dem Kreis Gütersloh: &bdquo;Urteil ist seltsam“ Und Haring holt noch weiter aus: Kurz vor Mittag des 5. Juli habe die 86-jährige Nachbarin von Marion S. in der Seniorenresidenz an der Patthorsterstraße in Steinhagen das spätere Opfer in der Waschküche getroffen. Ich zitiere: &bdquo;Sie hat sich ein weißes Tuch vor ihren Mund gehalten und gesagt, sie kann nicht sprechen, weil ihre Zähne fehlen und sie deshalb am Nachmittag noch einen Zahnarzttermin hat.“ Dann meinte sie, dass das mit den Zähnen ihr Ex-Mann gewesen sei. Haring: &bdquo;Sie soll sich dabei mit ihrem Zeigefinger waagerecht über ihren Hals gestrichen haben.“ Die Zahnarzthelferin des behandelnden Zahnarztes aus Werther habe jedoch dem Gericht mitgeteilt, dass die Behandlung von Marion S. schon lange festgestanden hat. &bdquo;Es ging da um die Unterfütterung des Unterkiefers und die Angleichung der Brücke“, erklärte sie ganz sachlich. &bdquo;Es wurde eindeutig festgestellt, dass Marion S. gegenüber der Zahnarzthelferin gelogen hat.“ Telefongespräch des Angeklagten mit seiner Tochter abgehört Der Strafverteidiger beanstandet noch einen weiteren, wesentlichen Punkt, der in der Urteilsbegründung kaum Beachtung finde. &bdquo;In einem der abgehörten Telefongespräche zwischen meinem Mandanten und seiner Tochter, das 40 Minuten gedauert hat, war es zu einem Streitgespräch gekommen. Man hat auch über die zerrüttete Ehe gesprochen. Erste Zweifel der Tochter waren zu erkennen. Sie hat zu ihrem Vater gesagt: &bdquo;Ich hoffe, dass du es nicht warst. Ich würde sonst bereuen, dass ich dir verraten habe, dass meine Mutter am Tag ihres Verschwindens das Elternhaus ausgeräumt hat.“ Diese Sätze habe das Gericht zu Ungunsten des Angeklagten gewertet. Er habe also gewusst, dass seine Ehefrau im Elternhaus gewesen sei. Sascha Haring: &bdquo;Allerdings ist das Telefongespräch noch weitergegangen.“ Sein Mandant habe daraufhin gesagt, dass sie ihm das nicht mitgeteilt habe. Daraufhin habe die Tochter geantwortet: &bdquo;Ach ja, stimmt.“ Das lasse den Ehemann in einem anderen Licht erscheinen. Für den Rechtsanwalt steht fest: &bdquo;Das Entlastende wird nicht gewürdigt.“ Nun ist die nächste Instanz am Zug: der Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Er hat die Aufgabe, das Urteil auf Rechtsfehler zu prüfen. Das können Fehler bei der Würdigung von Beweisen, bei der Zumessung der Strafe oder im Verfahren selbst sein. Was viele nicht wissen: Der BGH erhält keine Verfahrensakte. &bdquo;Grundlage für eine Entscheidung sind nur die Urteils- und die Revisionsbegründung“, erklärt Haring, der mit einem BGH-Beschluss für den Herbst rechnet. Verurteilter Ehemann darf Briefe schreiben, die nicht gelesen werden Der Ehemann habe das schriftliche Urteil ebenfalls erhalten. &bdquo;Er arbeitet aktiv mit, sucht nach Fehlern.“ Inzwischen habe er auch Hafterleichterungen bekommen. &bdquo;Die Überwachungsmaßnahmen sind aufgehoben worden. Er darf wieder Besuch bekommen, ohne dass ein Justizbeamter anwesend ist. Er darf auch wieder Briefe schreiben, ohne dass diese mitgelesen werden.“

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