Nur Tiere mit Familienanschluss kommen unter das Messer

Schloß Holte-Stukenbrock. Ein Mix aus Rinder- und Schweinestücken landet im riesigen Fleischwolf. In Sekundenschnelle wird das Fleisch zu Hack verarbeitet, landet im sogenannten Kutter, wird dort gemischt und geknetet. Ralf Wyrwal würzt die Masse, &bdquo;Daraus werden frische Bratwürste“, erzählt der Metzgermeister, während er den herzhaften Mix in einer Füllmaschine platziert, Schweinedärme wässert, &bdquo;damit es gleich besser flutscht“ und sie über eine Stange zieht. &bdquo;Je nach Länge der Därme ergibt sich die Anzahl der Würste.“ Routiniert läuft all das ab, mit viel Handarbeit und &bdquo;immer ruhig weg“. Ralf Wyrwal gehört zu den Exoten in seiner Branche. Jemanden wie ihn, der Schweine, Rinder und Schafe selbst schlachtet und sie auch verarbeitet, gibt es um Umfeld kaum noch. Schnell offenbart sich im kleinen Betrieb an der Kaunitzer Straße einer der größten Unterschiede zur Massenproduktion in den Schlachtbetrieben, die in diesen Tagen in der Kritik stehen. Von jedem Tier, das zu Wyrwal kommt, weiß der 54-Jährige, bei wem es im Stall gestanden hat, und er weiß, dass die Tiere es dort gut gehabt haben. &bdquo;Die Schweine kommen von Hobby-Bauern aus Liemke“, erzählt Wyrwal. &bdquo;Von der Geburt an dauert es acht bis neun Monate, ehe sie geschlachtet werden.“ Das Gewicht liegt dann bei etwa 120 Kilo. Schweine, die in die Massenproduktion kommen, haben weniger Zeit, sind entsprechend leichter. Rinder werden bei Wyrwal mit etwa zweieinhalb Jahren geschlachtet, haben ein gutes halbes Jahr länger Zeit. &bdquo;Das Fleisch ist dann dunkler, marmorierter und saftiger.“ Und das Fett, &bdquo;das wird für die Wurst gebraucht“. Schnelligkeit, Effizienz, günstige Preise, darum geht es in der Massenproduktion. Während dort Tiere Lkw-weise angekarrt und verarbeitet werden, &bdquo;wird bei uns langsam ein Tier nach dem anderen geschlachtet und verarbeitet“, beschreibt Ralf Wyrwal den Gegensatz. &bdquo;Nur das, was wirklich gebraucht wird, wird produziert“ &bdquo;Uns treibt ja keiner, nur das, was wirklich gebraucht wird, wird produziert.“ Für Wyrwal ist der Respekt vor der Kreatur wichtig. &bdquo;Tiere sind kein Wegschmeißprodukt.“ Und sie sollten keinem Stress ausgesetzt werden. &bdquo;Viele Bauern begleiten ihre Tiere bis zur letzten Sekunde, in Massenbetrieben ist das gar nicht möglich.“ Ralf Wyrwal übernimmt auch Lohnverarbeitungen für Bio- und Hofläden in der Region. &bdquo;Diese Läden haben seit Corona mehr Zulauf“, sagt er. &bdquo;Weil die Menschen das Kochen wieder entdeckt haben und weil sie bewusster einkaufen.“ Karl-Heinz Ruttkowski steht im kleinen Laden der Metzgerei und bestätigt das veränderte Verhalten. &bdquo;Man achtet beim Kauf jetzt viel mehr darauf, woher das Fleisch kommt“, sagt der 58-Jährige. Das sei aber nicht erst seit den Tönnies-Schlagzeilen so, ergänzt Ralf Wyrwal. Ihm selbst hat das Umdenken der Kunden mehr Arbeit beschert. &bdquo;Wir schlachten ein ganzes End mehr“. Und zwar ohne besondere Zusatzstoffe, &bdquo;und das funktioniert mehr als gut“. Früher gab es in vielen Familien Hausschlachtungen. &bdquo;Dazu hat heute kaum noch jemand die Möglichkeit“, weiß Wyrwal. Er selbst fährt auch nicht raus, sondern schlachtet nach Voranmeldung im Betrieb. &bdquo;Hier habe ich alles vor Ort, was ich dafür brauche.“ Und wer sein Tier schlachten lässt, &bdquo;der bekommt Fleisch und Wurst genau von diesem Tier“, betont der Fachmann. Fleischermeister Florian Sonnet, dessen Betrieb an der Trapphofstraße zu finden ist, setzt ebenfalls auf Regionalität und &bdquo;Tiere mit Familienanschluss“. Sonnet schlachtet und zerlegt Tiere und gibt sie zur Verarbeitung weiter. &bdquo;Wir produzieren auf hohem Standard“, unter anderem für Bio und Neuland. Sonnet arbeitet seit Kurzem mit der Firma Damisch unter einem Dach. &bdquo;Wir beziehen das Fleisch von Sonnet“, bestätigt Geschäftsführer Stefan Meyer, denn &bdquo;dort stehen die Tiere an erster Stelle“. &bdquo;Wir können auf die Bedürfnisse der Tiere eingehen“ Und das sei ein wichtiges Qualitätskriterium. Das trifft etwa auf die artgerecht gehaltenen französischen Limousin-Rinder von Philipp Bisplinghoff aus Liemke zu. Mit der Firma Tönnies und anderen Großbetrieben sei das überhaupt nicht vergleichbar, sagt Florian Sonnet. &bdquo;Da gibt es eine ganz andere Struktur. &bdquo;Dort werden 30.000 Schweine am Tag geschlachtet, bei uns 100 in der Woche.“ Anders als bei der Massenproduktion &bdquo;haben wir keinen Zeitdruck, müssen nicht im Akkord arbeiten und können deshalb auf die Tierbedürfnisse eingehen“. Ihm und seiner Familie sei es wichtig, sich &bdquo;in einer Nische zu positionieren“, sagt der 37-Jährige. Diese Nische wird derzeit von immer mehr Menschen wahrgenommen. Sollte es neue Auflagen für die Großbetriebe geben und einen gerechteren Lohnausgleich, &bdquo;dann wird es spannend für die Kleinen, dann sitzen wir irgendwann womöglich alle in einem Boot, und das wäre doch gut“, sagt Ralf Wyrwal. Weniger Fleisch, dafür aber mit besserer Qualität konsumieren, &bdquo;das würde allen helfen“, davon ist der Metzgermeister überzeugt. &bdquo;Auch wir selbst essen nicht jeden Tag Fleisch – obwohl wir die Möglichkeit dazu hätten.“ Auf Wyrwals Arbeit ist im vergangenen Jahr sogar das Slow-Food-Convivium Ostwestfalen-Lippe aufmerksam geworden.

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