Geschafft: Gütersloher Unternehmer Schenke absolviert Marathon mit einem Rollstuhlfahrer

Gütersloh. 25 Marathons ist Reiner Schenke schon gelaufen. Er war in Tokio, Boston, London, New York und Berlin, er lief in Metropolen und Kleinstädten, und immer war es ein Erlebnis. Doch nichts davon ist vergleichbar mit dem, was Schenke nun geleistet hat: Er ist einen Marathon mit einem Querschnittsgelähmten gelaufen. Am Sonntag, 5. Oktober, sind sie angetreten. In Köln. Gemeinsam mit Manuel Graute. Und sie haben es geschafft: 4 Stunden 6 Minuten und 5 Sekunden nach Start läuft Schenke mit Graute ins Ziel ein. &bdquo;Es war großartig“, resümiert der Unternehmer etwa zwei Stunden nach Zieleinlauf. Da ist er bereits wieder auf dem Rückweg aus Köln. &bdquo;Die Stimmung war unglaublich. Es gab sogar einen Teilnehmerrekord, wie ich gehört habe, es war wahnsinnig voll.“ Die Zuschauer hätten die beiden sehr gepusht - sobald sie aufgetaucht seien, sei das Geschrei losgegangen, erzählt Schenke. &bdquo;Das war phänomenal.“ Manuel Graute habe diese Erfahrung ebenfalls sehr genossen, so habe es Schenke empfunden. &bdquo;Das war ja auch der Grund, aus dem wir das gemacht haben.“ Graute habe im Anschluss gesagt, dass es ein großartiges Event für ihn gewesen ist. Er war schlichtweg begeistert, sagt der 61-Jährige. &bdquo;Der letzte Kilometer ist grandios , da saugst du das Finishing auf.“ &bdquo;Heute haben wir gefinisht und das war großartig“ Jetzt gehts für ihn erst einmal zurück nach Gütersloh. Wird es eine Wiederholung geben? Geplant ist noch nichts, sagt der Unternehmer. &bdquo;Heute haben wir gefinisht und das ist großartig.“ Lesen Sie auch: Gütersloher Unternehmer Reiner Schenke erhält besondere Auszeichnung Rückblick: Die Beiden stehen voll im Saft. Graute wappnete sich ebenso für die Herausforderungen des Laufes wie Schenke. Dreimal die Woche trainierten sie, davon einmal lang. Sie rannten und rollten durch Kattenstroth und Isselhorst, sie suchten verkehrsarme, ruckelfreie Nebenwege, sie lernten ganz neue Gegenden und auch sich selbst kennen. &bdquo;Es ist für uns beide ein Abenteuer“, sagt Schenke. Im März, beim Marathon in Rom, war ihm der Gedanke gekommen. Schenke überholte einen Rollstuhlfahrer, und weil man, wie er sagt, während der 42,195 Kilometer viel Zeit zum Nachdenken hat, überlegte er, wie es wohl wäre, jemanden zu schieben, der nicht in der Lage ist, sich durch eigene Kraft im Rollstuhl fortzubewegen. Manuel Graute kannte er. Sie hatten bei Blau-Weiß 98 Gütersloh zusammen Fußball gespielt, dann hatte sich Schenke das Kreuzband gerissen und den Fußball drangegeben. Doch Graute sah er immer wieder. Auch nachdem der seinen Unfall hatte. Gütersloher nach Kopfball plötzlich querschnittsgelähmt 2007 erwischte es Graute, es war furchtbar. Ein Sportunfall. Am 2. September 2007 stieg er im Kreisligaspiel zwischen Blau-Weiß und dem FC Kaunitz zum Kopfball hoch, wurde unterlaufen, fiel auf Rücken und Hinterkopf, blieb liegen. &bdquo;Ich war bei vollem Bewusstsein, habe aber nichts mehr gespürt. Arme und Beine waren sofort weg.“ Den Rest nahm er wie im Film wahr. Er hörte den Helikopter landen, hörte das Gespräch der Ärzte, sah, wie sie sich über ihn beugten, registrierte, wie sie ihn auf eine luftgepolsterte Trage hoben. Doch sein Körper merkte nichts von alledem. Lesen Sie auch: Kopfball mit Köpfchen: Arminia-Legende Klos rät Nachwuchskickern zur Vorsicht Die Diagnose – Riss eines Halswirbels, Prellung des Rückenmarks – war niederschmetternd. Sie bedeutete: Er werde nie wieder gehen, schon gar nicht laufen können. Er könne froh sein, wenn es gelinge, einige Nerven oberhalb des Brustbeins wieder zu stimulieren, vielleicht reiche das für Bewegungen des Kopfes, der Arme. Auf mehr dürfe er kaum hoffen. Grautes Leben, es änderte sich von einer Sekunde zur nächsten. Doch er selbst änderte sich kaum. Gütersloher Duo ist mit Spezialanfertigung unterwegs &bdquo;Manuel ist ein Kämpfer. Ich habe einen Riesenrespekt vor ihm“, sagt Schenke. Nie erlebe er ihn schlecht gelaunt, immer sei er positiv. Als Schenke ihn ansprach, wenige Tage nach Rom, brauchte Graute eine Nacht und ein Gespräch mit seinen Nächsten, um sich zu entscheiden. Am folgenden Tag rief er Schenke an und sagte, er fände die Idee reizvoll. &bdquo;Bevor ich meinen Unfall hatte, hatte ich vor, irgendwann den Hermann zu laufen. Nun passiert etwas Ähnliches, aber eben auf ganz andere Weise.“ Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Generali Ko?ln Marathon (@generalikoelnmarathon) Die Vorbereitung war intensiv. Schenke holte ihn jeden Mittwoch und Freitag nach Feierabend zu einer 15-Kilometer-Runde ab. Graute rollte aus seiner behindertengerechten Wohnung an der Holzstraße und begab sich mit einem Lifter in den Lauf-Rollstuhl, eine Spezialanfertigung des Sanitätshauses Mitschke. Die war nötig: Denn ein solches Modell gibt es nicht von der Stange, nirgends, schon gar nicht für diese Anforderung und einen Typen wie Graute. Er ist 1,81 Meter groß, 55 Kilo schwer und hat ziemlich lange Beine. Das Modell &bdquo;Hippocampe“, gefertigt von einer Firma in den Niederlanden, bot ein gutes Chassis, aber es brauchte Anpassung: eine Verlängerung, eine bessere Federung. Nun ist der &bdquo;M1“ passend. Er sieht rasant aus, schnittig. Auf dem Tuch an der Seite steht, wofür er gebaut wurde: Marathon. Die Kosten für den Rollstuhl, ein paar tausend Euro, teilen sich Schenke und Matthias Mitschke. Schenke muss die ganze Zeit die Arme oben halten Wenn Graute darin Platz nimmt, müssen alle darauf achten, dass er stabil sitzt, dass es nirgends drückt, das Shirt keine Falte wirft. Dann geht’s los. Sie suchten sich Strecken mit glattem Asphalt. Nebenwege. Schotter ist tabu, bloß nicht. Erst hatten die Beiden vor, beim Münster-Marathon zu starten, doch Schenkes Anfrage beim Veranstalter ergab, dass die Strecke zu viel Kopfsteinpflaster hat, erst recht in Münster-City. Also schwenkten sie um nach Köln. Dort sagten sie: Ja, müsste gehen. Monatelang trainierten sie. Schenke, 61 Jahre alt, 70 Kilo, 1,82 Meter groß, nahm sich Zeit. Samstags drehten sie eine größere Runde, 30 Kilometer etwa. Die ganze Zeit musste Schenke dabei die Arme oben halten, den Rollstuhl schieben. Das erschwert die Atmung, verändert den Laufstil. Doch er hält durch, gut sogar. Seine Bestzeit für Marathon liegt bei drei Stunden zehn Minuten, gelaufen in Berlin. Doch Rekorde sind diesmal nicht das Ziel. &bdquo;Wir wollen ankommen und es genießen. Das reicht“, sagt Schenke. Unterhalb von Schulter und Nacken spürt der Gütersloher nichts Auch für Graute, 46 Jahre alt, ist der Lauf anstrengend. Er muss sich aufrecht halten, das beansprucht seine innere Rumpfmuskulatur. Auch andere Muskelpartien sind gefordert, er merkt das, sofern die Nerven seines Körpers in der Lage sind, ihm Signale zu senden. Seit seinem Unfall erhält er Krankengymnastik, Physiotherapie. Sie wirkt. Sie hält ihn dort beweglich, wo er es schon ist, sie schafft es mitunter, neue Nerven zu aktivieren. Doch die Fortschritte, wenn überhaupt, sind minimal. Unterhalb von Schulter und Nacken spürt er nichts. Graute kämpft sich trotzdem durch. Er beteiligt sich am Leben. Neulich hat er sich im Heidewald das Pokalspiel gegen Union Berlin angesehen, ein paar Tage zuvor war er mit seiner Lebensgefährtin beim Konzert der Fantastischen Vier im Ravensberger Park in Bielefeld. Graute ist gelernter Energie-Elektroniker, arbeitet bei Miele. Nach dem Unfall schulte er um, sein Arbeitgeber gewährte ihm jedwede Hilfe. Nun ist er Industriekaufmann, arbeitet in der Kundenberatung und hat einen 18-Stunden-Vertrag. Sein Arbeitsplatz in der Hauptverwaltung von Miele ist so ausgestattet, dass er Tastaturen und Telefon über Spezialvorrichtungen bedienen kann. Am 5. Oktober ging es auf die Strecke In Köln hatten Schenke und Graute das gleiche Trikot an, beflockt mit den Worten &bdquo;Gemeinsam ein Ziel“ und drei Logos: DRK, Zukunftsstiftung Bethel, Rotary Club. Sie reisten bereits tags zuvor an sein, am 4. Oktober, und bezogen ihre Unterkunft in Dormagen. Mutter, Patentante, Lebensgefährtin, Freunde, Pfleger, Helfer: Viele waren dabei sein, auch am nächsten Morgen. Als um 10.30 Uhr der Startschuss fiel, standen sie an der Strecke und feuerten die beiden Sportler an. Es war ein Erlebnis, wie es keiner von ihnen je hatte, eines, das erst beim Zieleinlauf auf der Domplatte endete. Und nun ist es geschafft. Und wie Schenke schon im Vorfeld prophezeit hatte, wurde es &bdquo;grandios“.

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