Bäume liefern sich einen Wettlauf mit Brombeeren

Schloß Holte-Stukenbrock. Was die Stürme Kyrill und Friederike nicht geschafft haben, erledigt der Borkenkäfer. Begünstigt durch die große Trockenheit frisst der Winzling explosionsartig und mit Wonne Löcher in die Rinde und den Bast von Fichten. Großflächig bieten die toten Bäume mit ihren rot-braunen Nadeln einen erschreckend traurigen Anblick. Auch im Holter Wald muss ordentlich gerodet werden. Derzeit passiert das parallel mit einem Harvester (einer Holzerntemaschine), oder (bei dickeren Stämmen) mit der Kettensäge. Stephan Klotz ist seit dem vergangenen Jahr Förster im Holter Wald und setzt sich dort auch mit dem wichtigen Thema Verjüngung auseinander. Stephan Klotz sieht es als großes Plus für die natürliche Verjüngung des Waldes an, &bdquo;dass im Holter Wald ein sehr großes Artenspektrum zu finden ist“. Hauptbaumarten sind Kiefern, Eichen, Douglasien, die Küstentanne, Thuja (Lebensbaum), Hemlocktannen aber auch Laubbäume. &bdquo;Ziel ist es, dass sich viele Arten auf einer Fläche mischen – im Sinne der ökologischen Stabilität.“ Hoffen auf ein paar Fichten Steht nur eine einzige Art auf einer Fläche, wie jetzt an vielen Orten beim Fichtensterben zu beobachten, &bdquo;dann sind riesige Freiflächen die Folge“. Stephan Klotz hofft, &bdquo;dass wir im Holter Wald ein paar Fichten übrigbehalten, damit die Art nicht ganz verschwindet“. Die Fichte sei aber aufgrund ihrer Beschaffenheit weder mit Stürmen noch mit Trockenheit zurechtgekommen. &bdquo;Der Borkenkäfer ist nur eine Folgeerscheinung, weil es so viel absterbendes Holz gibt.“ Die Käfer registrierten den besonderen Duft der kranken Bäume. Viel schwächelndes Material – viele Käfer. &bdquo;Das potenziert sich.“ Etwa 160 Hektar Fichten seien vor dem großen Sterben im Holter Wald zu finden gewesen, erzählt der Förster. &bdquo;Ich rechne damit, dass wir mehr als 100 Hektar verlieren.“ Nachgepflanzt worden ist in diesem Jahr nicht, wohl aber in den vergangenen Jahren. Stephan Klotz zeigt ein Areal nahe einer Hofstelle, auf der er im vergangenen Jahr Naturverjüngungspflanzen mit Pflöcken markiert hat. Das Ergebnis fällt unterschiedlich aus. Eine kleine Eichenpflanze sprießt aus dem Boden, eine Lärche, ein Ahorn, eine Tanne. &bdquo;Die sehen gut aus.“ Andere sind vom Wild &bdquo;gnadenlos verbissen worden“ oder gar nicht mehr zu sehen. &bdquo;Drei bis vier Jahre brauchen die Pflanzen, damit sie es auf eine Wuchshöhe von 1,20 bis 1,50 Meter schaffen. Der Wettlauf mit der Zeit ist in vollem Gange“, beschreibt Klotz und weist darauf hin, dass Begleitvegetationen, wie etwa die sich stark ausbreitende Brombeere, &bdquo;die kleinen Bäumchen nicht überwuchern darf“. Wald entwickelt Eigendynamik Stephan Klotz entdeckt eine junge Eberesche. Sie hat die rettende Höhe fast erreicht, ist aber kurz vorher noch &bdquo;richtig runterrasiert worden“. Und hier kommt der 58-Jährige auf das Thema Wild und Jagd zu sprechen. &bdquo;Der Wald entwickelt eine Eigendynamik.“ Die sei aber nur gewährleistet, &bdquo;wenn wir einen angepassten Wildbestand haben“. Bedeutet: zwei bis vier Rehe auf 100 Hektar. Nicht nur im Holter Wald, sondern Land auf, Land ab sei das Verhältnis aber längst aus den Fugen geraten. Klotz fordert deshalb: &bdquo;Man muss dem Wald jetzt helfen, indem man den Wildbestand reguliert.“ Die Jagdzeiten im Wald und auf den Schadflächen seien bereits verlängert worden. Statt am 1. Mai seien die Jäger in diesem Jahr schon ab dem 1. April aufgerufen worden, die Waldbauern zu unterstützen. &bdquo;Die Jäger müssen das Regulativ bilden, um die Artenvielfalt im Biotop zu gewährleisten.“ Ohne sie sei das nicht möglich. Normalerweise würden Bäume, die genügend Licht bekämen, alleine wachsen. &bdquo;Tun sie aber nicht, weil sie vom Wild abgefressen werden.“ »Nicht mit Stirnlampe durch den Wald« Klotz hofft dabei auch auf das Verständnis der Bürger, die den Holter Wald oft und gerne als Spaziergänger, Jogger oder Radfahrer besuchen. Er bittet außerdem darum, Hunde angeleint zu lassen und auf den Wegen zu bleiben. Auch sollte niemand in der Morgendämmerung von 5 bis 7 Uhr durch den Wald laufen, ebenso wenig in der Abenddämmerung, &bdquo;erst recht nicht mit der Stirnlampe“. Das Wild ziehe sich dann zurück, &bdquo;es versteckt sich und ist nur nachts aktiv.“ Für die Jäger sei eine Jagd damit unmöglich. Folge: Die Verjüngung des Waldes ist in Gefahr. Denn vor allem Neupflanzungen benötigen längere Zeit, bis sie anwachsen, &bdquo;naturgewachsene Bäume haben damit kein Problem“. Und das Rehwild liebt die nährstoffreiche Terminalknospe. Diese Führungsknospe sorgt dafür, dass der Baum nach oben wächst. Ist sie weg, wird es nichts mit dem Wachstum, zumindest aber verzögert es sich deutlich. Problematisch sei auch, sagt Klotz, dass vielen Baumschulen, die auch die Pflanzung übernehmen, in Corona-Zeiten die Mitarbeiter aus Polen oder Rumänien fehlen. Die nächsten Jahre werden spannend Gerodete Flächen, so sagt es das Gesetz, müssen innerhalb von drei Jahren aufgeforstet werden. &bdquo;Nach all den Katastrophen gibt es aber so viele Flächen, dass das nicht gewährleistet werden kann“, sagt Stephan Klotz. Deshalb sei der Erlass zunächst ausgesetzt worden. &bdquo;Es muss irgendwann neu entschieden werden.“ Aktuell müsse der Fokus auf das Wesentliche gerichtet werden. Der Förster steuert eine &bdquo;Katastrophenfläche“ mit einst drei Hektar reinem Fichtenbestand an, die gerodet wurde. &bdquo;Hier ist noch nicht aufgeforstet worden.“ Dennoch sprießen an vielen Stellen kleine Eichen und Buchen aus dem Boden. Sie gelte es zu erhalten. &bdquo;Ich hoffe, dass wir die Verjüngung mit Hilfe der Jagd hinbekommen.“ Dazu zählt der Förster auch die gepflockte Fläche mit den nachwachsenden Jungpflanzen. &bdquo;Noch bin ich mit dem Ergebnis zufrieden“, sagt Klotz. Die nächsten drei vier Jahre würden spannend. &bdquo;Wenn wir sie verlieren, dann haben wir viel verloren.“

Meistgelesen