Streit um Wohnungsbau im Kreis Gütersloh: "Friss-oder-stirb-Mentalität eines Investors"

Rietberg. Die Kommunale Haus und Wohnen GmbH (KHW) plant am Pulverdamm einen Neubaukomplex mit 14 Wohnungen. 50 Prozent sollen im frei finanzierten, 30 Prozent im öffentlich geförderten und 20 Prozent im preisgedämpften Wohnungsbau entstehen. "Sieben Wohneinheiten also zu einem bezahlbaren und sieben zu einem marktüblichen Mietpreis. Wo ist da der Mehrwert für den sozialen Wohnungsbau, mit dem hier argumentiert wird?", fragt sich Anwohnerin Britta Ewers. Zurzeit stehen auf dem Grundstück zwei Häuser mit acht Wohneinheiten, in denen Menschen mit niedrigem Einkommen leben. "Diese Leute brauchen auch bezahlbaren Wohnraum, wenn die Häuser abgerissen und neu gebaut werden", gab Ewers jüngst im Stadtparlament zu bedenken. "Der Investor setzt in erster Linie auf große Wohneinheiten, aufgeteilt auf drei Gebäude. Neun umfassen mehr als 87 Quadratmeter und sind somit gut geeignet für Familien", antwortete Bürgermeister Andreas Sunder. Zudem seien die bestehenden Häuser in die Jahre gekommen und erfüllten nicht mehr die energetischen Standards. Gerd Muhle (SPD) sieht den Mehrwert darin, "dass es endlich wieder losgeht mit dem sozialen Wohnungsbau". Hier werde kein Ghetto geschaffen, sondern eine heterogene Wohnungsstruktur, in der ökonomische, ökologische und soziale Aspekte in Einklang gebracht werden könnten. "Bei privaten Investoren können wir nicht so sicher sein, dass bezahlbarer Wohnraum geschaffen wird, wie bei dieser genossenschaftlichen und gemeinnützigen KHW", sagte Muhle. Kritik an massiver Bauweise "Der Mehrwert an dieser Stelle am Pulverdamm ist gleich null. Punktum", polterte Marco Talarico (CDU) mit Verweis auf die verhältnismäßig geringe Zahl neuer verbilligter Wohnungen, die hier entstehen sollen. Außerdem sei unter dem Komplex eine Tiefgarage und damit eine massive Versiegelung geplant. Und: "Wir sollten nicht so tun, als würden wir hier ein Verfahren mit offenem Ausgang in Gang setzen. Die KHW hat sehr deutlich gesagt, entweder kommt genau dieser Plan, oder gar nichts", ärgerte sich Talarico über die "Friss oder Stirb-Mentalität eines Investors". Er kündigte an: "Wir werden dieses Theater-Verfahren nicht mitmachen." Sunder wies die erhobenen Vorwürfe zurück und forderte Talarico auf, "nicht unsere eigene Politik schlecht zu machen". Heinrich Isenbort (CDU) entgegnete: "Ich bin gespannt, wie Sie damit umgehen, wenn der Investor auch im Verfahren sagt, dass so und nicht anders gebaut wird." Josef Beermann (FWG) bezeichnete es als Frechheit, ein gesetzlich normierte Bauleitplanverfahren, für das Sunder bis zum Schluss warb, als Schauveranstaltung darzustellen. Christiane Schneiders (SPD) rügte die Wortwahl Talaricos als Missachtung des Rates. Frank Schnatmann (CDU), selbst Ingenieur im Bauwesen, stellte fest, dass auf dem Flurstück am Pulverdamm 35 und 37 "Sonderrechte für den Investor geschaffen werden sollen, die im Stadtgebiet nicht üblich sind". Verglichen mit anderen Bebauungsplänen solle dort wesentlich massiver gebaut werden. "Geplant ist eine Unterkellerung bis an die Grenzen der Nachbarn heran und eine Zufahrt direkt an der Nachbarschaftsgrenze. Wie das überhaupt hergestellt werden kann, ist eine andere Sache", so Schnatmann. Sonderrechte sollen in Rietberg nur für ein Grundstück gelten Aus seiner Sicht ist klar, dass die angrenzenden Grundstücke definitiv in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn dort derart massiv gebaut wird. "Wir haben jetzt schon eine Überschreitung der vorgeschriebenen Grundflächenzahl (GRZ) – Zufahrt und Rampe noch nicht eingerechnet", warnte Schnatmann. Darüber hinaus werde dem Investor eingeräumt, Treppenhäuser näher an den Pulverdamm heran zu bauen, als die Baulinien und Baugrenzen anderer Grundstücke zulassen. Dieses Sonderrecht solle am Pulverdamm nur für dieses eine Grundstück gelten. Schnatmann: "Eine verträgliche Nachverdichtung ist hier in keinster Weise erkennbar." Der Bürgermeister plädierte dafür, offen gebliebene Fragen und Einwände in dem mit knapper Mehrheit (19:16) gegen die Stimmen der CDU eingeläuteten Planverfahren zu diskutieren und abzuwägen.

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