
Rheda-Wiedenbrück. Eine Regelung zur Handynutzung gab es am Ratsgymnasium in Rheda-Wiedenbrück im Kreis Gütersloh schon seit zehn Jahren. Doch hat sich seither viel getan bei Social Media. Darum wurden die Verbote und Gebote angepasst. „Wir wollen den Schulalltag entschleunigen“, sagt Moritz Beckmann, Schülersprecher.
Der 17-Jährige ist einer von den Jugendlichen, die Schulleiter Martin Zurwehme meint, wenn er von „sehr vielen, sehr vernünftigen und verantwortungsbewussten Schülern“ am Ratsgymnasium spricht. Gemeinsam habe die Schulgemeinschaft einen „pragmatischen Weg“ für das Handling mit dem Handy gefunden.
Die Initiative dafür kam aus dem Kollegium. „Wir sind mit unseren pädagogischen Mitteln an unsere Grenzen gestoßen“, berichtet Lehrer Sören Voss von Infokampagnen, Medienbildung und -scouts sowie Workshops. „Es hat sich eine riesige Welle aufgetan, der wir mit Prävention nicht mehr begegnen konnten“, sagt Zurwehme.
Social Media befeuert die Angst, etwas zu verpassen
Vor den Fachräumen hätten 90 Prozent einer Klasse das Smartphone in der Hand gehabt. Zu Unterrichtsbeginn hätten Schüler darauf gedrängt, „Candy Crush“ zu Ende zu spielen, um ihr Level nicht zu verlieren, berichtet Voss. Auf das Nein der Lehrer reagierten sie mit schlechter Laune.
Moritz, selbst Fahrschüler, berichtet von Busfahrten. Schrecklich findet er, dass Fünftklässler lieber auf ihren Handys spielen statt zu erzählen, was sie am Wochenende erlebt haben. Der 17-Jährige spricht über das Belohnungssystem in Social Media. „Der dauerhafte Dopaminfluss ist klug gemacht“, erzeugt aber auch „Fear of Missing Out“ (Angst, etwas zu verpassen). „Unser Hirn ist nicht für die Fülle von Informationen ausgelegt“, spricht Moritz von Stress.
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Der ist am Ratsgymnasium nicht mehr gewünscht. „Wir wollen Respekt und Kommunikation, wir wollen soziale Interaktion“, sagt der Schülersprecher. Natürlich biete das Smartphone unfassbar viele Chancen. „Aber im Unterricht sind wir nicht darauf angewiesen, auch nicht in den Pausen, uns ständig bespaßen zu lassen.“
Eltern im Kreis Gütersloh reagieren begeistert
Darum hat er in der Schulkonferenz mit Lehrern und Eltern für die neue Regelung gestimmt. Die Handynutzung ist für Fünft- bis Zehntklässler verboten. Smartphones dürfen sie nur noch nicht sicht- und hörbar dabei haben - für Notfälle. Bislang konnte Handys ab Klasse acht in den Pausen benutzt werden. Oberstufenschüler dürfen weiterhin außerhalb des Unterrichts, aber nur in der zweiten Etage des Neubaus und im oberen Glasgang. Diese Bereiche sind ihnen vorbehalten.

Nicht begeistert haben die Schüler erst auf das Handynutzungsverbot reagiert. „Viele haben mich gefragt, was ich denn da mitentschieden habe“, berichtet Moritz. Er habe die Gründe erklärt, viele konnten die nachvollziehen. Der Oberstufenschüler gesteht, dass er es leichter habe. „Aber ich versuche auch, die Handynutzung zu reduzieren - ich brauche das hier gar nicht und habe stattdessen wertvolle Gespräche.“
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Eltern hätten mit Hurra reagiert, erzählt Voss von großem Rückenwind, wohl auch darum, weil es vielen schwerfalle, bei der Handyregelung „im heimischen Kontext konsequent zu sein“. An der Einstellung der Eltern habe sich viel verändert. „Vor fünf Jahren haben sie bei der Anmeldung gefragt, ob ihr Kind ein Tablet kriegt, heute fragen sie, ob es etwa schon ein Tablet bekommt“, sagt Zurwehme.
Bei Regelverstoß müssen Handys abgegeben werden
Die neue Nutzungsordnung hätten inzwischen alle akzeptiert. Eltern fragten nicht mal eben nach, wie der Vokabeltest gelaufen ist, berichtet der Schulleiter. „Lehrer haben sich diszipliniert und ihre Gewohnheiten hinterfragt, weil ihnen ihre Vorbildfunktion bewusst ist“, sagt Voss. Ältere Schüler seien reflektiert, „sie beschäftigen sich mit ihrer mentalen Gesundheit“, meint Moritz. Auch bei den Jüngeren sei es „inzwischen kein Ding mehr, das Handyverbot wird Alltag“.
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Wer die Regelung missachtet, wird erst erinnert. Klappt es dann noch nicht, müssen Handys bis Schulschluss im Sekretariat abgegeben werden. „Vereinzelt kommen welche hier an, aber Diskussionen über die neue Regelung gibt es nur noch wenige“, sagt Zurwehme.