„Bin lieber im Laden“: 90-Jährige aus Kreis Gütersloh seit fast 50 Jahren selbstständig

Rheda-Wiedenbrück. Sie selbst wundert sich nicht, dass sie ihren Laden &bdquo;anno aktuell“ noch betreibt. Ihre Kundschaft schon. Überrascht aber ist Cäcilie Hanhardt, die Cilly genannt wird, &bdquo;dass ich schon so alt bin“. Am 23. April hat sie ihren 90. Geburtstag gefeiert. &bdquo;Mit dieser Zahl will ich eigentlich nichts zu tun haben“, gesteht sie. Hanhardt hängt an ihrem Laden. &bdquo;Ich komme jeden Tag mit größter Begeisterung.“ Den Weg &bdquo;marschiert“ sie von ihrer Wohnung mit einem Rollator, Zipperlein bleiben auch ihr nicht erspart. Wichtig ist ihr der Kontakt zu Menschen, den die Geschäftsfrau seit fast 50 Jahren als Geschäftsfrau schätzt und genießt. &bdquo;Ich will mitten im Geschehen bleiben“, sagt die kinderlose Witwe. Zu Hause sei es zwar auch schön, &bdquo;aber ich bin lieber hier im Laden“. Work-Life-Balance ist nicht ihr Ding. Ihre Lebenseinstellung ist eine ganz andere. &bdquo;Es geht nicht ohne Arbeit“, meint sie, auch weil sie schwerere Zeiten kommen sieht. Doch räumt Hanhardt ein, dass es wohl nicht in jedem Beruf erstrebenswert ist, lange zu arbeiten. Lesen Sie auch: Rente in weiter Ferne: 69-jähriger Gütersloher verkauft besondere Artikel aus dem Orient Selbstständige aus Kreis Gütersloh verzichtet auf moderne Technik Sie selbst liebt ihre Tätigkeit. &bdquo;Ich habe Spaß in meinem überschaubaren Laden“. Ob der ihr hilft, fit im Kopf zu bleiben, weiß die 90-Jährige nicht. Dazu beitragen kann die Tätigkeit schon, denn &bdquo;ich muss mich hier jeden Tag aufs Neue anstrengen“. Auf moderne Technik verzichtet sie. Da sei sie bockig, meint sie lächelnd. 1977 hat die gelernte Kauffrau, die auch sieben Jahre bei Miele gearbeitet und beim Aufbau des Motels an der Bielefelder Straße geholfen hat, &bdquo;anno aktuell“ gegründet. Damals waren schwere, westfälische Eichenmöbel in der ehemaligen Wirtschaft &bdquo;Domschenke“ an der Kirchstraße 1 (heute &bdquo;Neue Zeiten“) das Hauptgeschäft. Die 90-Jährige hat früh ihre Liebe zu Antiquitäten entdeckt. Geteilt hat sie die mit ihrem Mann, dem Architekten Karl-Heinz Hanhardt. &bdquo;Meine erste Anschaffung war ein alter Brotschrank“, sagt die gebürtige Paderbornerin, die mit ihrer Familie nach Gütersloh übersiedelte, als ihr Vater in Spexard Schulleiter wurde. Entdeckt hatte sie das Möbel bei einem Kohlehändler. &bdquo;Der wollte den Brotschrank nicht abgegeben, aber ich bin ihm so lange auf die Nerven gegangen, bis er sich das anders überlegt hat.“ Noch heute hat sie das gute Stück in ihrer Wohnung. Darüber hängt ein Koffer aus Holz, &bdquo;mit dem damals Handlungsreisende über Land zogen“. 90-Jährige ändert ihr Sortiment vor vielen Jahren In Sortiment hat die Geschäftsfrau seit 26 Jahren keine großen Möbel mehr. Da bekam sie den Tipp, dass der kleine Laden an der Langen Straße 35 frei wird. Ein Argument für den Umzug war für die damals 64-Jährige: &bdquo;Das kann ich im Alter auch noch machen.“ Seither verkauft sie Accessoires, Porzellan, Gläser, Karten, Bilder und Schmuck. &bdquo;Außer den wenigen Möbelstücken und mir ist hier nichts mehr antik“, sagt Hanhardt. Aber auf alt gemacht sind die hübschen Dinge schon. &bdquo;Früher war mehr anno, heute ist mehr aktuell.“ Auch die attraktive Lage an der Langen Straße spielte damals eine Rolle. Die Stadt hatte sich zur Landesgartenschau herausgeputzt. Die Fachwerkhäuser, auf die Wiedenbrück heute stolz ist, waren saniert worden. &bdquo;Als ich 1977 anfing, waren die attraktiveren Geschäfte in Rheda“, erinnert die 90-Jährige. Wiedenbrücks Innenstadt war eher trist und grau. Bürgermeister gratuliert ihr zu besonderem Titel &bdquo;Jetzt ist hier alles freundlich“, meint Hanhardt die guten Läden ringsum und den neu gestalteten Konrad-Adenauer-Platz. Zwar war sie wegen der Kosten erst gegen den Umbau. Doch heute meint sie, dass er sehr schön geworden ist und gut angenommen wird. Vor den Garagen an dem Platz hat sie ihren 90. Geburtstag gefeiert. Groß begehen wollte sie den Ehrentag nicht. &bdquo;Ich bin einfach wie immer ins Geschäft gegangen.“ Abends wurde mit den Nachbarn der Langen Straße gegrillt. Dafür sorgte Familie Liekenbrock, die nebenan ein Modegeschäft betreibt. &bdquo;Wir hatten bei dem Dämmerschoppen drei Stunden Spaß“, freut sich Hanhardt, dass noch alle von der kleinen Feier schwärmen. Sie selbst schätzt ihre &bdquo;wertvolle Nachbarschaft“. Will sie ein Bild aufhängen, helfen Liekenbrocks. Auch um die Blumenkübel vor ihrem Laden kümmern die sich wie selbstverständlich. &bdquo;Das ist super“, sagt Hanhardt.Gratuliert hat ihr auch Bürgermeister Theo Mettenborg als der &bdquo;ältesten aktiven Gewerbetreibenden der Stadt“. Kunden kommen zum Stöbern in den Kreis Gütersloh Es sei ihm eine große Freude, die Jubilarin aktiv und positiv zu erleben. Sie sei &bdquo;eine Bereicherung für unsere Innenstadt“, teilt Mettenborg mit. Viele Kunden kommen von auswärts. Jüngere interessieren sich für den Schmuck, mögen es individuell und nostalgisch. Lesen Sie auch: 100-Jähriger aus dem Kreis Gütersloh beeindruckt regelmäßig beim Tanzen Überwiegend aber betreten ältere Semester &bdquo;anno aktuell“. Viele sagen zu Hanhardt: &bdquo;Wir haben zwar alles, wollen aber mal gucken, ob Sie noch da sind - und kaufen dann doch etwas.“ Für die 90-Jährige kann das noch lange so weitergehen.

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