Das Kriegsende am Karfreitag 1945 in Wiedenbrück - zwei Historiker erinnern

Rheda-Wiedenbrück. Es ist ein &bdquo;hartes Thema“, das sich die Historiker Norbert Ellermann und Wilhelm Sprang an diesem Abend vorgenommen haben. Es geht um das Kriegsende 1945 in Wiedenbrück. Der aus St. Vit stammende Ellermann, im Hauptjob pädagogischer Mitarbeiter der Erinnerungs- und Begegnungsstätte Wewelsburg in Büren, und der gebürtige Osnabrücker Sprang, Vorsitzender des Heimatvereins Wiedenbrück Reckenberg, lassen vor rund 60 Zuhörern die Zeit und Ereignisse rund um Ostern 1945 noch einmal in Wort, Bild und Film lebendig werden. Es sind die Tage, als das Schicksal der damals fast 1.000-jährigen Stadt buchstäblich auf des Messers Schneide steht. Die Amerikaner haben soeben in Lippstadt, von Remagen und dem Niederrhein kommend, in zwei Zangengriffen das Ruhrgebiet als industrielles Herz des Deutschen Reiches umschlossen. Jetzt, es ist Karfreitag, der 30. März 1945, rücken ihre Panzerspitzen über die Autobahn aus Richtung St. Vit auf Wiedenbrück zu. Zeitzeuge Franz Loeser, damals neun Jahre jung, erinnert sich: &bdquo;Die Panzer kamen in der Nähe der Ringstraße - damals ein Feldweg - von der Autobahnböschung herunter. Die Soldaten winkten uns Kindern freundlich zu. Dann fuhr die Kolonne weiter Richtung Innenstadt.“ "Eine mutige Tat" Am Rhedaer Tor hatte zuvor ein Häuflein deutscher Soldaten unter dem Befehl eines Majors eine Stellung errichtet, um die Stadt zu verteidigen und die Angreifer abzuwehren. Hätten die Deutschen hier Widerstand geleistet, wäre die Stadt wohl mit unabsehbaren Folgen von den amerikanischen Panzern sturmreif geschossen werden. Dem Einsatz von drei couragierten Bürgern ist es jedoch zu verdanken, dass Wiedenbrück dieses Schicksal erspart bleibt. Die drei treten den deutschen Soldaten entgegen und fordern sie zum Abzug auf. Mit einem Fahrrad soll der Major daraufhin davongeradelt sein. Als Zeichen der Kapitulation war kurz zuvor am Turm der Aegidius-Kirche eine weiße Fahne gehisst worden. &bdquo;Eine mutige Tat. Die Noch-Machthaber hätten sie mit dem Tod bestrafen können“, so Ellermann. Militärisch spielt Wiedenbrück zu diesem Zeitpunkt keine große Rolle mehr. Zwar hat es leichtere Bombenangriffe auf die Firma Westfalia gegeben. Sie war in die Rüstungsproduktion eingebunden und fertigte für die Wehrmacht unter anderem den motorisierten &bdquo;Raketenwerfer 42“ auf Basis eines Opel Maultier. Doch anders als in der Nachbarstadt Gütersloh kommt es in Wiedenbrück nicht zu größeren Flächenbombardements. Dies liegt sicher auch daran, dass die in Lintel geplante Start- und Landebahn für den Messerschmidt Düsenjäger M 262 nicht mehr fertiggestellt wird. Noch im Februar 1945 ist damit begonnen worden, mit 1.500 Zwangsarbeitern nördlich des Postdamms eine 1.700 Meter lange und 50 Meter breite Flugbahn als Ersatz für den bombardierten Flugplatz Gütersloh anzulegen. "Es fehlt eine Legendentafel zur Erinnerung" Wie Sprang in der Chronik des Franziskanerklosters nachgelesen hat, verzeichnet Wiedenbrück für die Osterwoche 1945 insgesamt 25 Beerdigungen. Bis auf einen von russischen Zwangsarbeitern getöteten heimischen Bauern handelt es sich dabei ausschließlich um Auswärtige. Besonders tragisch ist das Schicksal einer Familie Brennecke. Die Mutter befindet sich mit ihren drei Töchtern an Bord eines ortsfremden Wehrmacht-Lkw, der den amerikanischen Truppen irrtümlich entgegenfährt und danach von diesen in Brand geschossen wird. Dabei kommen alle Familienangehörigen zu Tode. Auf dem Kriegsgräberfeld des Wiedenbrücker Friedhofes finden sie später neben anderen Opfern wie deutschen Wehrmachtsangehörigen, Fremdarbeitern und Soldaten aus der Sowjetunion ihre endgültige Ruhe. Hier mahnen sie seitdem die nachfolgenden Generationen zum Frieden. Ellermann: &bdquo;Was dort fehlt ist eine Legendentafel zur Erinnerung. Die würde ich gerne schreiben. Denn Frieden ist keine Selbstverständlichkeit. Kriege beginnen im Kopf, und dort müssen sie auch gestoppt werden.“ "Vor dem Mord kommt der Rufmord" Dass es in Wiedenbrück neben glühenden Anhängern der NS-Ideologie auch zarte Formen des Widerstands gegeben hat, ist eine von Sprangs Erkenntnissen, die er aus Recherchen und Gesprächen mit damaligen Zeitzeugen gewonnen hat. So findet sich in einer Balkeninschrift des Hauses Mönchmeier aus dem Renovierungsjahr 1942 – und damit noch vor der Katastrophe von Stalingrad – der Hinweis auf einen &bdquo;bösen Krieg“. Und die Anordnung des Regimes, Straßen nach NS-Größen zu benennen, wurde in Wiedenbrück so umgesetzt, dass mit der heutigen Ostenstraße die kürzeste Straße der Stadt in &bdquo;Horst-Wessel-Straße“ umbenannt wurde. Auch habe sich der Heimatverein erfolgreich dem Ansinnen widersetzt, aus der Langen Straße als Hauptstraße des Ortes die &bdquo;Adolf-Hitler-Straße“ zu machen, so Sprang. Stattdessen wurde der heutige Nordwall nach dem Führer benannt. In Rheda dagegen trug mit der heutigen Berliner Straße sehr wohl die wichtigste Straße der Stadt den Namen des Führers. Michael Duhme, Mitarbeiter im Tiefbauamt, wusste bei der VHS-Veranstaltung aus alten Aufzeichnungen zu berichten, dass der Rhedaer Teil der Ringstraße einst Hermann-Göring-Straße geheißen hatte. &bdquo;Inzwischen leben wir 77 Jahre in Frieden. Doch das ist – wie der Angriff auf die Ukraine zeigt – keine Selbstverständlichkeit“, meinte Sprang. Der Menschheit, so der Heimatvereinsvorsitzende, müsse es gelingen, dem Krieg ein Ende zu setzen. Andernfalls setze der Krieg der Menschheit ein Ende. Für Ellermann ist es wichtig, aus der Geschichte zu lernen. &bdquo;Hass hat immer eine Ursache. Vor dem Mord kommt der Rufmord. Einen Schneeball kann man noch stoppen, aber eine Lawine nicht mehr.“

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