"Dramatische Verluste": Stadt im Kreis Gütersloh in finanziellen Schwierigkeiten

Rheda-Wiedenbrück. Die Stadt steht "vor der schwierigsten Haushaltslage seit 13 Jahren", so Bürgermeister Theo Mettenborg. Bis zur Sommerpause sei der Verwaltungsvorstand noch guten Mutes gewesen. Doch dann hat Kämmerer Torsten Fischer Gespräche mit den Unternehmen geführt. Und da wurde klar, dass allein in diesem Jahr die Gewerbesteuererträge von geplanten 44 Millionen Euro auf 40,3 Millionen sinken. Mittelfristig erwartet Fischer allein für die Planungsjahre bis 2024 ein Minus von 12,8 Millionen Euro an Gewerbesteuer, bedingt auch durch die Corona-Pandemie. Die "Parameter der Haushaltsplanung bis 2025 haben sich wesentlich zum Negativen entwickelt", sagte der Kämmerer, der insgesamt Fehlbeträgen von 22,5 Millionen Euro erwartet. "Rechnerisch resultiert daraus ein vollständiger Verzehr der Ausgleichsrücklage." Lesen Sie auch: Zu wenig Sparwillen! Gütersloher Kämmerin platzt der Kragen Das bedeute: Die Stadt bekommt Schlüsselzuweisungen vom Land. "Bislang waren wir 10 Millionen Euro davon entfernt, auch nur 1 Euro zu bekommen", so Fischer. Wegen der angespannten Liquiditätslage rechnet er mit einer Kreditaufnahme der Stadt für 2022 bis 2025 von fast 29 Millionen Euro. Denn die Kosten steigen, beispielsweise für das Personal. So sind für das kommende Jahr 20 neue Stellen im Rathaus angedacht, für einen Personalaufwand von 1 Million Euro. "Dramatische Finanzverluste" Diese Zahlen präsentierte Fischer den Kommunalparlamentariern, statt des von ihnen erwarteten Haushaltsplanentwurfes. "Die Verschiebung des Zeitplanes ist eine Zumutung", räumte der Kämmerer ein. Das geschehe aber in Abstimmung mit dem Bürgermeister. Zwar erwarte die Politik zu recht Aussagen, wie die Verwaltung aus der Misere herauszukommen gedenke. "Dafür brauchen wir aber Zeit", sagte Fischer, der mit einer Einbringung des städtischen Etats im Dezember rechnet. Verabschiedet werde der Haushalt dann erst im nächsten Jahr. "Es ist schon bemerkenswert, wie leichtfüßig sich Herr Fischer über den einstimmigen Ratsbeschluss hinwegsetzt", sagte Patrick Büker, FDP. Beschlossen hatte das Kommunalparlament Eckwerte zur Haushaltsaufstellung. Die sollen langfristig die finanzielle Leistungsfähigkeit der Stadt sichern und sagen, dass "wir den rechtswidrigen Zustand nicht noch einmal akzeptieren". Der Haushalt müsse rechtzeitig eingebracht werden, betonte Büker. Den Ärger könne er annehmen, so Mettenborg. "Aber einen Haushalt bei dieser Finanzsituation einzubringen, wäre mir schwer gefallen", verwies er darauf, dass die Zahlen zu den "dramatischen Finanzverlusten" zu frisch seien. Der Haushaltsplanentwurf hätte auf inaktuellen Angaben gefußt. "Wichtige Maßnahmen zurückstellen" Während die anderen Ratsvertreter sich über das weitere Vorgehen äußerten, sagte Uwe Henkenjohann: "Dieses Papier ist der Hammer." Das müsse transparent werden, "weil es die Stadt berühren wird." Dass die Corona-Pandemie spürbare Zahlen hinterlasse, sollte niemanden wundern. Die Äußerungen Fischers zeigten aber, wie abhängig die Stadt vom Informationsfluss aus den heimischen Unternehmen sei. Um der Finanzkrise zu begegnen, "müssen wichtige Maßnahmen zurückgestellt werden - das darf die Öffentlichkeit ruhig wissen", so der CDU-Abgeordnete. Und erinnerte, dass in den vergangenen Monaten durch diverse Anträge Geschenke gemacht wurden, "die wir nicht mehr einhalten können". Damit die Politik entscheiden kann, wo der Rotstift angesetzt wird, will der Kämmerer Ende Oktober Zahlen vorlegen und Vorschläge unterbreiten. Darüber soll am 15. November beraten werden - in der ehemaligen Arbeitsgruppe "Haushalt der Zukunft", die Fischer nun "Haushaltskonsolidierung" nennt, in einer Sondersitzung des Rates oder im Haupt- und Finanzausschuss. Klar ist, "dass das ein sehr komplexer Prozess wird, bei dem sich jeder von Themen verabschieden muss - das wird so schwierig wie bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin", sagte Dirk Kursim, SPD.

Meistgelesen