Kritiker loben den Dialog mit Tönnies: "Wir stellen Transparenz her"

Rheda-Wiedenbrück. Die Verwaltung redet intensiv mit der Geschäftsleitung des Unternehmens Tönnies über die Arbeitsmigranten. Es geht um die Themen Wohnen und Arbeiten. Erörtert werde auch die Integration der Menschen aus Süd- und Osteuropa, sagte Georg Robra, Erster Beigeordneter, im Sozialausschuss. Alle drei Monate gebe es die Gespräche, über deren Inhalte die Bürgervertreter regelmäßig unterrichtet werden sollen. "Tönnies sucht eigeninitiativ den kooperativen Austausch mit der Verwaltung und der Politik", heißt es in der Vorlage für den Sozialausschuss. Das Unternehmen zeige "große Dialogbereitschaft", fordere dazu auf, kritische Fragen zu stellen und Hinweise zu geben. Die Verwaltung erinnert an Antworten, die zwei Mitglieder der Tönnies-Geschäftsführung dem Ausschuss Ende November gegeben haben. Werkverträge sind seit 1. Januar in Schlachtung und Zerlegung des Fleischwerks verboten, aber noch gestattet bei Reinigung, Technik und Bewachung. Direkt angestellt habe die Unternehmensgruppe rund 6.000 Mitarbeitende, die zuvor Verträge mit Subunternehmen hatten. Am Standort Rheda-Wiedenbrück seien es rund 3.500. Tönnies hat 269 Wohnobjekte angemietet Es gebe Verbesserungen beim Wohnen. "Tönnies hat Auswüchse in der Mietraumüberlassung erkannt und geht gezielt dagegen vor", so die Verwaltung. Es soll geeigneten Wohnraum zu normalen Preisen geben, weniger Menschen sollen auf mehr Fläche leben. Das Unternehmen habe 269 Wohnobjekte angemietet: 217 im Kreis Gütersloh und 52 im Kreis Warendorf. In Rheda-Wiedenbrück seien es aktuell 102 Objekte. Erworben habe Tönnies bislang zehn Grundstücke, sechs sind bebaut. Diese Häuser werden direkt genutzt oder umgebaut. Keines der Grundstücke liegt in Rheda-Wiedenbrück. Neubauten gebe es noch nicht, denn "Bauleitplanung und Genehmigungsverfahren nehmen viel Zeit in Anspruch". Einige Projekte seien geplant, aber noch keines spruchreif. "Diese Gespräche sind wichtig und wir stellen Transparenz in die Politik her", so Robra. Von Andreas Hahn, Grüne, bekam die Verwaltung dafür ein Kompliment. Das sei eine "klasse Idee". Sie versetze die Kommunalparlamentarier in die Lage, "Folgerungen zu ziehen und Handlungskonzepte zu entwickeln". Für Hahn gibt es bei Tönnies "ganz klar Fortschritte". Das würden die Grünen, die das Unternehmen "oft heftig kritisiert haben", anerkennen. "Auch woanders gibt es Werkvertragsarbeiter" Klar sei aber auch, dass Clemens Tönnies nach wie vor jede Schuld an der misslichen Lebens- und Arbeitssituation von Werkvertragsarbeitenden von sich weise. "Er sieht sich immer noch als ehrbarer Kaufmann", so Hahn. Geändert habe sich an der Lage für die Arbeitsmigranten nur etwas durch den öffentlichen Druck, "den auch wir vor Ort immer wieder aufgebaut haben". Jetzt gelte es, die Ankündigungen und Versprechen des Fleischunternehmens zu kontrollieren und einzufordern. Dazu gehöre es auch, mit Leuten zu sprechen, die Arbeitsmigranten begleiten, regte Volker Brüggenjürgen an. Der Grüne nannte Akteure des Projektes Faire Mobilität und der Caritas, die eine zusätzliche Perspektive bringen würden. "Denn noch haben wir hier nicht die schöne, heile Tönnies-Welt." Nicht nur auf das Fleischwerk sollte die Verwaltung ihre Gespräche beschränken, sagte Birgit Krimpmann, CDU. "Auch woanders gibt es Werkvertragsarbeiter." Die indes, so Robra, seien "nicht so deutlich zuzuordnen". Im Sommer hatte er informiert, dass 5.907 Südosteuropäer in Rheda-Wiedenbrück gemeldet waren, 4.664 von ihnen im arbeitsfähigen Alter. Zum Stichtag seien nach Unternehmensangaben im Fleischwerk 2.616 Mitarbeiter beschäftigt gewesen. Damit arbeiteten 2.629 der hier gemeldeten arbeitsfähigen Südosteuropäer nicht bei Tönnies. Weitere Aufschlüsse erhofft sich Robra vom Zensus 2022 des Bundesamtes für Statistik. Am 15. Mai nächsten Jahres werden alle Einwohner Deutschlands gezählt. Dann erfolgen nicht nur Stichproben, die hochgerechnet werden. Dann gibt es zudem eine Vollerhebung an Anschriften von Gemeinschaftsunterkünften. Die dort lebenden Menschen werden aufgesucht und befragt. "Damit übernimmt das Projekt Zensus 2022 genau die Vollerhebung, die hohe Kosten verursachen würde, wenn die Stadt sie in Eigenregie beauftragen würde", so Robra.

Meistgelesen