"Eigentliche Nazi-Architektur bekommt mehr Willkommensqualität"

Rheda-Wiedenbrück. Nationalsozialisten haben das Haus des Bauern 1936 errichtet. Mit ihrer Architektur wollten sie den Menschen zeigen, "wie klein sie sind und wie groß die Partei ist", sagt Frank Hurlbrink. Ende der 1950er Jahre wurde das Gebäude erweitert. Danach besuchten dort Jungen und Mädchen strikt voneinander getrennt die Landwirtschaftsschule. Anfang November bezieht die Caritas das Ende der 1990er Jahre unter Denkmalschutz gestellte Haus und macht es zu einem Ort der Begegnung. Sie hat bei der Planung des Umbaus "stets den Menschen in den Mittelpunkt gestellt", so der Architekt. Die Immobilie hat der Caritasverband 2015 von der Landwirtschaftskammer NRW gekauft. Der Wohlfahrtsverband wollte sie eigentlich zwei Jahre später beziehen. Mit dem barrierefreien Umbau wurden Hurlbrink und sein Mitarbeiter André Liscioch beauftragt, weil sie "erfahren sind in der behutsamen Entwicklung denkmalgeschützter Gebäude", sagt Caritas-Vorstand Volker Brüggenjürgen. Das Haus sei in sehr gutem Zustand, "anders als Baudenkmäler sonst", so Hurlbrink. Vieles im Inneren werde bewahrt: Fenster werden energetisch ertüchtigt, Holzböden aufgeschliffen, Heizkörper und Holztüren bewahrt. "In der Feinabstimmung war es manchmal nervig" Bislang waren die Gebäudeteile innen getrennt, nun nicht mehr. Außen gab es drei Eingänge, im Haus führten zwei Treppen ins Obergeschoss. Geschaffen haben die Architekten auch eine Brücke in der ersten Etage als Verbindung. Sie führt über den künftigen Haupteingang im mittleren Gebäude zu beiden Flügelbauten. Das hell und freundlich gestaltete Entree, über dem ein Glasfenster von Willi Repke eingebaut wird, bekommt einen Aufzug. Von außen bleibt das Haus des Bauern fast unverändert, auch der Schriftzug wird erhalten. Bevor die Handwerker in dem Haus anrückten, in dem bis 2018 das Kreisarchiv beheimatet war, stimmten sich die Architekten mannigfaltig mit der Stadt und der Unteren Denkmalbehörde ab. Auch der Gestaltungsbeirat wurde immer wieder gefragt. "In der Phase der Feinabstimmung war es manchmal nervig", gesteht Brüggenjürgen. Bei all den erforderlichen Abstimmungen "nicht immer gut gelaunt gewesen zu sein", sagt Hurlbrink. "Gerade, wenn nebenan ein Schüttladen aus der Retorte vor die Tür gestellt wird", meint der den Discounter Lidl. Beide sind sich indes einig, dass sich durch die vielen Debatten "das Haus weiter entwickelt hat". Keine weiteren Angaben zur Höhe der Investitionen Denn so entstand der Clou: ein gläserner Multifunktionsraum seitlich des Haupteingangs. Die Idee lieferte Stephan Pfeffer, technischer Beigeordneter. "So bekommt die eigentliche Nazi-Architektur mehr Willkommensqualität, wird offener und luftiger", meint Brüggenjürgen. Diese Verbindung von innen und außen hole das Gebäude in die Jetztzeit, ergänzt Hurlbrink. Entstehen wird die Konstruktion erst in der Zukunft, im Frühling, wenn die Bauarbeiten abgeschlossen werden. Fertig gestellt ist der alte Trakt. Dort konzentriert die Caritas ab November ihre Beratungsangebote für Familien. Folgen werden das Stadtfamilienzentrum, die Familienberatungsstelle, die Fachstelle für Suchtvorbeugung und weitere Dienste. 40 Mitarbeitende des Wohlfahrtsverbandes werden die sozialen Dienstleistungen auf 1.250 Quadratmetern Nutzfläche erbringen. Brüggenjürgen rechnet mit künftig 10.000 Nutzern des Angebotes. "Es ist ein Quantensprung für unsere Arbeit, wenn alle unter einem Dach zusammenwirken." Die Immobilie an der Bergstraße hat 400 Quadratmeter für 15 Arbeitsplätze. Verkauft hat die Caritas bereits das Haus, das sie vor 20 Jahren bezogen hatte, an die Stadt "für eine soziale Nachfolgenutzung". Zur Höhe der Investition - vor fünf Jahren sprach er von 900.000 Euro - wollte der Caritas-Vorstand aktuell nichts sagen. Finanzielle Unterstützung kommt von der Stiftung Wohlfahrtspflege NRW und der Aktion Mensch. Von der Stadt gibt es kein Geld. "Wir haben das gut durchgerechnet und es ist sinnvoller, gebraucht als neu zu bauen", so Brüggenjürgen. Bürgermeister Theo Mettenborg begrüßt, dass das Haus des Bauern in "gute, helfende Hände kommt". Er stellte in Aussicht, dass die Kommune davor einen kleinen Spielplatz finanzieren werde.

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