Probleme durch Tönnies-Schließung - eine Schweinemästerin gibt Einblicke

Rheda-Wiedenbrück. Das Trippeln von 74 kleinen Schweinefüßen erschallt, als Cornelia Langreck die Tür zum Ferkelstall öffnet. Wahrscheinlich, weil ihnen die Besucher – noch dazu mit Fotokamera – erst einmal befremdlich erscheinen. Bald schon weicht jedoch die Scheu der Neugier. Die drei Monate alten Tiere beschnuppern und inspizieren, wer da in ihren Stall spaziert kommt. Cornelia Langreck ist Vorsitzende der Landfrauen im Kreis Gütersloh und setzt sich in dieser Funktion viel für Nachhaltigkeit und gesunde Ernährung ein. Sie und ihre Familie betreiben auch einen konventionellen Schweinemastbetrieb in Nord-Rheda im Nebenerwerb. 1.400 Schweine halten sie auf dem Hof, nur einen Steinwurf vom Schlachtbetrieb Tönnies entfernt. &bdquo;Meine Schweine nimmt mir Tönnies noch ab, sie werden an einem anderen Standort geschlachtet", sagt Langreck. Das sei so, weil sie zu einer Erzeugergemeinschaft von rund 50 Bauern aus dem Kreis Gütersloh gehöre, die Vertragspartner der Firma Tönnies sind. &bdquo;Da kann man nicht einfach das Licht ausmachen" Viele andere Landwirte hätten diese Möglichkeit aber nicht, betont Langreck. Und die Produktionskette sei eng getaktet. &bdquo;Auch die Züchter geraten in Probleme, weil die Mastbetriebe ihnen die Ferkel nicht mehr abnehmen", sagt sie. Tiere, die jetzt geboren werden, sind vor knapp vier Monaten gezeugt worden. &bdquo;Da kann man nicht einfach das Licht ausmachen", betont Cornelia Langreck. Der Mastbetrieb nimmt die Jungtiere im Alter von drei Monaten auf. Bei Langreck kommen sie zuerst in eine Art Kinderstube im ersten Stallgebäude. Wenn sie älter sind, ziehen sie in den zweiten, größeren Neubau um. Dabei bleiben sie in den gleichen Gruppen, um das soziale Gefüge zwischen den Schweinen nicht zu stören. Dabei brauchen sie mit der Zeit auch immer mehr Platz, denn nur in drei Monaten wachsen die niedlichen Jungtiere zu Kolossen von mehr als 100 Kilogramm an. Auch Spielzeug bekommen die Tiere Wie groß der Unterschied ist, wird klar, als Langreck die Tür zu den ältesten unter ihren Schweinen öffnet. Was bei den Kleinen ein Trippeln war, gleicht hier einem Donnern, als sich die Tiere in Bewegung setzen. Neugierig sind sie aber noch mindestens genauso wie ihre jüngeren Artgenossen. Viele schnuppern an Langrecks Händen, als sie durchgeht und nachschaut, wie es ihnen geht. In dem Raum sind zwei Gruppen mit je 37 Tieren untergebracht. Der Stall hat große Fenster, er wirkt dadurch sehr hell. Das Platzangebot entspreche dem Tierwohlprogramm, an dem sie teilnimmt, erklärt Langreck. Auch Spielzeug bekommen die Tiere bereit gestellt. Dass sich ihre Schweine wohlfühlen, sei ihr sehr wichtig, meint die Landfrau. Sie oder ihre Söhne gingen zwei Mal am Tag durch die Ställe, schauen, dass alle gesund sind und genug Futter und Wasser haben. Die Ställe sind klimatisiert. &bdquo;Es geht meinen Tieren gut", betont sie. &bdquo;Da wird dann oftmals von ,Qualzucht gesprochen" Oftmals werde von Tierschützern nur ein Bild von konventioneller Tierhaltung vermittelt, das in vielen Fällen nicht der Realität entspreche. &bdquo;Da wird dann oftmals von ,Qualzucht gesprochen." Dass dieses Bild so existiert, dafür seien aber auch die Landwirte zum Teil selbst mitverantwortlich: &bdquo;Wir haben unsere Hoftore viel zu lange verschlossen." Natürlich hätten sie innerhalb der Familie auch schon einmal darüber nachgedacht, den Tieren mit einem Auslauf an der frischen Luft noch mehr zu bieten. Doch das sei, allein schon wegen der Nähe zu den Nachbarn an ihrem Standort, nicht möglich. Und ob sich die Investitionskosten für so ein Vorhaben auch rechnen würden, sei mehr als unsicher. Langreck: Das Tierwohlprogramm bringt etwas mehr ein Auf den Preis, den sie für ein Schwein bekommt, hat die Landwirtin kaum einen Einfluss. Am meisten bekommt sie für die Tiere, wenn sie ein optimales Schlachtgewicht haben. Das liegt bei 119 Kilogramm und ist etwa im Alter von sechs Monaten erreicht. &bdquo;Dann passen die Gewichte der Bestandteile in Relation recht gut zusammen", erklärt Langreck. Abweichungen vom Idealgewicht führen zu einem Punkteabzug und damit zu einem niedrigeren Verkaufspreis. Der Preis selbst werde zwischen den Schlachtkonzernen und den großen Abnehmern, den Discounter- und Supermarktketten ausgehandelt, erklärt Langreck. Lediglich das Tierwohlprogramm bringt ihr etwas mehr ein. Im Schnitt bekomme sie für ein 100 Kilogramm schweres Schwein 160 Euro. &bdquo;Nach Abzug aller Kosten bleibt da pro Schwein nicht viel übrig." Müsste Fleisch also einfach mehr kosten? &bdquo;Es ist wichtig, dass es auch ein Angebot günstiger Lebensmittel gibt", sagt die Landfrau. Unter anderem deshalb sei auch eine flächendeckende Umstellung auf Bio-Landwirtschaft keine Lösung: &bdquo;Nicht jeder kann sich Bio leisten. Ganz abgesehen davon, dass ich nicht daran glaube, dass wir die gesamte Bevölkerung nur mit biologischer Landwirtschaft satt bekommen." Sie betont aber auch, dass eine höhere Wertschätzung für Lebensmittel – nicht nur für Fleisch – durchaus wünschenswert wäre. Und sie macht eine Aussage, die für eine Schweinemästerin erst einmal überrascht: &bdquo;Schon allein aus Nachhaltigkeits- und Klimaschutzgründen sollten wir deutlich weniger Fleisch essen", meint sie. &bdquo;Natürlich muss die Bevölkerung geschützt werden" Das helfe aber alles in der aktuellen Situation wenig. Je länger mit Tönnies einer der größten Abnehmer von Schlachttieren geschlossen sei, umso enger werde es in den Mastbetrieben und auch bei den Züchtern. Langreck sagt, ihr fehle in der Debatte das Verständnis für die akute Situation der Landwirte und klare Kante von Landrat Sven-Georg Adenauer. &bdquo;Natürlich muss die Bevölkerung geschützt werden. Wir sind ja auch Bewohner des Kreises und auf diesen Schutz angewiesen", betont sie. &bdquo;Und natürlich muss Tönnies etwas ändern." Gerade in Sachen Werkvertragsarbeiter müssten auch politisch Maßnahmen ergriffen werden. &bdquo;Das gilt aber auch für andere Branchen", fügt sie hinzu. Wenn aber Hygiene und der Infektionsschutz gewährleistet seien, müsse der Betrieb kurzfristig wieder anlaufen. Nur so sei eine Lösung des akuten Problems möglich. &bdquo;Dann können wir über die Zukunft verhandeln", betont sie. Ob das die Art und Weise sei, wie Landwirtschaft betrieben werde, oder wie viel Lebensmittel den Verbrauchern wirklich wert sind: &bdquo;Das muss in der Gesellschaft ausdiskutiert werden."

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