Wie es ein junger Bauer schafft, das Grundwasser zu schonen

Rheda-Wiedenbrück. Wenn Stefan Vogelsang mit Trecker und Güllefass über seine Äcker saust, steuert viel Technik und Knowhow die Ausbringung des natürlichen Düngers. Vorn an der Gabel hat Vogelsang vier Fühlersonden montiert, die den Stickstoffgehalt in der Pflanze messen. Hinten am Güllefass steuert ein weiterer Sensor die Menge, die auf das Feld ausgebracht wird. Dazwischen errechnet ein Steuergerät den Bedarf. Ziel ist es, weniger Gülle auszubringen, weniger Stickstoff in den Boden zu geben und auch mit weniger Pflanzenschutzmitteln zu arbeiten. &bdquo;Und trotzdem soll der Ertrag der gleiche bleiben", erklärt Vogelsang das Ziel. Seit sechs Jahren arbeitet der 33-jährige Rheda-Wiedenbrücker innerhalb eines NRW-Förderprogramms an dieser Optimierung. Hinter seinem Hof in Lintel hat er eine Musterfläche angelegt, auf der zentimetergenau mit Düngung und Pflanzenschutz gearbeitet wird. Heute wird im Bauausschuss ein Antrag der Grünen zur Nitratreduzierung in der Landwirtschaft erörtert Weniger Dünger und Pflanzenschutz, gleicher Ertrag 31 Modellbetriebe wie der von Vogelsang gibt es in NRW. 26 davon betreiben konventionelle Landwirtschaft, fünf sind Öko-Betriebe. Vogelsang mit seinen 160 Hektar Ackerbau zählt zu den konventionellen. 180 Milchkühe, 120 Sauen und 1.000 Mastschweine hat der junge Landwirt, der die Betriebsleitung des Hofes 2017 von seinem Vater übernommen hat, zu versorgen. Das Futter für die Tiere kommt fast ausschließlich von den Flächen. Mit weniger Düngung und Pflanzenschutz den gleichen Ertrag beizubehalten, ist ein sportliches Ziel. Steigern könne man den Ertrag ohnehin nicht mehr, sagen der Landwirt, Ulrich Bultmann (Landwirtschaftskammer Gütersloh, Warendorf, Münster) und Matthias Koch (Landwirtschaftskammer Detmold, Arnsberg) übereinstimmend, als sie das Projekt während eines Ortstermins gemeinsam vorstellen. Den Dünger bedarfsgerecht an die Pflanzen bekommen Koch, der das Projekt mit den 31 Modellbetrieben betreut, erklärt, dass aufgrund weit auseinanderliegender Brunnenbohrungen Nitratbelastungen im Land kartiert sind. Oberhalb von 50 mg Nitrat pro Liter Grundwasser ist die Karte rot. Lintel hat in dieser Karte auch rote Stellen, aber die nächste Brunnenmessung sei weit entfernt, daher nicht ganz aussagekräftig, erläutern die Fachleute. Gleichwohl sagen sie, sei die Nitratbelastung im Linteler Sandboden ein wichtiges Thema. &bdquo;Gülle ist ein guter Dünger, er ist gut für die Bodenfruchtbarkeit", erklärt Stefan Vogelsang. &bdquo;Er passt perfekt in den Kreislauf." Mineraldünger gelte da aufgrund der hohen Nitratanteile als problematischer. Schwierig sei es für den Landwirt, den Dünger bedarfsgerecht an die Pflanze zu bekommen. Das erledigt bei Vogelsang die Technik. Alle vier Wochen Bodenproben Die Anschaffungen schlugen mit mehreren zehntausend Euro zu Buche, sagt der junge Landwirt. Mittels der Sonden wird der Chlorophyllgehalt der Pflanzen während der Fahrt gemessen und umgerechnet. Die Grünfärbung der Blätter gebe Auskunft darüber, wie gut die Pflanze mit Stickstoff versorgt ist, erklärt Vogelsang. Auf seinem Handy kann er die letzten Düngevorgänge für die einzelnen Probefelder abrufen. Vieles in Sachen EDV macht er selbst. &bdquo;IT ist ein Hobby von mir", sagt er. Alle vier Wochen lässt der Landwirt Bodenproben nehmen. Einmal im Jahr wird eine Tiefenbohrung bis in die Kiesschicht in 17 Metern Tiefe vorgenommen, um nachzuweisen, wie sich die Nährstoffe in untere Bodenschichten verlagern. Nitrat sei durch Überdüngung für zahlreiche Landwirte zu einem Problem geworden, erklärt Vogelsang. Wetterumschwünge und extreme Trockenheit Die genauen Düngemengen im Frühjahr abzuschätzen, sei allerdings schwierig, zumal die Wetterumschwünge mit extremer Trockenheit der letzten drei Jahre die Anforderungen an den Boden laufend veränderten. Mit den Demofeldern soll deshalb eine Feldforschung betrieben werden. &bdquo;Wir wollen Tendenzen herausfinden", sagt Matthias Koch. Düngemengen, Bodenart und Ertrag werden standortgenau dokumentiert. &bdquo;Wir sind gläsern", sagt Vogelsang. Mit dem Modellprojekt wolle man einerseits eine Leuchtwirkung erzielen, die zudem positiv abstrahlt auf den Beruf des Landwirts. Andererseits wolle man die Effizienz erhöhen. &bdquo;Wir müssen der Gesetzgebung folgen und den Landwirten neue Wege aufzeigen", sagt Koch. Denn diese Erkenntnis ist längst allen klar: Es werde für Landwirte immer teurer, ressourcenschonend zu wirtschaften. Gerade das sei aber das Ziel. &bdquo;Dazu benötigen wir innovative Techniken", sagt Koch. "Früher wurde mit der Gießkanne gedüngt" &bdquo;Präzisionslandwirtschaft" nennen die Fachleute ihre Arbeit auf dem zehn Hektar großen Getreidefeld. Sie sehen darin die Zukunft. Alle Vorgänge können dank GPS genau zurückverfolgt werden. &bdquo;Früher wurde mit der Gießkanne gedüngt, heute zielbezogen", sagt Vogelsang. 120 Kilogramm Gülle pro Hektar lautet sein Zielwert. Dass Vogelsang auf seinem Demoacker verschiedene Bodenarten antrifft und beackert, mache den Linteler Betrieb für das Projekt besonders interessant, sagt Matthias Koch. Die Bundesregierung macht andererseits Druck, sagt der Fachmann. Er braucht die Modellbetriebe, um neue Erkenntnisse zu bekommen. Die Düngeverordnung ist strenger geworden. Ab 2021 dürfen die roten Flächen nur noch mit 20 Prozent weniger gedüngt werden. Aber da wollen sie ohnehin raus, wie es Koch am Ende ganz simpel erklärt: &bdquo;Unser Ziel ist es, aus den rot kartierten Flächen grüne zu machen."

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