Rheda-Wiedenbrück

Was dieser Mann aus alten Rädern macht

Der Wiedenbrücker Ingo Berhorst restauriert in seiner Werkstatt mit viel Handarbeit und Liebe alte Räder. Warum so mancher bereit ist, viel Geld fürs alte Blech auszugeben.

In seinem Laden „Living Classics" an der Mönchstraße in Wiedenbrück restauriert Ingo Berhorst historische Fahrräder, darunter auch viele Produkte aus dem Hause Miele. | © Richard Zelenka

Richard Zelenka
22.07.2019 | 23.07.2019, 14:52

Rheda-Wiedenbrück. Altes für die Nachwelt erhalten – und das möglichst im Originalzustand. Dieses Lebenscredo begleitet Ingo Berhorst von den Kindesbeinen an. Der 45-Jährige liebt alte Möbel. Er lebt in einem historischen Fachwerkhaus in der Langen Straße im Herzen von Wiedenbrück. Doch die wahre Leidenschaft des gelernten Schreiners und Restaurators sind Fahrräder von anno dazumal.

Mit viel Herzblut, handwerklichem Können, Geduld und Liebe zum Detail sorgt Berhorst dafür, dass aus verrosteten und defekten Oldtimern wieder voll funktionsfähige Fahrräder werden. In seiner Werkstatt „Living Classics" an der Mönchstraße 20, nur einen Steinwurf vom altehrenwürdigen Wiedenbrücker Kloster entfernt, erwacht unter seinen Händen altes Blech zum neuen Leben.

Miele verkaufte zwei Millionen Fahrräder

„Es ist mir wichtig, dass bei der Restaurierung nur Originalteile verwendet werden. Alles andere macht für mich keinen Sinn", sagt der passionierte Schrauber, der seinem großen Hobby im Nebenerwerb nachgeht. Denn der 45-jährige Wiedenbrücker arbeitet an fünf Tagen in der Woche bei einem heimischen Unternehmen als Inneneinrichter. Nur jeweils montags und an manchen Abenden erwacht der etwa 200 Quadratmeter große Laden zum Leben.

Berhorst hat mit dem Zählen längst aufgehört, er schätzt aber, dass in den Schaufenstern, an den Wänden, im Verkaufsraum und in der Werkstatt von „Living Classics" mittlerweile mehr als 120 historische Fahrräder auf den Kunden oder auf die Instandsetzung warten.

Einst glorreiche Markennamen wie Hercules, Dürkopp, NSU, Adler oder Wanderer lassen die Herzen eines jeden Oldtimerfans oder -sammlers höher schlagen.

Blickfang: Auch von dem Laden „Living Classics“werden viele historische Fahrräder zum Anfassen präsentiert. - © Richard Zelenka
Blickfang: Auch von dem Laden „Living Classics“werden viele historische Fahrräder zum Anfassen präsentiert. | © Richard Zelenka

Vor allem Produkte aus der heimischen Region sind an der Mönchstraße zu bewundern und zu erwerben. Dazu gehört eine Vielzahl von Velos aus der Produktion des Gütersloher Hausgerätespezialisten Miele. Was viele nicht wissen: Miele war früher ein sehr erfolgreicher Fahrradhersteller, der zwischen 1916 und 1960 rund zwei Millionen Fahrräder auslieferte. Aber auch längt vergessene Marken wie das einst in Paderborn gebaute Tripad sowie Originalräder aus der Wiedenbrücker Manufaktur Carl Ottens („Cowi"), über Jahrzehnte an der Langen Straße angesiedelt, sind unter den Exponaten zu finden. Das älteste Exemplar bei „Living Classics" ist ein Hochrad von 1883.

Authentizität ist das Wichtigste

Für Ingo Berhorst hat Authentizität die oberste Priorität. Als „historisch" gelten für ihn ausschließlich Fahrräder, die bis in die 60er Jahre gebaut wurden. Viele der Ausstellungsstücke stammen aus den 30er, 40er und 50 Jahren.

Ein Kapitel für sich ist die Beschaffung von Ersatzteilen. Denn in Frage kommen für den Tüftler nur Originalteile, die zum jeweiligen Rad gehören. Jede Minute seiner knappen Freizeit verbringt Ingo Berhorst mit der Fahndung nach gut erhaltenen Rahmen, Ketten, Lenkern und anderen Komponenten, die seine Arbeit erst möglich machen.

Im Internet und gut vernetzten Fachkreisen wird er immer wieder fündig. Rund um historische Fahrräder ist inzwischen ein reger Markt entstanden. Das treibt die Preise in die Höhe. Da werden für eine Originalklingel oder einen alten Ledersattel schon mal mehr als 150 Euro fällig. Für den Wiedenbrücker ist das gut investiertes Geld – die von ihm in unzähligen Stunden neu lackierten, verchromten und linierten alten Schätze finden reißenden Absatz. „Es läuft erstaunlich gut", wundert sich der 45-Jährige.

In seinem Laden hat Berhorst, der bis auf ein fünfjähriges berufliches Intermezzo in Spanien sein ganzen Leben der Heimatstadt treu blieb, in fast fünf Jahren eine Oase der Fahrrad-Nostalgie geschaffen. Kernstück und Blickfang von „Living Classics" ist die Einrichtung eines kurz nach dem 2. Weltkrieg im Westerwald eröffneten Fahrradgeschäftes, die der Schrauber komplett übernahm und in seinen Laden in der Mönchstraße integrierte.

Die lange Verkaufstheke sowie die rustikalen Schränke und Regale bieten viel Platz für die Fülle an Originalzubehör und -werkzeug, das der Wiedenbrücker in alle diesen Jahren zusammentrug. „Jeder Hersteller verwendete seine eigene Teile. Deswegen ist ein gut sortiertes Ersatzteillager wie bares Geld für mich", so Berhorst.