
Rheda-Wiedenbrück. Wir importieren schlichtes Mineralwasser aus Italien oder Frankreich, fliegen Nordseekrabben zum Pulen nach Marokko und wieder zurück oder gönnen uns täglich einen Becher Joghurt, dessen Verpackung und Bestandteile zuvor per Lastwagen durch halb Europa transportiert wurden.
Das sind drei Beispiele aus der Lebensmittelbranche, die eines verbindet: Lange Transportwege mit hohem CO2-Ausstoß und damit eine verheerende Öko-Bilanz. Einen ganz anderen, umweltfreundlicheren Weg haben die Münsteraner Initiatoren der so genannten Schokofahrt eingeschlagen.
Öko-Schokolade per Muskelkraft und Lastenrad hergeschafft
Sie haben bislang schon zweimal bewiesen, dass die Strecke der Kakaobohne vom Erzeuger bis zum Käufer auch weitestgehend emissionsfrei zurückgelegt werden kann. Ein wichtiges Bindeglied in der Kette vom Kakaobauern in der Karibik bis zum Verbraucher in Deutschland ist der Rheda-Wiedenbrücker Moritz Ritschel. Zusammen mit anderen Fahrradenthusiasten aus seinem damaligen Wohnort Aachen organisierte er 2018 zwei 600-Kilometer-Touren, um die in einer Amsterdamer Manufaktur produzierte Öko-Schokolade per Muskelkraft und Lastenrad in die Kaiserstadt zu schaffen.
Der junge Familienvater, der zu Jahresbeginn mit Frau und 19 Monate alter Tochter wieder in seine Geburtsstadt Rheda-Wiedenbrück zurückgekehrt ist, kann sich auch gut eine "Schokofahrt" mit "Start- und Zielpunkt Rheda-Wiedenbrück" vorstellen. "Vier bis fünf Tage mit dem Fahrrad unterwegs sein, um 400 Tafeln Schokolade zu transportieren - das ist zwar unwirtschaftlich, aber dennoch eine supercoole Sache", sagt er.
"Radurlaub mit Sinn"
Es ginge primär darum zu zeigen, dass mit dem Fahrrad so etwas möglich ist. Obendrein mache es großen Spaß und man treffe unterwegs und am Ziel in Amsterdam auf viele interessante Menschen. "Das ist einfach Radurlaub mit Sinn - zumal mit jeder verkauften Schokolade ein ökologisches Projekt in der Welt unterstützt wird." Zudem lenke die Aktion das Interesse der Öffentlichkeit verstärkt auf das Leben ohne Automobil.
An dem Projekt "Schokofahrt" beteiligen sich inzwischen Initiativen aus mehr als 35 Städten in Deutschland und Österreich. Sie alle organisieren (Lasten-)Radtouren von ihren Heimatkommunen nach Amsterdam. In der niederländischen Hauptstadt werden die mit einem Lastensegler emissionsfrei über den Atlantik verschifften Kakaobohnen zu Tafeln mit wahlweise 40- oder 75-prozentigem Kakaoanteil verarbeitet.
Ist ein Leben ohne eigenes Auto möglich?
Abnehmer der Schokolade in den Heimatorten der Transporteure sind meist kleine Cafés oder Bio-, Welt- und Hofläden mit ökologischer Ausrichtung. Für Moritz Ritschel, Ehefrau Nicole, geborene Göller, und Töchterchen Frieda ist das Fahrrad übrigens Verkehrsmittel Nummer eins. Seit sich der 30-jährige Tischlermeister und Produktdesigner und die gleichaltrige Physikerin vor zwei Jahren in Aachen von ihrem Auto getrennt haben, waren sie dort ausschließlich mit dem öffentlichen Personennahverkehr und ihren beiden Lastenrädern unterwegs.
Ob ein Leben ohne (eigenes) Auto auch in der ostwestfälischen Provinz möglich ist, das testet die Familie gerade. Frieda, die demnächst ein Geschwisterchen bekommt, fühlt sich jedenfalls pudelwohl im Stauraum der beiden Lastenräder.