Wegen Corona-Quarantäne in Harsewinkel - Kontaktpersonen erleben Odyssee

Harsewinkel. Nach zweiwöchiger Corona-Odyssee seiner Familie über Weihnachten und Jahresanfang führt Richard K. (Name geändert) im Rückblick eine lange Liste von Ungereimtheiten, Widersprüchen und vergeblichen Kontaktversuchen auf. Und wachsenden Zweifeln, ob die Verantwortlichen im Gesundheitssystem nach nun 22 Monaten im Corona-Ausnahmezustand dazugelernt haben. Richard K., der lieber anonym bleiben möchte, ist kein Coronaleugner, Impfgegner oder Weltverschwörungstheoretiker. Der mitten im Leben stehende, berufstätige Familienvater hat selbst seine zwei Impfungen vor Monaten erhalten und sich lange vor Weihnachten boostern lassen.Es geht in dieser Geschichte auch nur mittelbar um ihn. Betroffen sind an jenem ominösen Tag vor Heiligabend erst mal seine Frau und seine Tochter. Beide erhalten am 23. Dezember mittags einen Anruf vom Gesundheitsamt, das bei seiner Nachverfolgung eines Coronafalls auf die beiden gestoßen ist. Die Frau verlässt sofort den Arbeitsplatz, die Tochter kommt direkt vom Einkaufsbummel nach Hause."Wir haben uns gefragt, was wir jetzt machen müssen" &bdquo;Wir haben uns natürlich gefragt, was wir jetzt machen müssen“, erklärt der Familienvater, der sich einen Tag vor Heiligabend bereits im Weihnachtsurlaub befindet. &bdquo;Brauchen wir sofort einen Test?“ &bdquo;Für wen gilt Quarantäne?“ &bdquo;Müssen wir selbst mögliche Kontakte melden?“ Drängende Fragen, auf die er erst mal keine Antwort weiß. &bdquo;Ich habe natürlich seit Monaten die Berichterstattung in den Medien verfolgt. Aber in dem Moment eigener Betroffenheit kommt dann doch gleich die Verunsicherung, was jetzt eigentlich aktuell gilt“, sagt er.Der schnelle Anruf eines Mitarbeiters des Gesundheitsamts gibt der Familie zunächst Entwarnung. &bdquo;Nein, Frau und Tochter müssen keinen PCR-Eingangstest machen“, bekommen die Harsewinkeler am Telefon beschieden. Dieser Test sei nur zum Ende der insgesamt zwölf Tage währenden Quarantäne nötig. Dieser könne maximal 48 Stunden vor Ablauf dieser Frist abgegeben werden.Und der Vater? Der gilt nicht mal als erste Kontaktperson, für ihn gibt es keine Einschränkungen, erfährt er im selben Telefonat – und wundert sich darüber. &bdquo;Ich hatte vorsichtshalber alle Termine, Verabredungen abgesagt, das hätte ich nicht mal machen müssen“, erzählt er. Für K. ist es in der Situation trotzdem logisch, möglichst Kontakte zu meiden.Nun ist doch ein Eingangstest erforderlich Die Verunsicherung kommt zurück, als er kurz danach die E-Mail vom Gesundheitsamt mit dem Corona-Infoblatt zu Verhaltensmaßnahmen erhält. Ein fett gedruckter Satz fällt ihm ins Auge: Zu Beginn der Quarantäne sei ein PCR-Test unbedingt erforderlich. &bdquo;Also doch“, denkt K. und wird langsam sauer. &bdquo;Wir sind die Laien, die die Profis – wie kommt es da zu so einer Fehlinformation?“, fragt er sich.Am Heiligabend versucht er, für alle drei einen Testtermin zu finden. Klappert telefonisch Arztpraxen ab, versucht es über das Internet und das Testzentrum Versmold – keine Chance. &bdquo;Uns wurde immer wieder gesagt, dass die Labore über die Feiertage nicht arbeiten würden.“"Am besten wohnen Sie im Keller" Am ersten Weihnachtsfeiertag – die Familie hat es sich zu dritt kommod gemacht – klingelt es an der Tür. Ein &bdquo;sehr netter Mensch“ vom Ordnungsamt macht seinen Kontrollbesuch: Ehefrau Sophie und die Tochter sind zuhause? Alles in Ordnung. Der Mann vom Amt weiß gut Bescheid und staunt über die Aussage von Richard K., dass laut Gesundheitsamt angeblich kein Eingangstest nötig sei. &bdquo;Am besten wohnen Sie im Keller“, rät der Kontrollbesucher nur halb im Scherz dem verdutzten Vater. Auf Deutsch: Dieser solle Abstand halten. Mit Erinnerung und Hinweis auf den obligatorisch benötigten Eingangstest verabschiedet sich der freundliche städtische Ratgeber.Vater, Mutter, Kind wählen mit Dauer-Wahlwiederholung zeitgleich die Nummer an Am 25. Dezember ist die Hotline des Gesundheitsamtes nicht im Einsatz. Also probiert es K. am 26. wieder. &bdquo;Die Hotline war dauerbesetzt“, erzählt er, wie Vater, Mutter, Kind mit Dauer-Wahlwiederholung gleichzeitig die Nummer anwählen, um die Chance auf Kontakt zu erhöhen.Immerhin bleibt die heiß laufende Nummer bis 14 Uhr offen. Irgendwann kommen sie dann doch durch. Hier folgt die Bestätigung, dass sie Eingangs- und Ausgangstest brauchen. Die Mitarbeiterin informiert das Mobile Testteam, dass die Familie getestet werden müsse. Aus dessen Zentrale erfolgt der ernüchternde Rückruf: Nach Hause komme dieses nicht, weil es keine Termine mehr frei habe. K. soll sich selbst kümmern. Sophie K. recherchiert, dass in Schloß Holte eine Teststation im Einsatz sei. Am ersten Weihnachtstag hin und zurück anderthalb Stunden im Auto, um auf Verdacht einen Test zu machen? Familie K. lehnt ab. "Das ist ein Sonntag. Da arbeiten wir nicht" Am 27. Dezember ruft das Gesundheitsamt wieder an. Das Mobile Testteam gibt den Termin für den Ausgangstest durch: 2. Januar. Am 29. ruft Sophie sicherheitshalber noch mal an, um sich den Termin – der 2. Januar ist ein Sonntag – bestätigen zu lassen. Ihre dunkle Ahnung trügt nicht: &bdquo;Das ist ein Sonntag. Da arbeiten wir nicht“, heißt es jetzt.&bdquo;Mir fehlt da die klare Struktur“, kritisiert Richard K., er fühle sich alleine gelassen. Auch, dass er die Kosten von 130 Euro für beide PCR-Tests vorstrecken soll, um sie sich von seiner Krankenkasse zurückzuholen, findet er nicht richtig. &bdquo;Schließlich sind meine Frau und meine Tochter zu den Tests aufgefordert worden“, argumentiert er. Testergebnisse sind da: "negativ" Erst am 27. Dezember funktioniert es schließlich mit dem Eingangstest bei einem der Harsewinkeler Hausärzte, die zwischen den Feiertagen ihre Praxen öffnen. Am selben Tag schaut ein Mitarbeiter der Stadt wieder nach dem Rechten: alles okay. Am Dienstag, 28. Dezember, trifft auch schon der Brief der Stadt Harsewinkel ein. &bdquo;Ihre Quarantäne beginnt am 23. Dezember und dauert einschließlich bis zum 3. Januar“, steht darin. Auch die Testergebnisse sind inzwischen da: &bdquo;negativ“. Erleichterung.Die Ergebnisse leitet K. sofort ans Gesundheitsamt weiter. &bdquo;Eigentlich vier Tage zu spät, aber wir hatten vorher ja keine Chance“, sagt er. Dass über Weihnachten im zweiten Corona-Jahr solche Verzögerungen passieren, kann er nicht nachvollziehen. &bdquo;Dauernd wird uns gesagt, wie gefährlich die Omikron-Variante ist. Da erwarte ich, dass da rund um die Uhr gearbeitet wird. Offensichtlich ist die Pandemie über Weihnachten plötzlich dann doch nicht schlimm genug“, flüchtet sich der verärgerte Harsewinkeler in Sarkasmus.Testergebnis kommt vier Tage zu spät beim Amt an Der nächste Anruf vom Gesundheitsamt, der K. fassungslos macht, folgt am selben Tag auf dem Handy der Tochter. Ein Mitarbeiter fragt allen Ernstes nach, warum sie sich denn bereits habe testen lassen, wo sie doch noch bis zum 3. Januar in Quarantäne bleiben müsse. &bdquo;Das geht so nicht“, bekommt die verdutzte 16-Jährige zu hören. &bdquo;Der wusste nicht mal, dass es sich bei dem vorliegenden Ergebnis erst um den Eingangstest handelt“, erklärt der Harsewinkeler. Er zweifelt an, ob da im Digitalzeitalter alles mit rechten Dingen zugeht.Für Familie K. wird es zeitlich eng. Denn Ehefrau Sophie soll am 5. Januar unbedingt wieder bei der Arbeit erscheinen. Dazu muss sie den negativen PCR-Ausgangstest vorlegen. Die Befürchtung ist die Familie erst am Dienstag, 4. Januar, los: Die Ergebnisse sind da – beide wieder negativ. Damit haben sie das wohl ungewöhnlichste Jahresende ihres Lebens hinter sich.

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