Gerry Weber im Kreis Gütersloh löst Chefin ab: Wechsel dürfte Mitarbeiter verunsichern

Halle. Angelika Schindler-Obenhaus bleibt sich auch in dieser für sie so schwierigen Situation treu. In einer dreiteiligen Videobotschaft richtet sie sich an ihre große Follower-Gemeinde bei Instagram und bedankt sich für den Zuspruch nach ihrem Aus als Vorstandsvorsitzende beim Haller Modekonzern Gerry Weber. Was die scheidende Chefin des Unternehmens ausmacht: Auch hier zeigt sie sich offen und gibt einen Einblick in ihr Seelenleben. Ein allzu lässiger Post in einer schweren Phase des Unternehmens mitsamt verkündetem Stellenabbau hatte der 61-jährigen Managerin vor einigen Monaten deutliche Kritik eingebracht. Die Posts und auch die eine oder andere Rechtfertigung waren später von ihrem Account verschwunden. Doch was man der Frau, die aufgrund ihrer Reichweite (70.000 Follower) durchaus eine Influencerin ist, zugute halten muss: Sie versteckte sich auch anschließend nicht. Und so schimmert in diesem Statement durch, was das vorzeitige Aus als CEO mit ihr gemacht hat: Denn sie bedankt sich nicht nur für die aufmunternden Worte, sondern explizit auch für die "fassungslosen Nachrichten" und bekennt: "Natürlich wühlt so etwas auf." Denn auch wenn die Entscheidung sich angedeutet habe, bleibe es dabei, dass sie viel Herzblut in die Aufgabe eingebracht habe. Schindler-Obenhaus hätte gerne weitergemacht Das Ganze gipfelt darin, das Schindler-Obenhaus bekennt, sich den vielfachen Zuspruch für "stille Momente" aufzubewahren, in denen es ihr "nicht so gut" gehe. Keine Frage: Hier nimmt jemand seinen Abschied, der gerne noch weitergemacht hätte. Und vor diesem Hintergrund mutet die im üblichen Duktus gehaltene Pressemitteilung des Konzerns zur Trennung natürlich wie eine Farce an: "Wertvolle Beiträge" habe Schindler-Obenhaus zur Weiterentwicklung des Unternehmens geleistet, und man habe "Einigkeit" erzielt, die Zusammenarbeit vorzeitig zu beenden. Der Vertrag von Angelika Schindler-Obenhaus wäre noch bis August 2024 gelaufen. Mit der bisherigen CEO hat das Unternehmen erneut ein Insolvenzverfahren angestoßen, die massive Verkleinerung des Filialnetzes und den Stellenabbau beschlossen und schließlich auch die neue Finanzierungsstruktur präsentiert. Trotzdem muss sie wenige Monate vor Vertragsende gehen. Und erneut wird in Dirk Reichert ein bisheriger Sanierer zum starken Mann gemacht. Das dürfte in der Belegschaft des seit Jahren ums Überleben kämpfenden Konzerns für Verunsicherung sorgen. Denn wenn doch alle wesentlichen Schritte der Restrukturierung umgesetzt sind und das Licht am Ende des Tunnels schon sichtbar wird: Warum wechselt Gerry Weber dann an der Spitze? Ist die Lage aktuell doch so dramatisch und das Vertrauen in die bisherige Chefin so gering, dass jetzt ganz schnell umgesteuert werden muss? Bitterer Beigeschmack für Gerry-Weber-Mitarbeitende Oder wurden die wesentlichen Entscheidungen im Unternehmen schon seit geraumer Zeit an anderer Stelle getroffen und man hat Angelika Schindler-Obenhaus gar nicht zugetraut, die Restrukturierung des Konzerns zu schaffen? Das wiederum dürfte bei manchem Mitarbeitenden ebenso einen bitteren Beigeschmack erzeugen: Denn seit knapp drei Jahren agierte hier eine Chefin nach außen sehr präsent, offensiv, stieß Veränderungen hin zu einem moderneren Unternehmen mit flexibleren Arbeitszeitmodellen an. Wer von diesem Kurs begeistert war, könnte sich jetzt getäuscht fühlen. Unterm Strich verliert Gerry Weber in Angelika Schindler-Obenhaus ein Gesicht. Nach all den Sanierern und Sanierungsjahren stand hier eine Frau an der Spitze, die wahrnehmbar war, die dem Konzern ein Image verpasst hat. Und die mit ihren 70.000 Followern eine maßgebliche Reichweite in den sozialen Medien aufzuweisen hatte. Dass die Unternehmensspitze jetzt bereit ist, das aufzugeben, ist ein deutliches Signal. Und womöglich wieder bange Monate für die Belegschaft.

Meistgelesen