Gütersloh muss Kasernen-Pläne plötzlich aufgeben – daran festzuhalten, ist zwecklos

Gütersloh. Wer noch Zweifel hatte, der Angriff Putins auf die Ukraine gehe ihn nichts an, dem ist sowieso nicht zu helfen. Doch nun wirkt sich die Zeitenwende auch auf Themen wie Stadtentwicklung aus. Gütersloh muss Pläne begraben, an denen es jahrelang gewerkelt hat. Die neue geopolitische Lage hat sie obsolet gemacht. Die Princess-Royal-Kaserne an der Marienfelder Straße, die Mansergh-Kaserne an der Verler Straße, die vielen Bima-Wohnungen: Ab sofort hat das Verteidigungsministerium den Daumen drauf. Auf all diese Liegenschaften hat es ein Etikett geklebt: Unverkäuflich! Nicht abzugeben! Auf unbestimmte Zeit! Dagegen zu Felde zu ziehen, ist zwecklos. Die Bundeswehr ist wie alle Bündnispartner ans Truppenstatut der Nato gebunden. Es lautet: Zum Schutz der eigenen Territorien hat militärische Nutzung stets Vorrang. Alle anderen Interessen haben sich hintanzustellen. US-Army erkundet Gütersloher Terrain Bei der Flugplatzkaserne, auf die das US-Militär sein Auge geworfen hat, haben sich Gütersloh und seine Gewerbepartner Harsewinkel und Herzebrock-Clarholz schon murrend mit ihrer Zuschauerrolle abgefunden. Mindestens sieben Mal haben die Vertreter der Army das Terrain mittlerweile erkundet, nicht nur den alten Flugplatz, sondern auch die Soldatenunterkünfte. Wer dennoch stur am Vorhaben festhält, dort in absehbarer Zeit Industrie ansiedeln zu wollen, verschwendet Gehirnschmalz. Es wäre sinnvoller, Alternativen zu klären: in Sürenheide beispielsweise oder in der Windflöte. Welche Kaserne taugt für eine Wiedernutzung? Ähnlich stellt sich die Situation nun auch bei der Mansergh-Kaserne dar: Sie ist für städtische Planung verloren. Verteidigungsminister Pistorius hat vor, die Bundeswehr stark zu vergrößern. Mehr Rekruten brauchen mehr Liegenschaften. Also wird geprüft. Jede einzelne Kaserne nimmt der Bund unter die Lupe: Taugt sie für den Ausbau? Taugt sie für die Wiedernutzung? Wer weiß, wie lange diese Prüfung dauert. Und wer weiß, ob der Verteidigungsminister selbst im Fall, er würde Mansergh vorerst nicht brauchen, nicht doch gerne eine Reserve vorhält? Am 7. Oktober sagte Pistorius in einer Pressekonferenz, die Konversion sämtlicher Liegenschaften, ihre zivile Umnutzung also, werde gestoppt. Wörtlich: &bdquo;Es müssen auch Kasernen reaktiviert werden. Wir können in diesen Zeiten nicht auf bestimmte Liegenschaften verzichten.“ Die Kommunen sollten bedenken, dass Garnisonen auch ein Antreiber für die heimische Wirtschaft seien. 1.000 Wohnungen sollten auf dem Mansergh-Areal entstehen Angesichts der aktuellen Lage und solcher Äußerungen wäre es naiv zu hoffen, dass Gütersloh seine Pläne für Mansergh alsbald wieder aufnehmen kann. Das Wohn- und Bildungsquartier, das der Stadt vorschwebte, ist perdu. Was ihr bleibt, ist lediglich, die Pläne zu konservieren, sie auf Eis zu legen – um im Falle des Auftauens das herauszupicken, was noch zur Umsetzung taugt. Für den Kampf gegen die Wohnungsnot ist das bitter. Die 1.000 Wohnungen, die auf Mansergh entstehen sollten, hätten gut getan. Stadt und Politik sollten nun schleunigst ihre Bemühungen verstärken, woanders Wohngebiete auszuweisen – und dort, wo schon Baurecht besteht, auf Umsetzung drängen. Denn: Es gibt allzu viele Menschen, die lieber spekulieren und abwarten als bauen. Würde die Stadt nach dem Erteilen einer Baugenehmigung Fristen setzen, hätte das ein Ende. Besserer Standort für Hochschule in Gütersloh gefunden Dass sich wegen Putin auch die Fachhochschule genötigt sieht, ihre Pläne zu ändern, macht hingegen nichts. Als neuen Dauerstandort für ihren &bdquo;Campus Gütersloh“ hat sie die alte Post auserkoren. Dieser Ort – nah am Bahnhof, mitten in der Innenstadt – ist ohnehin besser geeignet als der draußen bei Mansergh. Die hiesigen Einzelhändler fanden das immer schon. Mehr dazu: Hochschule Bielefeld zieht mit Campus Gütersloh um An der Verler Straße wären die Studenten – aktuell sind es 671 – abgeschieden, verinselt gewesen. Die meisten wären wohl mit dem Auto gekommen, hätten sich in ihre Seminare gesetzt, wären wieder nach Hause gefahren. An der Kaiserstraße hingegen stecken sie im prallen Geschehen. Sie können mit Bahn und Bus anreisen, die Innenstadt beleben. Die Hochschule bekommt auf dem Postgelände nicht nur die Chance, ihre beiden Standorte vom Langen Weg (Gleis 13) und von der Schulstraße (Flöttmann) zu bündeln, sie wird sich auch fortentwickeln können. Weitere englischsprachige Studiengänge hat sie bereits in der Pipeline, ein Angebot, das extrem gut ankommt und dazu führen wird, die Zahl der Studierenden steigen zu lassen. Unternehmen wie Miele, Beckhoff und Co. sind zufrieden Den Firmen wie Beckhoff, Claas und Miele gefällt’s. Sie können Nachwuchsfachkräfte an sich binden, die international ausgerichtet sind, die sie dringend brauchen. In Gütersloh werden die dual Studierenden einen Campus vorfinden, den ihnen das Investorenduo Hagedorn/ Borchard passend baut. Dass ein Campus schick ist, Modernität ausstrahlt, ist keineswegs banal: Auch Hochschulen stehen im Wettbewerb. Für die Stadtentwicklung ist die Entscheidung der Hochschule ein Segen. Endlich Klarheit. Fast fühlt es sich an, als sei ein Knoten durchschlagen. Das Verfahren für die Bebauung des Postareals kann anlaufen, jene für den Bahnhofsplatz und für den ZOB könnten folgen. Trotz der Erkenntnis, dass Diktatoren imstande sind, über das Primat des Militärs selbst im fernen Gütersloh Stadtplanungen über den Haufen zu werfen, trotz des Drucks, andere Flächen für Wohnungen und Firmen finden zu müssen: Das immerhin ist eine gute Nachricht.

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