
Gütersloh. Was ist am Ende des Lebens medizinisch noch sinnvoll? Wie kann man sicherstellen, dass Entscheidungen dem Willen von Patienten gerecht werden? Angehörige sind oft mit ethischen Fragestellungen konfrontiert, für die es außerhalb von Krankenhäusern keine Ansprechpartner gibt. Ab sofort bietet der Hospiz- und Palliativ-Verein Gütersloh e.V.. Menschen, die mit herausfordernden Entscheidungen am Lebensende konfrontiert sind, Unterstützung durch eine ambulante Ethikberatung an – als erstes außerklinisches Angebot dieser Art im Kreis Gütersloh.
Patienten, Angehörige und Fachkräfte finden hier künftig Angebote für strukturierte ethische Orientierung und Unterstützung in der Entscheidungsfindung, unter anderem in Form von ethischen Fallbesprechungen.
„Die Zahl der komplexen Situationen am Lebensende steigt – unter anderem bedingt durch den demografischen Wandel und den medizinischen Fortschritt – und damit auch der Bedarf an Unterstützung bei schwierigen ethischen Entscheidungen“, erklärt Evelyn Braune, Vorstandsvorsitzende des Hospiz- und Palliativ-Vereins Gütersloh e.V.
Lücke im Kreis Gütersloh wird jetzt gefüllt
„Im klinischen Bereich gibt es bereits beratende Ethik-Komitees – für ethische Fragen außerhalb der Institutionen hatten wir bisher im Kreis Gütersloh eine Lücke, die unser Angebot nun füllen möchte.“ Für die Ethikberatung hat sich ein Team von 14 Personen gefunden quer durch alle Professionen, darunter Mediziner, Sozialarbeiter, Psychologen, Therapeuten und vieles andere. Den Vorsitz des Leitungsteams Ethikberatung übernimmt Maria Eißing.
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Die Gütersloherin ist Fachärztin für Gynäkologie und arbeitet seit vielen Jahren in der Psychotherapie mit Krebspatienten. Sie kennt die Fragestellungen von Schwerstkranken und deren Angehörigen: Welche medizinische Maßnahme soll ich machen, was darf ich lassen? „Wir sehen unsere Aufgabe darin, die Situation zu klären, wir moderieren den Entscheidungsprozess“, sagt Maria Eißing.
Damit das gelingt, wird der Hausarzt eingebunden, aber auch das Pflegepersonal, Physiotherapeuten und natürlich Angehörige. Das Ergebnis? Offen. „Vielen Menschen werden mühsamste Therapien auferlegt, aber keiner stellt dabei die Frage, ob der Patient das noch möchte.“ Evelyn Braune war selbst viele Jahre auf der Palliativstation der Gütersloher Klinik und kennt die Fragestellungen von Menschen am Lebensende. „Manchmal ist Lebensqualität wichtiger als Lebenszeit“, aber für diese Erkenntnis braucht es in der Regel Unterstützung, vor allem dann, wenn der Patient keine Verfügung erlassen hat und selbst seinen Willen nicht mehr äußern kann.
Beispiel Pflegeheim: „Wenn die Mutter nach einem schweren Schlaganfall im Pflegeheim mit einer Magensonde ernährt werden muss und keine Chance auf Heilung besteht, fühlen sich Angehörige oft hilflos“, die Medizinerinnen Braune und Eißing wissen aus Erfahrung, dass der Zustand sich nicht ändert, denn die Magensonde zu entfernen, bedeutet nichts anderes, als den Tod der Mutter herbeizuführen.
Wann die Beratung in Gütersloh stattfindet
Darf man das? „Wenn dies genau ihr mutmaßlicher Wille ist und darüber hinaus keinerlei Besserung der Lebenssituation besteht, dann kann die ambulante Ethikberatung mithilfe der professionellen Gespräche eine Klärung für Angehörige und Ärzte herbeiführen“, so Braune. In der Folge könnte die Behandlung verändert werden in dem Bewusstsein, den Patienten würdevoll gehenzulassen.
Kein leichter Schritt. „Es ist wichtig, die Dinge ehrlich zu benennen“, findet Maria Eißing. Viele Ärzte seien inzwischen verschreckt durch Klageandrohungen. „Aber wir sprechen hier nicht von Tötung, sondern Befolgung von Patientenwillen.“
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Die Beratung kann ab sofort in Anspruch genommen werden. Sie erfolgt in Zweier- oder Dreierteams und kostet einmalig 200 Euro. „Wir glauben, der Beratungsbedarf ist hoch“, so Maria Eißing.
Auftaktveranstaltung der neuen ambulanten Ethikberatung ist am Mittwoch, 24. September, um 19 Uhr in der Hospiz- und Palliativ-Akademie Gütersloh, Winkelstraße 1 in Gütersloh. An diesem Abend stellt sich das Team vor und erklärt in welchen Fällen unterstützt wird und wie ethische Fallbesprechungen ablaufen. Ein Eröffnungsvortrag wird von Professor Fred Salomon gehalten, Initiator der Mobilen Ethikberatung in Lippe.