Mit vielen Fotos: Riesige Bilder verwandeln Gütersloher Innenstadt in Freiluft-Galerie

Gütersloh. Dieses Kunstprojekt lässt Gütersloh zu einer Freiluft-Galerie werden und macht auch als Entdeckungsreise Spaß. 22 Paste-Ups kleben ab sofort an Fassaden, größtenteils solchen in der Innenstadt. Die großformatigen Abbildungen verdichten Stadtgeschichte mit Menschen und Gegenständen aus der Vergangenheit - und verbinden sie geschickt, einfallsreich und humorvoll mit der Gegenwart. Maria Vill und David Mannstein, die beiden Künstler, erklärten ihre Werke auf einer ersten Führung entlang von neun Stationen. Im Gefolge rund 70 Interessierte. Keine abgehobene, sondern nahbare Kunst für jeden ist es, die da an den Fassaden der City prangt. Ein gelungener Coup im Rahmen des Stadtjubiläums, wenngleich nur von begrenzter Dauer - so viel steht schon mal fest. Mehr dazu: Besondere Hingucker in der Gütersloher Innenstadt ziehen gerade alle Blicke auf sich &bdquo;So etwas hat Gütersloh noch nicht gesehen“, ordnet Lilian Wohnhas, Kulturkoordinatorin, die Freiluftausstellung ein. Vor allen Dingen hat man Gütersloh so noch nicht gesehen. Und mit der ersten Führung wurde spätestens klar, warum Kulturdezernent Andreas Kimpel, nachdem er dieses Kunstkonzept Anfang 2023 in Oelde gesehen hatte, unbedingt auch in Gütersloh realisieren lassen wollte: Jedes Paste-Up spiegelt auf unterschiedlichste Art und Weise einen Aspekt unserer Stadtgeschichte wider. Das ist spannend, erklärend und lustig zugleich und lässt den urbanen Kunstgang selbst für Kulturmuffel zu einem bereichernden Erlebnis werden. Monatelang in die Archive und Geschichtsbücher vertieft Die Künstlerführung startet am Backstein-Gemäuer des Stadtmuseums mit einer Collage: die Turnerin als Sinnbild für die einst großen Turnfeste in dieser Stadt; der Webstuhl als Reminiszenz an die heimische Textilindustrie; die Frau im Bademantel, natürlich im Frottier von Vossen; der Bücherstapel der Bertelsmann-Lexika; der preußische König Friedrich-Wilhelm IV, der 1852 das Stifts-Gymnasium einweihte; die Hausfrau mit einem Staubsauger der Marke Miele – alles Motive, die Geschichten dieser Stadt erzählen. Doch halt, warum ein Staubsauger und keine Waschmaschine? &bdquo;Das werden wir oft gefragt“, sagt Maria Vill. Die Antwort sei einfach: &bdquo;Meine Eltern hatten genau dieses abgebildete Modell.“ Direkt neben dem Sauger, man muss schon genauer hinsehen, ist übrigens noch die Abbildung eines Meteoriten zu sehen, jenes Weltallbrockens, der am 17. April 1851 in Kattenstroth einschlug. &bdquo;Durch die Begegnung berühren sich humorvoll, tiefgründig Himmel und Erde“, so die Künstlerin. Vill und Mannstein sind ein international renommiertes, in Berlin ansässiges Duo. Wochen-, nein monatelang haben sie sich in Gütersloher Stadtgeschichte vertieft, haben Akten bei Julia Kuklik im Stadtarchiv gewälzt, Gespräche mit Franz Jungbluth vom Heimatverein geführt. Sie haben es auf Mehrdeutigkeiten, die sich in einem Motiv verdichten lassen, abgesehen. Das kann auch eine Frage des Standortes beinhalten: zum Beispiel an der Gebäudeecke von C&A. Ein Spiel mit Architektur, Größenverhältnissen und Perspektive. Erwischt man den richtigen Blickwinkel, klettert ein Junge den Fernmeldeturm im Hintergrund hoch. &bdquo;Den Turm selber durften wir leider nicht bekleben“, bedauert Mannstein. Ein Pferd an der Deutschen Bank? Auch das hat seine Gründe Am Konfirmandenhaus an der Kirchstraße, Heimstatt des Knabenchores, singt ein Junge im Duett mit einer Nachtigall: Gleich nebenan, in der Kreismusikschule, ziert ein Bilderrätsel die riesige Hauswand: Wer alle Musiker und Instrumente richtig zuordnet, bekommt ein Lösungswort heraus und kann einen Preis gewinnen. Nur ein paar Meter weiter, auf der anderen Giebelseite, ist ein junger Geiger zu sehen, Teil eines Gemäldes, das unlängst bei Aufräumarbeiten auftauchte. Direkt gegenüber, an der Wand der Tanzschule, das Tänzerpaar Helga und Gerd Weissenberg in ihrer besten Zeit, anmutig, elegant, erfolgreich. Lesen Sie auch: Irritation um neue Hingucker in Güterslohs Innenstadt – Kritik an den Kosten Weiter geht der Rundgang, einmal ums Eck zum Stohlmannplatz und zur Fassade der Deutschen Bank. Was sehen wir da? Ein Pferd, ein reinrassiger Westfale. Warum das? Weil unten in Knöchelhöhe – ob es jemals ein Passant bemerkt hat? – noch immer kleine Metallringe hängen, an denen einst die Besucher des Hauses ihr Pferd anbinden konnten. Wahrlich, es sind verblüffende Geschichten, die das Künstlerpaar in historischer Akribie zu Tage beförderte und in Kunst übersetzte. Weiter geht’s, nun zur Fassade des Filmwerk-Kinos am ZOB. Dort ist ein ganz anderes Sujet, eine andere Szene zu entdecken. Während alle Welt rätselt, wer nach Daniel Craig den nächsten James Bond verkörpern wird, bekommen die Gütersloher eine Ahnung, wie er aussähe, würde die KI ihn kreieren; diese Figur, eine Synthese aus allen Bond-Darstellern, wird abgebildet, wie sie Sven Gehse, den Geschäftsführer des Kinos, verfolgt, warum auch immer. In der Gütersloher Innenstadt gibt es viel zu entdecken Wo man nun noch überall hinschlendern könnte: zur Stadtbibliothek etwa, zur Stadthalle oder zu zig anderen Orten. Motto und Aufruf lauten: Augen aufhalten! Es gibt was zu entdecken! Der Hingucker unter den 22 Orten ist freilich das riesige Porträt der Gütersloher Friedensaktivistin Sabine Gramlich (1913-2004), zu sehen an der Fassade der Volksbank. Detlef Güthenke hat es einst geschossen, es war ein Teil seiner Diplomarbeit. Lesen Sie auch: Gütersloh wird 200 Jahre alt - aber es mangelt an Zukunftsvisionen Güthenke erzählt, wie aufgeregt Gramlich beim Shooting war und er kaum minder. Erst das Auflegen von Musik, Bach oder Liszt mag es gewesen sein, beruhigte beide sowie die Übereinkunft, sie möge bloß nicht in die Kamera blicken. Das Bild zeigt Gramlich als alte Frau, es korrespondiert mit spielenden Kindern aus den 1950er Jahren auf der gegenüber liegenden Rückwand der &bdquo;Alex“-Gastronomie. Es sind auch Spannungsbögen wie diese, die das Projekt so sehenswert machen.

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