Außergewöhnlicher Moment im Kreis Gütersloh – Karneval rührt plötzlich zu Tränen

Rietberg. Zugegeben: Ich habe mich am Donnerstag in Rietberg und Stukenbrock öfter umgeschaut als sonst. Zumindest zu Beginn der Feierlichkeiten kann ich mein leicht mulmiges Gefühl, ob der Tausenden Menschen nicht leugnen. Zu präsent sind die jüngsten Anschläge. Wie sicher ist der Karneval 2025 wirklich noch? Schon als kleines Mädchen stand ich mit roter Perücke als Pippi Langstrumpf oder mit Trillerpfeife und Roter Karte als Schiedsrichter Markus Merk voller Vorfreude an der Rathausstraße. Mit Tausenden anderen Kindern habe ich damals eifrig Kamelle in meinen Jutebeutel gestopft und die bunten Kostüme bestaunt. Später, als ich älter war, habe ich mich mit Freunden in das Party-Getümmel geschmissen. Unbeschwert war das. Und leicht. Sorgen? Hatte ich damals ehrlich gesagt nur bei der Frage, wie wir am Abend aus Rietberg wieder nach Hause kommen. Karneval berührt anders als je zuvor Heute ist es anders. Die Sorgen sind anders – und größer. Ich bin mittlerweile nicht mehr privat, sondern beruflich in den Karnevalshochburgen unterwegs. Trotzdem mittendrin im Trubel der Masse. Aber nicht so unbeschwert wie damals. Gedanken wie &bdquo;hoffentlich passiert nichts“ schleichen sich immer wieder ein. Zumindest bei mir. Umso überraschter war ich deshalb über die ausschließlich fröhliche Stimmung sowohl in Rietberg als auch am Vormittag in Stukenbrock. Menschen so glücklich, ausgelassen und leichtherzig zu sehen in einer Zeit, die sich aktuell politisch und gesellschaftlich alles andere als unbeschwert anfühlt – das hat mich bewegt und mitgerissen. Nicht nur der Terror-Gefahr wurde hier getrotzt. Auch Personen, die vor der gerade erst überstandenen Bundestagswahl vielleicht noch gestritten haben, feierten plötzlich wieder zusammen. Karneval verbindet. Ich bin ohnehin nah am Wasser gebaut. Ich kann gut mal ein Tränchen verdrücken. Und dafür braucht es nicht unbedingt einen schnulzigen Liebesfilm. Das hat mir der Donnerstag wieder bewiesen. Karneval hat mich in diesem Jahr anders berührt als je zuvor. Die Freude der Jecken war ansteckend. Es wirkte fast so, als wollten sie der Welt aus dem Kreis Gütersloh hinaus zeigen: Jetzt erst recht! Die schönsten Fotos und Videos: Liveblog zum Karneval im Kreis Gütersloh Sicherheitsmaßnahmen spürbar verschärft Beide Kommunen hatten die Sicherheitsvorkehrungen im Vorfeld noch mal verschärft. Sperrungen mit Betonklötzen und Fahrzeugen, mehr Polizei- und Ordnungskräfte, erweiterte Personenkontrollen und Überprüfung des Messerverbots. In Rietberg inspizierten Sicherheitsmitarbeiter beispielsweise vor Einlass in die Feierzone die Taschen der Jecken; in Stukenbrock blockierte ein Lkw die Einfahrt zur großen Bühne. Dass all diese Maßnahmen vor Ort spürbar waren, hat der Stimmung keinen Abbruch getan. Im Gegenteil: Es hat vielleicht sogar geholfen, die Leichtigkeit der fünften Jahreszeit zu bewahren. NRW-Innenminister Herbert Reul hat recht: &bdquo;Gehen Sie raus!“ &bdquo;Gehen Sie raus“, hat auch Herbert Reul in diesen Tagen appelliert. Von aktiven Drohungen sollten sich die Jecken nicht beirren lassen, so der NRW-Innenminister. &bdquo;Feiern Sie Karneval und genießen Sie die jecken Tage! Wir dürfen uns von diesen Typen unsere Art zu leben nicht kaputtmachen lassen.“ Ja, er hat recht. Aber niemand hat gesagt, dass das einfach wird. Unbekümmert Feiern unter freiem Himmel mit Tausenden anderen, das funktioniert nicht mehr so einfach wie früher. Doch Rietberg und Stukenbrock haben bewiesen, dass es trotzdem noch klappen kann. Dass man die schweren Themen für ein paar Stunden beiseiteschieben und eine gute Zeit haben kann – ohne mulmiges Gefühl. Und ohne sich ständig sorgenvoll umschauen zu müssen.

Meistgelesen