Antiquität

Erneut dreister Diebstahl in Gütersloh: Wertvolle Skulptur aus Kirche gestohlen

Der Täter muss über das Eisengitter geklettert sein und das Kunstwerk über eine drei Meter hohe Absperrung in der Gütersloher Kirche geworfen haben.

Dieses 2014 eigens zur Sicherung des Kirchenraums erichtete Eisengitter in St. Pankratius hat den Dieb offenbar nicht aufgehalten. | © Matthias Gans

Matthias Gans
13.02.2025 | 13.02.2025, 07:58

Gütersloh. Mit unfassbarer Dreistigkeit haben erneut Diebe in der Kirche St. Pankratius Beute gemacht. Diesmal wurde eine spätgotische Holzskulptur vom Beginn des 16. Jahrhunderts gestohlen.

Die Pietà, wie man die Darstellung der Gottesmutter Maria bezeichnet, die um ihren verstorbenen Sohn in ihren Armen trauert, war auf einem Podest im Bereich des rechten Seitenaltars platziert. Bereits vor zwei Jahren war ein wertvolles vergoldetes Reliquienkreuz aus Silber aus dem Jahr 1875 aus der katholischen Kirche gestohlen worden.

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Der Diebstahl wurde am Sonntag, 26. Januar, bemerkt, wie Monika Reinkemeier, Leiterin der Gemeindeverwaltung, auf Nachfrage der „NW“ mitteilt. „Es muss zwischen dem Hochamt und der Abendmesse geschehen sein. Die Skulptur war wegen der davon aufgebauten Krippe durch eine Stellwand und ein darüber liegendes Tuch verhüllt. Der Dieb muss die Verhüllung genutzt haben, um die Pietá unbemerkt aus ihrer Verankerung zu lösen“, mutmaßt Reinkemeier.

Kunstwerk wurde gewaltsam aus Verankerung gerissen Anzeige

Das Kunstwerk war auf dem Sockel fest verschraubt und mit einem Schloss gesichert. Es wurde gewaltsam aus der Verankerung gerissen. Das Schloss blieb unversehrt.

Diese Pietá aus Lindenholz wird auf die Zeit 1510 bis 1520 datiert. - © Raimund Vornbäumen
Diese Pietá aus Lindenholz wird auf die Zeit 1510 bis 1520 datiert. | © Raimund Vornbäumen

Der Dieb muss ihrer Einschätzung nach über das rund drei Meter hohe Eisengitter geklettert sein, das 2014 auf Vorgabe des Paderborner Erzbistums eigens angefertigt und angebracht worden war, um unerlaubtes Eindringen in den Kirchenraum zu verhindern.

Zudem wurden Holzstücke auf dem Boden auf der anderen Seite des Gitters gefunden. „Wir gehen deshalb davon aus, dass der Dieb die womöglich in dem Tuch gehüllte Skulptur über das Eisengitter geworfen hat und beim Aufprall Holz abgesplittert ist“, sagt Monika Reinkemeier. Das Tuch lag auch auf dem Boden.

Die Pietà hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich

Die Pietá selbst hat eine wechselvolle Geschichte. Die Skulptur ist etwa 60 Zentimeter hoch, 65 Zentimeter breit und 20 Zentimeter tief und aus Lindenholz gefertigt, dem in der Spätgotik bevorzugten Material für Schnitzerei und Bildhauerei. Es ist eine Dauerleihgabe des Erzbistums Paderborn. Die ältesten Unterlagen, die Monika Reinkemeier darüber finden konnte, ist ein Leihvertrag aus dem Jahr 1984.

Bis 1890/91 ist die Skulptur im Besitz der katholischen Kirchengemeinde gewesen, wie Marion Reinkemeier mitteilt. Sie hatte ihren Standort in der alten, von Protestanten und Katholiken gemeinsam genutzten Pankratiuskirche, der heutigen Apostelkirche.

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Als die katholische Gemeinde wuchs und ein eigenes Gotteshaus bauen wollte, war die zur Gemeinde gehörende Familie Spexard ein freigiebiger Spender von Holz, Hand- und Spanndiensten für den Bau der 1890 geweihten Kirche. Aus Dank überließ der Familie der damalige Pfarrer Becker die Pietà.

In den 1980er-Jahren schon einmal schwer geschädigt

Der Spexarder Heimatkundler Markus Schumacher kann diese Geschichte bestätigen. Er hat sich im Zuge der Geschichte der Spexarder Heiligenhäuschen damit intensiv beschäftigt. Dabei hat er herausgefunden, dass die Pietà in ein Heiligenhäuschen gestellt wurde, das bereits 1850 auf einer Flurkarte eingezeichnet war.

Marion Reinkemeier, Leiterin der Kirchenverwaltung, an dem nunmehr leeren Podest, auf dem die Pietá befestigt war. - © Matthias Gans
Marion Reinkemeier, Leiterin der Kirchenverwaltung, an dem nunmehr leeren Podest, auf dem die Pietá befestigt war. | © Matthias Gans

„Beim Bau der Neuenkirchener Straße im Jahr 1904 dürfte es umgesetzt oder durch ein neues, nahebei ersetzt worden sein.“ Zu Beginn der 1950er Jahre wurde dann ein neues gebaut und am 27. Mai 1951 eingeweiht. Deshalb heißt die Pietà im Volksmund „Spexarder Madonna“.

Hier fand die Skulptur ihr neues Zuhause. Bis sie in den 1980er-Jahren aus den Heiligenhäuschen von Unbekannten entwendet wurde. Stark zerstört wurde sie im Ruhrgebiet wiedergefunden und im Auftrag des Erzbistums, dass die Skulptur wiedererworben hatte, umfassend restauriert.

Skulptur ist mehrere Tausend Euro wert

Diese Restaurierung soll damals einen fünfstelligen Betrag gekostet haben, erinnert sich Markus Schumacher. So gelang das Kunstwerk über Paderborn wieder in die Pankratiuskirche. Eine Kopie aus Gips steht seitdem im besagten Heiligenhäuschen.

Der jetzige Wert wurde von Pfarrer Thorsten Roland gegenüber der Polizei mit mehreren Tausend Euro angegeben. Diese bearbeitet jetzt den Diebstahl, wie Polizeisprecherin Katharina Felsch mitteilt. Was das vor zwei Jahren gestohlene Reliquienkreuz angeht, liegen der Polizei bislang keine neuen Kenntnisse vor. Im Gegensatz zum Kreuz ist die Pietà allerdings versichert, wie Marion Reinkemeier festgestellt hat.

Der mittlerweile verstorbene Pfarrer Elmar Quante war beim Diebstahl des Kreuzes von einem Auftragswerk ausgegangen. Ob das auch für den aktuellen Fall gilt, auf diese Spekulation will sich Katharina Felsch nicht einlassen. „Falls der Diebstahl ein Auftragswerk war, warum ging der Dieb dann so unachtsam mit dem Kunstwerk um?“

Sicherheitslücken in der Kirche St. Pankratius müssen geschlossen werden. - © Andreas Frücht
Sicherheitslücken in der Kirche St. Pankratius müssen geschlossen werden. | © Andreas Frücht

Weitere Sicherheitsmaßnahmen müssen überlegt werden

Die katholische Kirchengemeinde überlegt nun, wie sie ihren Kirchenraum in Zukunft vor solchen Diebstählen schützen kann. „Eigentlich sollte die Kirche immer geöffnet sein, denn die Kirche wird immer wieder mal zum stillen Gebet aufgesucht“, sagt Marion Reinkemeier. „Doch jetzt müssen wir uns weitere Sicherheitsmaßnahmen überlegen.“

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Eine weitere Einschränkung der Öffnungszeiten wird ebenso erwogen wie eine noch bessere Sicherung der Kunstwerke, gegebenenfalls auch mit einer Alarmanlage. „Es ist traurig, dass so etwas nötig ist, aber was sollen wir machen?“, sagt Marion Reinkemeier und schüttelt traurig den Kopf.