Beliebter Priester muss Gütersloh verlassen: Ist die Versetzung ein Machtinstrument?

Gütersloh. Mal abgesehen von der Papstwahl, diesem Weltereignis, diesem Hochamt der Zelebrier- und Inszenierungskunst: Hätte jemand vermutet, dass die katholische Kirche noch in der Lage ist, die Menschen dermaßen in Wallung zu versetzen? Es ist erstaunlich, was in diesen Tagen im Gütersloher Ortsteil Spexard zu beobachten ist. Ein Priester, Markus Henke, hat es offenbar kraft seiner Person und seines Wirkens vermocht, sehr viele Menschen eng an die katholische Kirche zu binden. Sie schätzen ihn, sie mögen ihn, sie hören ihm zu. Feiert Vikar Henke eine Messe, ist die Kirche voll, so voll wie beinah nirgends. Andere katholische Gemeinden und erst recht die evangelische Kirche können davon nur träumen. Nun will das Erzbistum ihn, ausgerechnet ihn versetzen – und die Wogen schlagen hoch. Die Menschen in Spexard, in Avenwedde und anderen Kirchorten, sie sind bestürzt. Vertreter von Vereinen legen sich für ihn ins Zeug, die Messdiener sind in Aufruhr. Mehr als 1.400 Menschen (Stand 2. Juni) haben inzwischen die Online-Petition mit der Forderung unterschrieben, Henke müsse bleiben. Weitere unterzeichneten die im Ort ausliegenden Listen, auch sie sprechen sich für seinen Verbleib aus. Mehr dazu: Beliebter Priester muss Gütersloh verlassen – mehr als 1.000 Bürger kämpfen für Verbleib Kirche gibt umfassende Stellungnahme ab Das Maß an Unverständnis ist gewaltig. Die Frage, die alle umtreibt: Was um Himmels willen hat das Erzbistum zu diesem Schritt veranlasst? Warum macht die katholische Kirche so etwas? Dass der Erklärungsdruck immens ist, lässt sich an der Stellungnahme erkennen, die die Pressestelle des Bistums in diesem Fall an die Medien geschickt hat. Sie ist außergewöhnlich lang. Keine Allgemeinplätze, keine dürftigen zwei Sätze, wie sonst schon mal zu Personalangelegenheiten. Stattdessen eine ausführliche Erläuterung, aus welchen Gründen die Kirche immer mal wieder ihre Priester versetzt. Vieles davon ist nachvollziehbar. Allen voran: der Priestermangel. Wenn anderswo der Bedarf an pastoralem Personal höher ist, hält Paderborn es für geboten, dort jemanden hinzubeordern, völlig klar. Einen, den es für geeignet hält, vielleicht einen wie Henke. Das Bistum hat das Große und Ganze im Blick zu behalten, auf die Befindlichkeiten einzelner Orte kann es kaum Rücksicht nehmen. Angesichts der mickrigen Zahl an Priesterweihen in den letzten Jahren lässt sich ausmalen, wie aufreibend das Stopfen der Lücken inzwischen ist. Verständlich auch, wenn ein Neupriester, so wie der nun avisierte 28-jährige Nachfolger Henkes, dorthin geschickt wird, wo er sich am besten entwickeln kann, wo die Rahmenbedingungen stimmen. In Gütersloh ist das mittlerweile der Fall. So gesehen ist es fast als Auszeichnung zu verstehen, dass Paderborn den jungen Vikar an die Dalke schickt. Jens Baronowsky wird dort auf ein Team treffen, das harmoniert, das funktioniert. Auch in St. Pankratius ist in jüngerer Zeit Erstaunliches passiert, auch dort ist die Zahl der Gottesdienstbesucher und deren Verbundenheit mit ihrer Kirche signifikant gestiegen. Seit 14 Jahren ist der Vikar in Gütersloh Schwierig hingegen wird es bei dem Paderborner Argument, für Pastöre seien Versetzungen nach einigen Jahren üblich, &bdquo;um neue Impulse in Pastorale Räume zu bringen“. Das klingt nach Prinzipienreiterei. Nach Versetzen um des Versetzen willens. &bdquo;Neue Impulse setzen“ gilt nicht von ungefähr als eine der übelsten Floskeln im Fußballsport. Vereinsbosse verwenden sie beim Rausschmiss eines Trainers immer dann, wenn ihnen sonst kein vernünftiger Grund einfällt. Also oft. Die Frage, die sich aufdrängt, lautet: Ist dieses Prinzip des Versetzens unumstößlich? Ohne Ausnahme? Henke hat sich einst, zu Beginn seiner Priesterlaufbahn, entschieden, kein leitender Pfarrer (Pfarr-Herr) werden zu wollen, weil ihm der damit verbundene administrative Teil missfällt. Er verzichtete auf das Ablegen des zweiten Pfarrexamens. Er wolle lieber nah bei den Menschen sein, Seelsorge betreiben. Mit diesem Entschluss nahm Henke in Kauf, regelmäßig versetzt werden zu können. Lesen Sie auch: Beliebter Priester muss Gütersloh nach 14 Jahren verlassen – er wäre gerne geblieben Für einen Vikar wirkte er schon ungewöhnlich lange am selben Ort, 14 Jahre. Dass es ihm in diesen 14 Jahren gelang, eine starke Gemeinde aufzubauen, ist erstens beeindruckend und zweitens der Beleg dafür, dass sehr viele Menschen einen Bedarf nach Seelsorge und speziell einem guten Seelsorger haben, aller Mitglieder-Erosion zum Trotz. Die Gefahr ist nun, dass ohne verbindendes Element diese Verbundenheit bröckelt. Dass sich viele (erneut) enttäuscht von ihrer Kirche abwenden. Versetzung als Machtinstrument? Markus Henke gefällt die Versetzung nicht, das zu sagen hat er sich getraut. Er wäre gerne in Spexard geblieben, bis zum Ende seiner Amtszeit und länger. Zugleich lässt er keinen Zweifel daran, dass er sich der Versetzung fügen wird. &bdquo;Ich stehe im Dienst der Kirche. Wenn ich auf die Reise geschickt werde, gehe ich auch.“ Er sei nicht der Typ, der sich an die Kirchentür kettet. All das ehrt ihn, all das wird vermutlich bedeuten, dass der Erzbischof seine Entscheidung nicht revidieren wird. Was manche Gläubige bei diesem Vorrang indes beschleicht, ist der Verdacht, das Prinzip Versetzung könnte auch eine Art Machtinstrument sein. In Rom, um dorthin zurückzublicken, erfand man einst das politische Prinzip &bdquo;Teile und Herrsche“ (divide et impera). Es diente dazu, den Herrschaftsbereich zu sichern. Übertragen aufs Personal, ließe sich der Leitspruch umwandeln in &bdquo;Versetze und Herrsche“: Zeige deinem Personal, dass du über es verfügen kannst, zeige ihm, dass du jederzeit in der Lage bist, es an einen anderen Ort zu schicken. Auch interessant: Warum ein 29-Jähriger seinen Beruf an den Nagel gehängt hat und jetzt Priester wird Nun, Spexard ist nicht Rom, hier werden keine Wölfe gesäugt, hier fliegen Spechte. Sie fliegen und hämmern. In diesen Tagen so laut und vernehmlich, dass man es auch in Paderborn hört.

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