Ausbildungsbotschafter

Trotz Abi: 19-Jähriger aus Kreis Gütersloh entscheidet sich für Ausbildung statt Studium

Der Weg scheint für viele klar: Nach dem Abi folgt das Studium. Justus Pollhans aus Rietberg hat sich bewusst dagegen entschieden. Die Gründe sind vielfältig.

Seit August ist Justus Pollhans aus dem Kreis Gütersloh als Auszubildener Teil von "Elektro Daniel". Das Unternehmen hat er durch ein Praktikum kennengelernt. | © Letta Siebert-Daniel

Matthias Reiprich
27.12.2024 | 27.12.2024, 19:35

Rietberg. Nach dem Abi an die Uni, vielleicht in einer neuen Stadt, und dann die ersten Jahre des Erwachsenenlebens mit Studieren verbringen. Für viele junge Menschen ist das der normale Lauf der Dinge. Justus Pollhans aus Rietberg hat sich bewusst dagegen entschieden. Der 19-Jährige macht seit August eine Ausbildung zum Elektriker für Energie- und Gebäudetechnik bei „Elektro Daniel“ in Rietberg.

„Ich war schon ziemlich schulmüde“, sagt Pollhans, der zur Marienschule in Lippstadt gegangen ist. Vor allem die Schuljahre während der Corona-Pandemie hätten dazu einen großen Teil beigetragen, inklusive schwieriger Homeschooling-Erfahrungen. Er sammelt bereits während seiner Schulzeit einige praktische Arbeitserfahrung durch verschiedene Praktika: als Feinwerkmechaniker, in der IT und außerdem zwei im Elektrobereich.

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„Am besten gefallen hat mir das Praktikum bei ’Elektro Daniel’, ganz klar“, sagt Pollhans. Und so entscheidet er sich im Sommer dazu, die dreieinhalbjährige Lehre im familiengeführten Unternehmen zu beginnen. „Hier begegnet man allen auf Augenhöhe, auch den Chefs“, weiß er seine Ausbildungsstätte zu schätzen. Weil er Abitur hat, hätte er auch auf zweieinhalb Jahre verkürzen können. „Aber ich möchte die Grundlagen lernen und alles mitnehmen, was geht.“

Azubi aus dem Kreis Gütersloh hat schon Zukunftspläne

Seine Schwerpunkte in der Ausbildung liegen in den Bereichen Hauselektrik, Smart-Home-Installation, Industrieinstallation und PV-Anlagen. Außerdem hat der junge Auszubildende die Möglichkeit, während seiner Lehre Einblicke in die Automatisierungstechnik und ins Programmieren zu bekommen. Das ist dem 19-Jährigen wichtig, denn er hat schon Pläne für die Zukunft.

„Ich möchte alle Bereiche kennenlernen, die für mich infrage kommen. Und dann in Zukunft vielleicht meinen Meister oder Techniker machen.“ Auch ein Studium mit technischem Schwerpunkt sei nicht ausgeschlossen. Aber eben nicht zum aktuellen Zeitpunkt. Doch was spricht aus Sicht von Pollhans für eine Ausbildung und gegen ein Studium?

Der Rietberger nennt vor allem die praktischen Erfahrungen, die er im Unternehmen sammelt. „Das gibt es nur beim Arbeiten, im Studium bleibt es meistens sehr theoretisch“, sagt er. Pollhans möchte mit der Ausbildung eine Basis für die Zukunft schaffen, kann sich gut vorstellen, im Unternehmen zu bleiben. Außerdem hilft ihm die Lehre auch über die Arbeit hinaus.

Wie der Start beim Unternehmen im Kreis Gütersloh lief

„Ich bin schon immer handwerklich veranlagt gewesen, erledige zu Hause am liebsten alles selbst“, sagt der 19-Jährige, der in seiner Freizeit auch Teil der Freiwilligen Feuerwehr Rietberg im Löschzug Mastholte ist. Was er bei der Arbeit lernt, kann er zukünftig auch im Privatleben nutzen.

Trotz Abitur hat sich der 19-jährige Justus Pollhans aus dem Kreis Gütersloh bewusst für eine Ausbildung und gegen ein Studium entschieden. - © Matthias Reiprich
Trotz Abitur hat sich der 19-jährige Justus Pollhans aus dem Kreis Gütersloh bewusst für eine Ausbildung und gegen ein Studium entschieden. | © Matthias Reiprich

Seit vier Monaten ist Pollhans mittlerweile Azubi bei „Elektro Daniel“. Und fühlt sich dort sehr wohl. Beim „Welcome Day“ sei den neuen Azubis die Firma gezeigt worden, abends habe es ein gemeinsames Grillen gegeben. Eingearbeitet wurden Pollhans und die anderen Auszubildenden von einem ehemaligen Azubi, der nun als Werkstudent im Unternehmen tätig ist.

„Er hat uns die Grundtätigkeiten gezeigt und uns darauf vorbereitet, dass wir mit auf die Baustellen fahren können“, erzählt der Rietberger. Mittlerweile ist es für ihn selbstverständlich, als Teil des Teams mitzuhelfen und in die Arbeitsabläufe integriert zu sein. Seine Erwartungen an die Ausbildung seien bisher durchweg erfüllt worden. Pollhans gefällt vor allem, dass er in so viele Bereiche der Firma reinschnuppern kann.

Azubi aus dem Kreis Gütersloh ist Ausbildungsbotschafter

Wie wichtig dem Unternehmen die Ausbildung ist, zeigt auch eine weitere Funktion des 19-Jährigen. Kurzerhand wurde er ein Jahr früher als geplant als Ausbildungsbotschafter geschult und hat als Krankheitsvertretung bereits seinen ersten Einsatz in der Gesamtschule Verl hinter sich. Ein Anliegen, dass Pollhans aus persönlichen Gründen sehr wichtig ist.

„Bei uns wurden in der Berufsberatung in der Oberstufe des Gymnasiums immer nur Perspektiven fürs Studieren aufgezeigt, nie für Ausbildungen.“ Das findet der angehende Elektriker extrem schade, denn es gebe so viele spannende Ausbildungsberufe, die auch für Menschen mit Abitur interessant sein können. „Viele Schüler wissen gar nicht, welche Möglichkeiten es eigentlich gibt“, sagt Pollhans.

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Damit Ausbildungen auch für Abiturienten attraktiver werden, sieht er vor allem in der Berufsschule Optimierungsbedarf. Diese sei für ihn wenig fordernd und somit oft langweilig. Der Rietberger wünscht sich einen größeren Fokus auf die ausbildungsspezifischen Fächer, um im Arbeitsalltag mehr davon zu profitieren.

Erschreckend findet Pollhans den Anteil an Abiturienten in seiner Klasse: Lediglich drei von 25 Schülern hätten einen Gymnasialabschluss, also lediglich zwölf Prozent der Elektriker in Ausbildung. Der 19-Jährige möchte als Botschafter weiterhin seinen Teil dazu beitragen, dass sich das in Zukunft ändert.