
Gütersloh. Als sie ihren ersten Gottesdienst in Deutschland besucht hat, erlebte sie einen Kulturschock. Leita Ngoy hatte sich geschmückt, ins bunte Gewand gekleidet und war voller Vorfreude in die Kirche in Bochum gegangen. „Ich dachte, ich wäre zu spät gekommen. Denn es waren 15, vielleicht 20 Menschen da.“ Viel mehr wurden es bis zum Ende nicht.
Das war im Jahr 2018, doch aktuell sieht die Lage in den Kirchen nicht wesentlich anders aus. „Es kommen immer weniger. Die Leute treten aus. Die Probleme gibt es in ganz Deutschland“, weiß die Pfarrerin, die 1981 in Tansania geboren wurde.
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In Gütersloh, seit Januar ihre Wirkungsstätte im Probedienst, will die 42-Jährige jetzt mit einem besonderen, hier bislang einmaligen Format dafür sorgen, dass die Kirche wieder mehr Zulauf erfährt und ihr gleichzeitig ein neues Publikum erschließen.
„Es ist wie eine große Party“, sagt sie über die Gottesdienste in ihrem Geburtsland
„Karibu“, sagt Leita Ngoy oft und gerne. Es heißt Willkommen auf Suaheli, der Haupt- und Amtssprache in ihrem Geburtsland. Dort würden die Gottesdienste oft von 300 bis zu 6.000 Menschen gefeiert, erzählt die dreifache Mutter. „Es ist wie eine große Party. Alle schmücken sich heraus, es wird gesungen, geklatscht und getanzt.“
Lebendig, bunt und inspirierend – einmal im Monat wollen sie in der Evangelischen Kirchengemeinde Gütersloh jetzt auch einen Gottesdienst wie in Afrika feiern und damit den missionarischen Geist neu entfachen.

Die Besonderheiten: Es gibt eine eigens gegründete Band, ein interkulturelles Buffet am Ende und die Veranstaltung wird in vier Sprachen abgehalten – Deutsch, Englisch, Französisch und Suaheli.
Geistliche möchte einen spirituellen Ort für alle schaffen
„Denn wir wollen Menschen aller Nationalitäten und Glaubensrichtungen erreichen, unabhängig von ihrer konfessionellen, kulturellen oder sprachlichen Herkunft“, sagt Leita Ngoy. Die Geistliche mit den aufwendig geflochtenen Boxbraids spricht von ihrem Wunsch, einen spirituellen Ort für alle zu schaffen, an dem die gewachsene Vielfalt der Gesellschaft miteinander erlebbar wird.
„Gütersloh ist multikulturell. Fast ein Drittel der Menschen hat Wurzeln außerhalb Deutschlands“, weiß die Pfarrerin, die ihr theologisches Promotionsstudium an der Ruhr-Universität in Bochum in drei Jahren geschafft hat.
Überall erlebe man die Einflüsse aus unterschiedlichen Sprachen und Kulturen – nur sonntags in der Kirche kaum. „Warum also nicht die Tür öffnen für andere Menschen?“, hat sich die Theologin gefragt. Alte Strukturen aufbrechen, neue Einflüsse zulassen.
Prägung im Glauben erfuhr sie durch ihren Vater, Pfarrer Ngoy Kabwe
Mit ihrer Idee vom interkulturellen, afrikanisch geprägten Gottesdienst weckte sie beim Presbyterium der Evangelischen Kirche Gütersloh die Neugierde für Neues. Das Gremium fällte den Beschluss für das neue Format und stellte ein Budget für das erste eigene Projekt von Leita Ngoy in Gütersloh, wo sie für zwei Jahre als Pfarrerin im Probedienst arbeitet.
An Erfahrung mangelt es der Gottesfrau nicht. In ihrer ostafrikanischen Heimat hat Leita Ngoy, die auch über die kongolesische Staatsbürgerschaft verfügt, bereits 15 Jahre lang als Pfarrerin einer evangelisch-lutherischen Kirche gearbeitet. Von Tansania aus zog es sie nach Indien, fünf Jahre wuchs sie in Madras auf.
Die Prägung im Glauben erfuhr sie durch ihren Vater, Pfarrer Ngoy Kabwe. „Er war einer der ersten, die in der Demokratischen Republik Kongo zum lutherischen Pastor odiniert wurden“, erzählt Leita Ngoy. Im beschaulichen Gütersloher Stadtteil Pavenstädt lädt sie nun mit einem 15-köpfigen Team zum ersten interkulturellen Gottesdienst á la Afrika.
Pfarrerin beherrscht alle vier Sprachen, die im Gottesdienst vorkommen
Zum Schauplatz der Premiere wird die Johanneskirche am Pavenstädter Weg. Dort geht es am Sonntag, 22. September, um 10.30 Uhr los, die drei weiteren Termine für dieses Jahr (27. Oktober, 10. November, 8. Dezember) stehen bereits fest.
„Auch in Gütersloh gibt es einige afrikanische Christen. Sie kommen nicht zur Kirche. Die Sprache ist das Problem“, hat Leita Ngoy festgestellt. Sie selbst beherrscht alle vier Sprachen, die nun im Gottesdienst vorkommen und Barrieren abbauen sollen – während der Begrüßung, in der Predigt, der Lesung und bei der Musik.

„Wir werden im Wechsel sprechen“, sagt Leita Ngoy, die mit Gloria Zola aus Bochum eine zusätzliche Übersetzerin dabei hat. Bestimmte Lieder werden gleichzeitig in mehreren Sprachen intoniert. „Gott ist die Liebe etwa heißt auf Suaheli Munga ni pendo und hat die gleiche Melodie“, erzählt die Predigerin.
Interkulturelles Buffet im Anschluss an den Gottesdienst
Eigens für das Projekt hat sich die „Halleluja! Praise And Worship Band“ gegründet. Das Ensemble mit dem pensionierten Lehrer und Buchautor Uli Twelker, Presbyter Thorsten Rohleder, Volker Laske, Lewis Rwiza, Joyeux Singira, Ralph Solkan und den tansanischen Sängern Joseph und Tupokigwe verbinden deutsche Kirchenlieder mit globaler Gospelmusik. In der Band will auch Leita Ngoy mitsingen.
Ebenso wirkt sie im Küchen-Team um Lilli Ramforth, Stella Schmidt und Christa Marienhagen mit. Sie bereiten das „Karibu Intercultural Buffet“ zu, das im Anschluss an den Gottesdienst im Gemeindehaus angeboten wird.
Bananen mit Kokosmilch, Bohnensuppe, Waffeln, Kokosnuss-Reis-Pfannkuchen oder Masala-Tee - ein bunter Mix wird es sein. Passend zum Publikum. Wie viele Menschen kommen werden, kann die neue Gütersloher Pfarrerin nicht abschätzen: „Die Kapazität der Kirche liegt bei 300 Besuchern. Ich glaube, die Kirche wird voll.“
Pfarrerin möchte Bibeln in mehreren Sprachen anschaffen
Für die Evangelische Kirchengemeinde Gütersloh ist diese Form des Gottesdienstes weit mehr als nur ein neues Projekt. „Wir bekennen uns damit zu den ursprünglichen Werten unserer Kirche – alle willkommen zu heißen, Vielfalt anzunehmen und Menschen vorbehaltlos einzubeziehen“, sagt Presbyter Torsten Ramforth.
Im Dezember soll es eine Evaluation zu den ersten vier hybriden Veranstaltungen geben. Leita Ngoy hat schon Visionen für die Zukunft. Sie möchte Bibeln in mehreren Sprachen anschaffen und die Gottesdienste im nächsten Jahr mit Kopfhörern übersetzen lassen.
Ob sie selber nach ihrem Probedienst weiterhin in der Gütersloher Gemeinde bleibt, weiß Leita Ngoy noch nicht. Gegenwärtig gilt ihr voller Tatendrang dem Gottesdienst wie in Afrika. Die Etablierung solcher interkultureller Gottesdienste ist für sie eine Herzenssache und greifbarer Ausdruck von Gastfreundschaft: „Es ist wie ein Baby. Am Sonntag wird es geboren – und dann muss es wachsen.“